Kanadische Philatelie-Geschichte

von Peter Iden

Kanada - BriefmarkenBriefmarken sind die Geschichte eines Landes. Geschriebene Geschichte kann jederzeit geaendert werden, wie es besonders von diktatorischen Regimen immer wieder praktiziert wird. Briefmarken dagegen zeigen die Welt so, wie sie zur Zeit ihrer Ausgabe bestand. Wer die wahre Geschichte eines Landes lernen will, sollte die Briefmarken des Landes ansehen.

Meine Zeit als Briefmarken-Sammler began in 1945, als ich nur 8 Jahre alt war. Das Konzept, sich in diesem Alter einen “Job” zu suchen, bestand in Deutschland nicht. Soweit ich weiss war es sogar illegal. Aber ich wollte irgend etwas tun, was ausserhalb der Schule stattfand. Etwas, das eine andere Anforderung als nur Schularbeiten darstellte.

Also fand ich einen Briefmarken-Grosshaendler in Hamburg-Wandsbeck, der jemand suchte, um die sehr intensive Arbeit zu verrichten, Briefmarken zu sortieren, welche irgendwo von irgend jemand von Briefen und Postkarten geschnitten und in grossen Saecken an ihn geliefert wurden. Ich bekam jeweils einen Sack voll von ihm und nahm ihn mit nachhause. Wo diese Briefmarken her kamen, habe ich nie heraus gefunden, aber noch heute werden solche Paeckchen mit sortierten Marken verkauft.

Der Sinn der Sache war, die Briefmarken nach Laendern oder gemischt zu sortieren und dann in kleine Tueten zu 50, 100 usw. zu fuellen. Diese wurden dann von ihm an diverse Briefmarken-Laeden verkauft. Ich gebe zu, dass ich allerhand Briefmarken in meine eigene Sammlung ableitete. Mein Briefmarken-Haendler hatte nichts dagegen, denn ich wurde ja schliesslich nicht fuer meine Arbeit bezahlt.

Geografie, Geschichte und Sprachen waren in der Schule meine Lieblingsfaecher, und dank meiner Briefmarken-Sammlung waere ich damals als Spitzenschueler in diesen Faechern in meiner Schule gelandet – wenn es damals so etwas wie “Spitzen-Schueler” gegeben haette. Ich ging in einer Zeit in die Schule, als es noch erlaubt war, dass die Lehrer uns schlagen durften.

Ich lernte die Geografie und Geschichte von den Briefmarken, und besonders die englische Sprache war als die am meisten benutzte Briefmarken-Sprache sehr notwendig, um diese Faecher zu beherrschen.

Das Hauptgewicht des Briefmarken-Geschaefts nach 1945 lag natuerlich auf den Ausgaben des Dritten Reichs. Briefmarken wurden bis 1945 als Propaganda-Mittel angesehen, d.h. wer einen Brief ins Ausland schickte (soweit das erlaubt war) sollte gleichzeitig durch die Briefmarken einen Einblick in die politische, geschichtliche und geistige Ueberlegenheit des Ursprungslandes uebermitteln. Die kommunistischen Laender brachten zu diesem Zweck waehrend des Kalten Krieges wohl die absolut groessten und farbenfreudigsten Briefmarken heraus.

In meinem ersten wirklichen Job in Kanada als “Mailboy” bei den Connaught Medical Research Laboratories fragte mich mein Boss, ob ich interessiert waere, den alten Ablageraum der Firma nach etwa 100 Jahren aufzuraeumen. Zusammen mit einem Freund, der ebenfalls bei Connaught arbeitete, schafften wir es in einigen Monaten. Unsere Briefmarken-Sammlungen wurden durch diese Arbeit erheblich bereichert, denn saemtliche Korrespondenz aus aller Welt endete im Muell. Mein Partner in diesem Projekt war derselbe, den ich soeben nach mehr als 50 Jahren in “facebook” wieder fand. Wir stehen jetzt wieder regelmaessig in Verbindung.

Was also hat meine kurze Vorgeschichte mit Kanada zu tun? Nun, die geschichtliche Bedeutsamkeit der kanadischen Briefmarken laesst sich keineswegs bestreiten. Schon die allererste Briefmarke in Kanada in 1851 zeigte den Biber (Three-penny beaver) als Ursprung des Reichtums des Landes. Es war die erste Briefmarke in der Welt, die ein Tier zeigte. Aber auch diese Marke hat eine Vorgeschichte.

Briefmarken sind eine britische Erfindung. Biefe wurden bis etwa 1850 spesenfrei von Schiffen und anderen Transportmitteln befoerdert. Die Zunahme von brieflichen Kommunikationen brachte die Befoerderer uf die Idee, fuer ihre Dienste Spesen zu berechnen. Der Unternehmungsgeist propagierte.

Apropos “erste Briefmarke”: die erste deutsche Briefmarke in Deutschland wurde in Bayern zwar bereits in 1849 entworfen, aber erst in 1851 heraus gegeben. Die Bayern hatten zuerst grosse Probleme, sich an die neue “Frankierung” zu gewoehnen. Aber bald verbreitete sich diese Methode der Vorausbezahlung der Kosten fuer die Anlieferung von Briefen ueber ganz Deutschland und Europa. Allerdings gab es bereits vorher Anlaeufe auf die Bezahlung von Brief-Anlieferungen.

Der Sieg der Briten ueber die Franzosen in 1760 sowie der Friedens-Vertrag zwischen den Briten und Amerikanern in 1763 fuehrte zu einem Post-Wechsel – zuerst allerdings nur militaerisch – zwischen New York und Quebec. Die Waehrung in Kanada war der Penny und das Pound Sterling. Ein Brief kostete 8 pence, und dauerte zwei Wochen von Albany, New York nach Montreal und Quebec. Post nach New York kostete 1 Shilling und dauerte ebenfalls eine Woche. Benjamin Franklin war einer der zwei “Postmasters General” von Amerika. Franklin war auch der erste, der eine Markierung der Briefe mit einem Stempel in 1764 einfuehrte.

Erst in 1849 adoptierte die “Province of Canada” Briefmarken fuer den Transport von Briefen und anderen Post-Sendungen. Die Provinzen waren zu diesem Zeitpunkt noch “British Colonies”. British Columbia und Vancouver Island hatten bis zu ihrer Vereinigung in 1866 ihre eigenen Briefmarken.

New Brunswick benutzte Briefmarken seit 1851 in pence, und seit 1860 in cents. Nova Scotia’s Briefmarken waren in pence bis 1861, Prince Edward Island hatte Marken in pence bis 1872, bevor die Insel in 1873 ein Teil des Dominions wurde. Neufundland hatte 90 Jahre lang seine eigenen Briefmarken, von 1857 bis 1947, bis es ein Teil von Kanada wurde.

Mit der Gruendung des “Dominion of Canada” am 1. Juli 1867 kam die erste “kanadische” Briefmarke, die “Queen Victoria” mit 1 cent bis 15 cent. Kanada’s seltenste Briefmarke, die 2 cent Queen Victoria, stammt aus dieser Zeit.

Da der kanadische Bedarf an Briefmarken in diesen Jahren wirklich nur sehr klein war, lohnte es sich nicht, sie in Kanada drucken zu lassen. Von 1897 bis 1923 wurden sie also von der American Bank Note Company gedruckt. Der Wert der Marken war zuerst immer ausgeschrieben (z.B. “ten cents”), aber ab 1907 verlangte die Universal Postal Union (UPU) von ihren Mitgliedern den Gebrauch der arabischen Ziffern auf allen Briefmarken. Die franzoesischen Einwohner Kanada’s hatten sich schon seit einigen Jahren ueber den Gebrauch der englischen Sprache auf den Briefmarken des Landes beschwert.

Nach der Gruendung des “Dominion of Canada” am 1. Juli 1867 sah man auf den kanadischen Briefmarken hauptsaechlich die Koenigin Victoria (Regentin vom 20. Juni 1837 bis zum 22. Januar 1901). Briefe kosteten damals zwischen 1 und 3 cents. Das “Maple Leaf” (Ahorn-Blatt) erschien zuerst in 1897 auf einer kanadischen Briefmarke. Einige Provinzen – wie z.B. Newfoundland, Nova Scotia und New Brunswick – hatten vorher und nachher noch ihre eigenen Briefmarken – Neufundland noch bis 1948).

Kanada war in vieler Hinsicht fuehrend in der Philatelie. Zahlreiche der heutigen Konzepte fuer den Briefmarken-Druck und Vertrieb wurden in Kanada entwickelt. Kanada druckt noch heute Briefmarken fuer mehrere Laender, die keine eigenen Druckereien fuer diese haben. Dasselbe gilt fuer Muenzen, welche Kanada fuer einige Laender produziert.

Wahrscheinlich die erste Weihnachts-Briefmarke der Welt kam in 1898 in Umlauf und wurde am ersten Weihnachtstag zuerst benutzt. Es war die erste mehrfarbige Briefmarke (rot auf schwarz) in Kanada. Sie war eine Art “Protzen” ueber das Ausmass des Britischen Reiches zu diesem Zeitpunkt, und geografisch nicht unbedingt korrekt. Die Aufschrift “Wir haben ein groesseres Reich als jemals vorher gesehen” (we hold a vaster Empire than has been).

Die erste kanadische Briefmarke, welche nicht die Koenigin zeigte, wurde in 1911 mit dem Bild des beruehmten Schooners “Bluenose” gedruckt. Nachdem Edward VII den koeniglichen Thron bestieg (22. Januar 1901 bis 6. Mai 1910), blieb das Maple Leaf zwar bestehen, aber Edward erschien nun mit seiner roten Robe auf vielen Briefmarken in Kanada.

Zu dieser Zeit experimentierte die kanadische Post auch bereits mit “Briefmarken-Rollen”, heute leider weit verbreitet, allerdings mit selbstklebenden Marken anstatt der vorherigen “Leckmarken”.

Ein Brief innerhalb Kanada kostete in 1912 immer noch nur einen einzigen cent, und George der Fuenfte (6. Mai 1910 bis 20. Januar 1936) erschien bis 1928 als Flotten-Admiral auf dieser Briefmarke. Briefmarken mit seinem Abbild waren noch bis 1935 im Umlauf.

Die erste zweisprachige Briefmarke wurde in 1928 gedruckt. Zwar gab es Briefmarken mit hoeherem Wert (von 50 cent bis zu $ 5.00) aber die waren hauptsaechlich fuer Sammler bestimmt, denn Briefe kosteten noch immer nur wenige cents. Das legendaere Rennschiff “Bluenose” war auf der 50-cent Briefmarke zu sehen, auch nur fuer Sammler.

George VI (11. Dezember 1936 bis 6. Februar 1952) bekam drei kanadische Briefmarken als Erinnerung an seinen Kanada-Besuch in 1939. Noch in 1942 kostete ein einfacher Brief innerhalb Kanada’s nur einen cent., aber Briefmarken-Preise ausserhalb Kanada’s und nach Uebersee begannen ihren Preis-Aufstieg, der heutzutage alle 3 oder 6 Monate kommt. Die letzte Briefmarke mit Koenig George VI kam in 1951 heraus.

Elizabeth II (ab 6. Februar 1952) erscheint zwar auf vielen der Niedrigwert-Briefmarken von Kanada, wurde aber in den letzten 15 bis 20 Jahren von Briefmarken mit diversen anderen Themen ueberschattet. Briefmarken sind ein grosses Geschaeft fuer Regierungen vieler Lander, und das Angebot ist auch in Kanada sehr gross.

Nun ein Sprung nach “heute”. Ich habe es vor einigen Jahren (in 1996) aufgegeben, alle kanadischen Briefmarken zu kaufen. Die kanadische Post gibt seit 1972 jedes Jahr einen Sammelband aller Briefmarken heraus, ein Super-Buch, welches saemtliche Briefmarken des Jahres enthaelt, mit ausfuehrlichen Geschichten ihrer Entstehung und ihrer Bedeutung fuer Kanada. Die meisten kanadischen Briefmarken sind das Resultat von Ausschreibungen, an denen bekannte Zeichner und Maler teilnehmen. Einige der ersten Baende mit 22 bis 26 Marken haben heute einen Kaufwert von bis zu $ 250 (1974)..

Das “Collection Canada” Buch enthaelt alle Internet-Quellen ueber die Themen, welche auf den Briefmarken erscheinen. Der Kostenpunkt liegt bei $ 60, aber er enthaelt einen Umschlag mit saemtlichen Original-Briefmarken, die man in dafuer bestimmte Plastik-Folien auf den jeweiligen Informatios-Seiten einfuegen muss.

Ein Nachteil fuer uns “alte” Briefmarken-Sammler ist natuerlich, dass heute viele Marken selbstklebend ohne den altgewohnten “Zackenschnitt” heraus gebracht werden. Ich erinnere allerdings noch, dass man mir vor vielen Jahren sagte, die “leckbare” Klebe auf der Rueckseite der Marken wuerde aus alten Tierknochen hergestellt. Der neue Trend zu selbstklebenden Rollen-Briefmarken hat allerdings auch Nachteile. Sie wurden zuerst in tropischen Klima-Zonen in 1964 benutzt (Sierra Leone, Tonga), weil die herkoemmlichen Aufklebe-Marken die Tendenz hatten, in feuchten Laendern zusammen zu kleben. In den USA wurde zuerst in 1974 mit selbstklebenden Marken experimentiert, aber man fand bald heraus, dass die Klebe (zum Aerger der Briefmarken-Sammler) die Marken diskolorierte. In 1980 wurde diese Problem in den USA scheinbar geloest, und auch Kanada ging wenig spaeter auf selbstklebende Briefmarken ueber. Seit etwa 2002 werden fast alle amerikanischen und kanadischen Briefmarken selbstklebend heraus gegeben. Deutschland folgte diesem Trend scheinbar erst in 2005.

Ein Brief innerhalb Kanada kostet heute 57 cents bis zu 30 Gramm, $ 1.00 bis zu 50 Gramm. Briefe in die USA kosten $ 1.00 und $ 1.22, nach Europa $ 1.70 und $ 2.44 in denselben Gewichtsgrenzen, mehr fuer groessere Briefe und hoehere Gewichte. Saemtliche Briefe innerhalb und ausserhalb Kanada werden heutzutage nur als Luftpost versandt.

Wer allerdings Postgeld sparen will, kann sich in Kanada eine grosse Quantitaet “non-denominational postage stamps” kaufen. Die haben keine Wertangabe,konnen jedoch unbegrenzt benutzt werde. Wer z.B. im Jahre 2000 $ 0,46 ents fuer diese Marken bezahlt hat, kann sie noch heute benutzen, wo die Kosten bei 0,57 cents liegen. In Deutschland undenkbar, aber in 13 Laendern der Welt erlaubt, um die Kosten von Neudrucken und Zerstoeren alter Briefmarken-Bestaende zu verhindern.

www.canadapost.ca

www.arpinphilately.com

Notiz:
Die Anregung fuer diesen Beitrag gab mir eine Anfrage von einem jungen Tuerken (ich nehme an, dass Buelent Karatli ein junger Mann ist), der nach einem Tauschpartner fuer kanadische Briefmarken suchte. Nun, meine Tauschtage sind vorbei, und ich bin kein sehr aktiver Briefmarken-Sammler mehr. Also schickte ich ihm heute einen Umschlag mit einigen Hundert kanadischen Briefmarken und zwei anderen Spezialitaeten aus der kanadischen Philatelie. Buelent, ich hoffe, dass sie dir Freude bereiten. Mein “Postmaster”, auch ein Briefmarken-Sammler, hat dir den Umschlag mit 20 oder mehr Briefmarken beklebt.

Peter Iden
Brampton, Ontario, Kanada

Ähnliche Artikel & Themen

1 Kommentar

BUELENT 6. November 2010 - 14:43

SEHR GEEHRTER HERR PETER IDEN !
Ihren hochinteressanten Artikel “KANADISCHE PHILATELIE-GESCHICHTE”
habe ich heute mit grossem Interesse gelesen.
Ich habe mich darüber sehr begeistert gefreut.Es ist für mich ein einzigartiges
Glück,dass meine Anfrage nach einem kanadischen Briefmarkentauschpartner
Ihnen die Anregung für diesen Beitrag gab.
Ihr Artikel über die kanadische Philatelie ist recht sehr nützlich !
Für Ihre liebenswürdige Briefmarkensendung danken möchte ich Ihnen noch
einmal bestens.
Mit herzlichen Grüssen
Ihr Bülent Karatli * 6.November 2010

Antworten

Kommentar verfassen

[script_53]

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

This website uses cookies to improve your experience. We'll assume you're ok with this, but you can opt-out if you wish.

Privacy Policy