Habitat 67

von Peter Iden

Im Hafen von Montreal liegt ein Gebäude-Komplex, der bei vielen nicht-Montrealern Kopfschütteln hervorbringt. “Wie kann man so etwas hässliches überhaupt bauen?”
Es ist “Habitat 67”, eine Ansammlung von aufeinander gesetzten Würfeln, die wie Stücke aus einem gigantischen Lego-Spiel anmuten. Tatsächlich ist der volkstümliche Name fuer das Habitat 67 in Montreal “Legoland”. Sieht man jedoch die Strukturen genauer an, dann bemerkt man, das die 354 einzelnen Fertigteil-Würfel verschiedene Konfigurationen enthalten, die kleineren mit einzelnen Schlafzimmern, die größeren mit bis zu vier Schlafzimmern. Die Würfel sind durch ein komplexes System von Wegen und Treppen verbunden.
Habitat 67 ist eine Wohnsiedlung der Zukunft, von einem kanadisch-israelischem Architekten aus Anlass der Expo 1967 Weltausstellung entworfen.

Moshe Safdie wurde in Israel in einer syrisch-israelischen Familie geboren. Die Familie emigrierte nach Kanada in 1954. In 1961 verließ Moshe die McGill University mit einem Diplom in Architektur. Nach seiner Lehrzeit bei einem Arcitekten in Philadelphia kehrte er zurück nach Montreal und eröffnete seine eigene Architektur-Firma, um seine McGill These ueber Habitat 67 in die Tat umzusetzen.
Die neuen Wohnbauten der 1960’er Jahre in den Städten waren meistens “Wolkenkratzer” mit unpersönlich gleichartigen Apartments entlang ebenso unfreundlicher Korridore, erreichbar nur durch Fahrstuehle, die oft genug ausser Betrieb waren. Safdie wollte einen Gebäude-Komplex erstellen, in welchem jeder Bestandteil den Anschein gab, ein abgeschlossenes Haus zu sein, mit “Straßen” anstatt Korridoren, sowie Kontakt mit der Außenwelt und der Natur durch Anpflanzungen von Gaäten, Büschen und Bäumen.
Nach Habitat 67 entwarf Architekt Moshe Safdie noch sechs weitere von Kanada’s führenden oeffentlichen Gebäuden, inklusive der National Gallery of Canada in Ottawa sowie das Vancouver Library Square, und weltweit noch zahlreiche andere Projekte.
Expoo 67 sollte von Anfang an auf zwei Inseln im St.Lorenz-Strom abgehalten werden, der Ile Ste-Helene und der Ile Notre-Dame. Aber die zwei Inseln waren selbst zusammen nicht groß genug für Expo 67 und Habitat 67. Habitat 67 landete daher auf einer Landzunge der “Cite du Havre” (Hafenstadt).
Bürgermeister Drapeau’s hatte aber auch eine Loesung für Habitat 67 auf den zwei Inseln: “dann vergroessern wir halt eine der Inseln!”. Mit 25 Millionen Tonnen Erde und Geröll wurde die Ile Sainte-Helene fast um das Doppelte vergrößert.
Diese Idee war nicht neu, denn Toronto hatte bereits seit 1950 den Müll von Gebäude-Abrissen in der Stadt vor der Ostseite der Toronto Islands im Ontario-See abgelagert, zuerst als Wellenschutz, später um neues Land zu kreieren. Heute ist der darauf entwickelte “Tommy Thompson Park” (vormals “Leslie Spit”) einer der beliebtesten Parks in Toronto für viele Fußgänger und Radfahrer und beherbergt mehrere grosse Vogelkolonien (Möven, Kormorane usw.).
Im Habitat 67 zeigten sich jedoch in 1980 schon allerhand Zeichen von Verwitterung und Vernachlässigung an den Gebäuden. Ihr Abriss wurde durch die Übernahme von einer Privatfirma in 1986 verhütet. Der Verkaufspreis war 10 Millionen Dollar (der Baupreis 20 Jahre früher war 22 Millionen Dollar). Der Käufer, Pierre Haefey aus Gatineau, Quebec, verkaufte Habitat 67 fast sofort an ein Konsortium von bereits dort lebenden Eigentuemern für 11,4 Millionen Dollar, ein “quick deal” der ihm 1,4 Millionen Dollar einbrachte.
Einige Eigentümer hatten ihre Wohnwürfel für je CAD 26,250 von der Regierung gekauft. Aber sie sollten nun auch noch $ 100 bis $ 200 pro Monat an Unterhaltungskosten zahlen. 25% der Nichtkaeufer zogen es daher vor, im Mietverhältnis zu bleiben und $ 500 (fuer Würfel mit einem Schlafzimmer) bis $ 1,000 (für vier Schlafzimmer) pro Monat zu zahlen. Da einige der Eigentümer mehr als nur einen der 354 Würfel bewohnen, ist die wahre Anzahl von “Apartments” 157. Das Resutat der Kosten mehrerer Würfel für ihre Einwohner hat die Bewohnung von Habitat 67 natürlich fuer Normalbuerger unmöglich gemacht. Habitat 67 ist daher heute nur noch von Professionellen mit höherem Einkommen bewohnt, die es sich leisten können, die Nähe der Stadt und ihrer imposanten “Skyline” mit einer kurzen Anfahrt zu ihren Arbeitsplaetzen in der Stadt zu geniessen.

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