Selbstständig in Kanada

von Peter Iden

Anmerkung: Diese Informationen ueberschneiden sich in gewisser Hinsicht mit einem bereits vorher geschriebenen Beitrag ueber Partnerschaften.

Als Selbststaendiger (wir sind es seit mehr als 35 Jahren) muss man zuerst seine Abhaengigkeit vom deutschen Sozialwesen aufgeben. Fuer uns keine Frage, denn wir waren schon zwei Jahrzehnte in Kanada, als wir uns in 1975 selbststaendig machten. Aber auch fuer uns war es schwer, mit drei Kindern diese Vorteile aufzugeben. Das Risiko hat sich allerdings sehr schnell bezahlt gemacht.

Prospektive Neu-Einwanderer, die als erstes immer nach den Sozialleistungen in Kanada fragen, wollen dieses Risiko meistens nicht eingehen und wuerden zum Teil selbst als Angestellte hier scheitern!

  • Es gibt keine Arbeitslosen-Versicherung fuer Selbststaendige.
  • Die Krankenkasse muss man 100% bezahlen.
  • Medikamente muss man selbst bezahlen.
  • Spezialisten wie Chiropraktiker muss man selbst bezahlen.
  • Physio-Therapie muss man selbst bezahlen.
  • Zahnaerzte muss man selbst bezahlen.
  • Augenaerzte muss man selbst bezahlen.
  • Dementsprechend auch Zahnprotesen und Brillen.
  • Es gibt kein Kindergeld fuer junge Selbststaendige.
  • Es gibt keine Beihilfe fuer Koerperbehinderungen.
  • (Die letzten zwei mit einigen wenigen Ausnahmen).

Die Old Age Pension (Altersrente) wird teilweise nicht gezahlt, solange man noch Geld mit ueber 65 Jahren verdient.

Lediglich den Rest der Sozial-Leistungen darf man in Anspruch nehmen: Arzt-Besuche, aerztliche Behandlungen (nicht alle!), Krankenhaus-Aufenthalte, einige Kosten fuer Operationen, aber nicht viel mehr!

Natuerlich kann man sich durch Zusatzversicherungen decken, aber die Kosten sind sehr hoch.

17% der gesamten “work force” sind selbststaendig in Kanada. Seit 1976 ist dieser Prozentsatz dauernd im Aufstieg. Ueber 40% der Selbststaendigen haben keine Zusatz-Versicherungen.

Wer damit leben kann und die richtige Einstellung zu Land, seinen Leuten und die von Deutschland sehr verschiedene Arbeits-Mentalitaet hat, kann und wird in Kanada viel Geld verdienen.

Selbststaendig werden in Kanada ist sehr einfach. Man geht einfach zum “Registrar General”, um seine Firma zu registrieren. Kostet in Ontario etwa 60 Dollar. Man kann es sogar sogar “on-line” machen.

Danach kann man machen, was man will. Am wichtigsten ist natuerlich, eine Kunden-Basis zu haben oder aufzubauen. Das erfordert gewoehnlich eine erhebliche finanzielle Ruecklage, von der man einige Monate oder sogar Jahre leben kann, waehrend das Geschaeft im Aufbau ist.

Das Internet ist dabei zwar wichtig, aber nicht absolut der beste Start in ein Unternehmen. Der Prozentsatz der “hits” kann zwar recht gross sein (wenn man seine Internet-Praesenz richtig aufbaut), aber die Erfolgsziffer kann dabei sehr niedrig bleiben. Prospektive Kunden gehen heutzutage “shopping” im Internet und bevorzugen die niedrigsten Preise, ganz gleich was sie dafuer geboten bekommen.

Am wichtigsten ist das “word-of-mouth”. Das heisst dass, wenn man fuer irgend jemand oder fuer irgend eine Firma gearbeitet hat, diese Dienste weiter empfohlen werden. “Networking” ist ein anderer Begriff dafuer.

Wer also einen Anruf oder eine E-Mail bekommt, die damit beginnt “George Miller hat mir deine Firma empfohlen”, hat schon praktisch einen neuen Kunden gewonnen.

So bekommen wir unsere meisten Kunden, ohne sie jemals anzuwerben. Oder eben durch das Internet, aber da ist die Erfolgziffer immer noch recht klein – nur etwa 5% aller Anfragen koennen wir als neue als Kunden begruessen, im Durchschnitt einen pro Monat, und auch nur von denen, die von uns Angebote auf ihre Anfragen bekommen.

Natuerlich muss jegliche Praesenz im Internet oder anderswo die prospektiven Kunden ansprechen und fuer sie leicht zu finden oder erreichbar sein. Es gibt dafuer eine Menge Moeglichkeiten, von denen einige jedoch recht teuer sind.

Fuer Handwerker sind wahrscheinlich die “Yellow Pages” die beste Methode. Sobald man hier in Kanada eine Firma eroeffnet und einen Telefon-Anschluss als Firma bekommt, hat man automatisch die Moeglichkeit, diese Firma in den “Yellow Pages” kostenlos unter der Kategorie der Firmen-Aktivitaet eintragen zu lassen. Allerdings nur als “Ein- oder Zweizeiler” mit Firmenname, Adresse und Telefon-Nummer. Groessere “Ads” kann man naturlich in den “Yellow Pages” platzieren, aber die Kosten fuer eine neue Firma sind ziemlich hoch.

So wuerde z.B. ein Dachdecker seine Firma kostenlos in der Kategorie “Roofing” oder “Roofing Contractors” eintragen koennen. Der Trick ist natuerlich, solche Eintraege leicht auffindbar fuer prospektive Kunden zu machen. Die meisten dieser Kunden rufen einen der ersten fuenf oder so Eintraege an.

Als “ABC Roofing” wuerde man einer der ersten auf dieser Liste sein und wahrscheinlich weit mehr Anrufe bekommen als z.B. “Miller Roofing” oder “XYZ Roofing”, allein schon wegen der Anzahl der Firmen in dieser Kategorie. Dieser kleine Trick ist bekannt, und es gibt in einigen Kategorien Firmen, die ihre Namen mit den Anfangs-Buchstaben “AAA” oder sogar “AAAA” registrieren.

Da muss man schon seinen Stolz auf seinen eigenen Namen beiseite setzen und Seine Firma nicht “Zietsche Automobiles” nennen, womit man am Ende der Liste landen wuerde.

Der Firmen-Name in nicht-handwerlichen Kategorien ist ebenso wichtig in der Suche von prospektiven Kunden. Ein Name wie “J.W.Miller Technologies” wuerde fuer Sucher nach einer medizinisch-technologischen Firma weitaus weniger angerufen oder angeklickt werden als z.B. “J.W.Miller Medical Technologies”.

Meine Firma bekommt zahlreiche Anrufe wegen unseres Namens “Customs Management and Information Services”. Wir muessen jeden Tag Anrufer zurueck weisen oder weiter geben, weil sie glauben, wir waeren der Informations-Dienst des kanadischen Zolls (“Customs”). Das ist OK, denn wir bekommen auch durch solche Kontakte manchmal neue Kunden, wenn auch selten.

Peter Iden
Brampton, Ontario, Kanada

Ähnliche Artikel & Themen

6 Kommentare

Emma 23. März 2017 - 06:48

Hi, Ich habe das nicht ganz verstanden. Als ausladender kann ich mich einfach so selbstständig machen? Oder sind das Infos gute bereits eingewanderte?

Antworten
Peter Iden 23. März 2017 - 18:47

Emma, zuerst einmal, die Prozedur der Anmeldung einer (selbststaendigen) Firma in Kanada ist relativ einfach und die Kosten dafuer sind niedrig.
Aber nur Einwohner von Kanada oder Personen aus anderen Laendern mit bestaetigtem ‘Temporary Resident Status” oder “Permanent Resident Status” , Einwanderer mit einem existierenden Arbeits-Angebot von einer kanadischen Firma, Studenten mit “Temporary Resident Status” in Kanada , sowie Personen mit Spezial-Status duerfen in Kanada arbeiten (siehe Listem weiter unten).
Anmerkung: Ich bin keine Einwanderungsberater. Mein Spezialgebiet liegt auf dem Zoll-Sektor. Ich rate daher, irgendwelche Schritte mit Hinsicht auf Arbeit in Kanada (inklusive Firmen-Eroeffnung oder -Registrierung) mit quakifizierten Einwabnderungsberatern zu diskutieren.
Die hier angehefteten Regeln sind komplex und erfordern gute Englisch-Kenntnisse.
APPLYING FOR A WORK PERMIT OUTSIDE CANADA
http://www.cic.gc.ca/english/information/applications/guides/5487ETOC.asp
Persons exempt for work permits
Persons that have a job offer approved by Human Resources Canada can apply for a work permit in Canada. Only the following workers in specific circumstances are exempt from needing a work permit whilst working in Canada:
⦁ Business Visitors
⦁ Foreign Representatives
⦁ Family Members of Foreign Representatives
⦁ Military Personnel
⦁ Foreign Government Officers
⦁ On-Campus Employment
⦁ Performing Artists
⦁ Athletes and Coaches
⦁ News Reporters
⦁ Public Speakers
⦁ Convention Organizers
⦁ Clergy
⦁ Judges and Referees
⦁ Examiners and Evaluators
⦁ Expert Witnesses or Investigators
⦁ Health-Care Students
⦁ Civil Aviation Inspectors
⦁ Accident or Incident Inspectors
⦁ Crew Members
⦁ Emergency Service Providers
These persons still need to apply for a Temporary Resident Visa (if applicable) to enter Canada as visitors.

Antworten
JHohn 18. Februar 2016 - 17:44

Es gibt keine Arbeitslosen-Versicherung fuer Selbststaendige.

Das sind Ur alt Infos das hat sich geaendert !

Antworten
Peter Iden 11. Januar 2016 - 21:28

Zertifikate, Meisterbriefe, Nachweise und dergleichen aus anderen Laendern sind in Kanada wertlos, im Gegenteil zu Deutschland. Einfach gesagt, hier zaehlt nur, was man machen kann und wie gut man es macht. Aerzte, Ingenuere, Doktoren und andere anerkannte Berufe aus dem Ausland haben hier sehr grosse Probleme, aufgrund ihrer Papiere Arbeit zu bekommen. Fuer Handarbeiter und andere Berufe gibt es keine Beschraenkungen zur Anmeldung eines selbststaendigen Arbeitsfeldes. Ihr Problem ist allerdings, hier eine Kundschaft aufzubauen, denn das Geschaeft in Kanada laeuft hauptsaechlich auf dem Ruf eines selbststaendigen Arbeiters. Ist er gut, wird er weiter empfohlen. Papiere muessen bei der Registrierung eines Geschaefts nicht vorgelegt werden. Automatische Anerkennung fremdlaendischer Papiere existiert hier nicht, Nur das noetige Kleingeld muss vorhanden sein, um die anfaenglich mageren Einkuenfte ausgleichen zu koennen, aber auch danach wird nicht gefragt, denn es laeuft auf “Eigenrisiko”.

Antworten
Lilie 3. Januar 2016 - 14:30

Hey! das klingt alles viel zu einfach meiner Meinung nach. Wie sieht das aus mit Ordnugsamt? gibt es das? Muss man keine Zertifikate, Nachweise vorlegen können um sich in einer bestimmten Branche selbstständig machen zu können? Man kann sich doch nicht einfach mal so selbsständig machen ohne die anerkannten Zertifikate oder? Nehmen wir mal an, diese sind in Deutschland anerkannt, ist es dann automatisch in Kanada anerkannt oder ist das ganz egal, solange man das nötige Kleingeld dafür hat etwas aufzubauen?

Antworten
Simon 6. September 2015 - 13:19

Vielen Dank für diesen informativen Beitrag. Er hat mir schon einige offene Fragen beantwortet ;)

Antworten

Kommentar verfassen

[script_53]

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

This website uses cookies to improve your experience. We'll assume you're ok with this, but you can opt-out if you wish.

Privacy Policy