Auf nach Kanada – Drittes Kapitel

von Peter Iden

Das zweite Kapitel finden Sie hier

Die Geschichte einer (etwas anderen) Auswanderung

Freitag, 9. April 1954 – auf der Nordsee

Die “Colonia” ist noch blank und neu auf dieser – ihrer zweiten – Reise nach ihrer Jungfernfahrt nach Spanien. Aber es wird noch blanker, es ist “Reinschiff” in allen Ecken.

Wetterstation “Norddeich” meldet Auffrischung auf Windstaerke 4 bis 5 und Nebel.

Die Wirklichkeit aber ist strahlender Sonnenschein, glasklare Fernsicht, leichte Nordwest-Duenung, leichter Wind und nicht sehr kalt.

Der Wettergott schlaeft oder hat woanders zu tun, naemlich an der Ost- Friesischen Kueste, wo er sich eine Nebelsuppe kocht. Unser Kapitaen nimmt daher den “Elbe-Humber” Kurs direct auf England zu.

Die Passagiere studieren eingehendst die Wellen und finden es fuer die Seekrankheit noch zu frueh.

Ich gehe nach oben in den “Utkiek”, der im “Schornstein” liegt. Wenn man von hier so rund sieht, bekommt man richtig Respekt vor dem Globus, so wie mit einem Zirkel gezogen ist der Horizont.

Uebrigens habe ich mir etwas frueher heute einen (See-)Baeren aufbinden lassen. Da kam ein Maschinist und erzaehlte mir von einer der besonderen Attraktionen des Schiffs, dem “Unterwasser-Ausguck”. Das sollte eine dicke, in den Schiffsboden eingelassene Glasscheibe sein, durch die man die Fische beobachten kann.

Naja, dachte ich, auf so einem Schiff ist alles moeglich. Also liess ich mich in den Maschinenraum lotsen, kroch in einen engen, duesteren Gang. Da sass allerdings schon jemand drin. Ich: “Darf ich auch mal?”. Ich wollte Platz machen, um ihn durchzulassen, aber er machte genau dasselbe!

Da merkte ich, dass man mich angeschmiert hatte. Ich sass vor einem grossen Spiegel, was ich im Halbdunkel nicht bemerkt hatte!

Inzwischen waren einige uebereifrige Passagiere schon an das Schreiben ihrer Post gegangen, um diese rechtzeitig fuer die “Postboje” fertig zu haben. Diese Boje waere die letzte Chance vor Nordamerika, noch Post an die Angehoerigen zu schicken. Wir machten uns an die Mannschaft heran, aber weil diese uns hoch und heilig versichert hatte, dass die Boje “echt” waere, glaubten es die meisten Passagiere. Nur ich nicht, denn das hinterlistige Grinsen der Besatzung sagte mir, dass man uns nochmals anschmieren wollte.

Wieder ist es Abend. Wir erleben einen herrlichen Sonnenuntergang, wie jeden Tag. Die Tage auf dem Meer sind laenger, da das Auf- und Untergehen der Sonne nicht durch Baeume und dergleichen gestoert wird. Die wunderbarsten Farbstimmungen gibt so ein Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang auf dem Meer.

Von “Midships” aus dem Mannschafts-Logis dringt die Musik eines Schiffer- Klaviers und lautes Singen zum Achterdeck. Mit 2 Mann schippern wir hin. Mit rauhem Gebruell werden wir begruesst; die Matrosen haben schon etwas “geladen”, weil ein Schiffsjunge heute zum Matrosen befoerdert wurde.

Ehe wir uns versehen, haben wir schon jeder eine Pulle Bier in der Hand und stossen auf Seemansart an: “Backbord, Stuerbord, Midships, Prost!” Wer dabei nicht aufpasst, hat dann ploetzlich eine sprudelnde Fontaene Bier in der Hand!

Die Matrosen kriegen immer mehr Schlagseite und verschwinden einer nach dem anderen in ihren Kojen, als Erster der Moses, der am wenigsten vertraegt.

Es sind prima Kerle, die Mannschaft, und heute abend unsere Freunde geworden. Nur der “Kochsmaat hat noch einigermassen “Klarschiff” im Kopf. Wir gehen mit ihm in seine Kajuete. Vorher aber stellen wir unsere Uhren noch eine Stunde zurueck, denn wir haben jetzt “Greenwich Time”.

Dann erzaehlt Kochsmaat Friedl, zeigt uns Bilder von seinen Fahrten nach Spanien, Kanada, U.S.A, Suedamerika usw. Die Zeit rennt wie Zatopek auf der Olympiade in Helsinki. Um 1 Uhr nachts taumeln wir schliesslich in unsere Kojen, aber nicht vom Bier, sondern vom Seegang.

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