Skurriles aus Kanada Nr. 10

von Bernadette Calonego

Unter den Teppich kehren

von Bernadette Calonego, Vancouver.

RobertsCreek10 - Copy

Hier eine Lektion in kanadischer Koexistenz:

Mein Nachbar, der quer über der Straße lebt, ist Punk-Musiker. Er übt mit seiner Band in der Wohnstube – bei schönem Wetter sind die Fenster geöffnet.  Der ohrenbetäubende Lärm stört nicht nur mich, sondern alle Nachbarn. Aber niemand redet mit dem Störenfried. Niemand beklagt sich öffentlich. Niemand ruft die Polizei. Das tut man in Kanada nicht.  Keiner will einen Konflikt riskieren.

Ich frage den Nachbarn rechts von meinem Grundstück, ob ihm der Musikkrawall egal sei. Nein, sagt er, und es sei nicht nur der Lärm, der ihn aufrege, sondern auch die Fluchwörter in den Liedtexten.  Wenn das nur keine Kinder hörten!  Aber besser nichts sagen, meint er,  das könne die Situation nur verschlimmern.

Ein anderer Nachbar bringt mir sogar die Lärmvorschriften unserer Gemeinde und eine Telefonnummer, wo man sich beschweren kann. Selber will er jedoch nichts unternehmen. Die könnten ja dann heimlich Rache üben, sagt er, zum Beispiel die Autoreifen zerstechen.

So wischt man den Ärger unter den Teppich.  Kanadier laufen nicht sofort zum Richter wie die Amerikaner. Sie zetteln viel weniger oft Klagen an. Das heißt aber nicht, dass sie nicht zu einer Retourkutsche fähig sind. Der lärmige Nachbar wird nicht zu Grillfesten in unserem Viertel eingeladen. Und man leiht ihm unter Ausreden die Kreissäge oder den Rasenmäher nicht aus, wenn er darum bittet.

Für manche Kanadier ist Facebook das Ventil geworden, wo sie Luft ablassen. Nie erwähnen sie einen Namen, aber alle wissen, wer der Bösewicht ist, über den man Häme schüttet.  Eine Freundin von mir nennt dieses Verhalten passiv-aggressiv. Es löst keine Probleme, glättet nur vorübergehend die Wellen.  Die Oberfläche ist ruhig, darunter brodelt es.

Ich dachte, ein offenes Wort kann ja nicht schaden.  Ich traf die Ehefrau des Punker-Nachbarn und sagte ihr, dass ihre Katze manchmal bei mir vorbeischaue (wahrscheinlich flieht sie die Dezibel zuhause), aber dass ich Katzen liebte und dass sie (die Katze) immer auf meinem Grundstück willkommen sei.

So kamen wir ins Gespräch. Schließlich nahm ich all meinen Mut zusammen und sagte ihr, die Musik ihres Mannes sei „ein bisschen laut“ (Untertreibung ist wichtig!!!). Sie war erstaunt über meine Offenheit, aber vorerst herrscht Ruhe in unserem Viertel.

Kürzlich fand ich einen Spruch auf Facebook: „Ich mag direkte Menschen. Da weiß ich wenigstens, woran ich bin.“ Es gibt also einen Hoffnungsschimmer am Horizont.

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