Das Leben der Voyageurs

von Roland Kiemle

Die Voyageurs (und ihre Lieder)Shooting the Rapids 1879

„Shooting the Rapids“ (1879), by Frances Ann Hopkins (1838-1919)

„I could carry, paddle, walk and sing with any man I ever saw.
I have been
twenty-four years a canoeman and forty-one years in service;
no portage was ever too long for me. Fifty songs could I sing.
I have
saved the lives of ten voyageurs, have had twelve wives and six running dogs.
I spent all my money on pleasure. Were I young again,
I would spend my life the same way over. There is no life as happy as a Voyageurs life! „

Im französischen Teil Nordamerikas, um den Sankt-Lorenz-Strom, der nach fast zweihundertjähriger französischer Oberhoheit an England fiel, als Frankreich im Frieden von Utrecht seine amerikanischen Kolonien an England verlor
(Mitte des 18.Jh.), hatte sich eine Liedkultur entwickelt, die ihresgleichen sucht.

Die Art des Reisens in einem Land, wo weder Wege noch Straßen den Wald und die Gebirge erschließen konnten, brachte hier in dem Riesenland zwischen Atlantikküste und dem fernen Felsengebirge ein Kanuvolk zusammen, von dem es Erstaunliches zu berichten gibt.

Die Kanuleute der französischen Kolonie lebten an Flüssen und Strömen und bereisten hier als Pelzhändler und Tauschhändler das indianische Hinterland. Die französische Kolonie war in ihrer Struktur dem feudalen Königreich Frankreich nachgebildet. Wer im französischen Nordamerika die Freiheit von Steuer und Adel, von Zwang und Knechtschaft suchte, der floh in die unerschlossenen Länder jenseits der Kolonialgrenze. Er floh im Kanu flußaufwärts.

going up the rapids

Das Riesenland östlich der Rockies entwässert südlich des Athabasca River in die großen Binnenseen, die wiederum durch Flüsse und Bäche, allenfalls durch niedrige Wasserscheiden getrennt, miteinander verbunden sind.

Vom Lake Winnipeg kann der „Kanumann“ zu Wasser reisen, bis zum Oberlauf des Mississippi, bis an das Felsengebirge, und über den Oberen See bis hinab zum Atlantischen Ozean.

Das Netz der Wasserstraßen ist größer als Europa. Waldindianer und Prärieindianer siedelten dort. Von den MicMac in Neuschottland bis hinauf zu den Cree an der Hudson Bay, den Athabasca und Algonkin auf dem Urgestein des Kanadischen Schilds, von den Irokesen bis zu den Sioux kamen alle nördlichen Stämme in diesem Gebiet vor. Die französischen Tauschhändler drangen mit ihren Kanus die Flüsse hinauf, an den langen, waldumsäumten Ufern der großen Seen ging es entlang.
Voyageurs Karte

Wenn ein Flussgebiet endete, war es leicht möglich, über eine sogenannte „Portage“ in das nächste Flusssystem zu gelangen. So konnte die Hudson Bay mit dem Sankt-Lorenz-Strom in Verbindung stehen, der Golf von Mexico über den Mississippi mit den Großen Seen und diese wiederum über den Qu’Appelle und die südlichen Flüsse von Alberta und Saskatchewan mit dem Felsengebirge.

Eine Riesenreich ohne Straßen, das durch seine Wasserstraßen erschließbar geworden war. Die eingedrungenen Weißen folgten den indianischen Wasserwegen und entwickelten als Pelz -und Tauschhändler das Transportsystem bis zum Eisenbahnbau des 19.Jahrhunderts zu großer Perfektion.

Die Kanuleute nannten sich Voyageurs. Das kommt von Voyage, so heißt im Französischen das Wort für Reise, Fahrt. Also die Voyageurs sind auf Deutsch: Die Fahrenden.

Camp Voyageurs

Ihre Lieder sind geblieben. Sie künden noch von ihnen, während ihre Rindenkanus längst in den Stromschnellen verrotten und in den Sümpfen und Niederungen verfaulen.

The Trappers BrideDie Rindenkanus, gebaut aus einem Gerippe von Zedernholz und Tannenästen, mit Birkenrinde als Außenhaut versehen, trugen die Männer, trugen die Lasten: das Schwarzpulver und das Blei, die Gusspötte und die Nähnadeln, die Äxte und die Sägen für die pelzjagenden Rothäute. Die Kanus und ihre Voyageurs brachten für den nördlichen Teil von Nordamerika den ersten Kontakt der steinzeitlichen Urbevölkerung, die gerade an der Schwelle zum Ackerbau stand, mit Europa. Mit den Kanus zogen die Voyageure in alle Länder, in denen Pelztiere gejagt und eingetauscht wurden für Glasperlen, für Eisen und für Schießpulver.

Im Laufe der Jahrhunderte entstanden ganze Brigaden von Tauschhändlern, die im Frühjahr die langen Bergflüsse hinaufpaddelten und im Herbst wieder die langen Ströme herunterkamen. Zogen hinauf mit Plunder und gutem Zeug, kehrten heim mit Biberpelz und Rauchwerk, hochbeladen. Der Freibord der Kanus war kaum eine Spanne hoch, die Boote lagen tief im Wasser. Waren schwer zu steuern, und noch schwerer waren die Lasten zu tragen, wenn die Portage zu übersteigen war.

Doch waren die Voyageurs starke Leute, wie uns aus alten Quellen berichtet wird. Stark und branntweinfroh, liedgewandt und der Tabakspfeife zugetan. Die Lieder aus dem alten Kanada künden sowohl vom bäuerlichen Leben dort am Ufer des Sankt-Lorenz und von der alten Heimat im Frankreich des Sonnenkönigs, wie vom Vagabundieren im großen Unbekannten hinter der Grenze der Kolonie, auf der Flucht vor den Zwängen eines Lebens in Unfreiheit.

Das meistgesungene Lied der Voyageurs handelt vom Schicksal dieser Vagabunden, denen von den Schätzen dieser Welt nur das bleibt, was der Wind den Mächtigen entreißt.

Der kanadische Liedersammler Marius Barbeu sagt, dass das Lied über dreihundert Jahre lang als lustiger Rudersong zwischen Vorsänger und Chor die Voyageurs anfeuerte, die „Coureurs de bois“, die Entdecker der fernen Provinzen zwischen Eismeer und Tundra, Felsengebirge und Prärie. Im heutigen Franko-Kanada wird das „ En roulant ma boule roulant „ noch gesungen.

 

Descent of Fraser River 1808En roulant ma boule roulant,
En roulant ma boule.
Derrier chez nous’y a-tung e’tang
En roulant ma boule,
Trois beaux canards s’en vont baignant
Roul’,roulant,ma boule roulant.

 

 

 

 

 

Weiterer Artikel über die Voyageurs: Die Voyageurs, Coureurs-des-bois und Métis von Kanada

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1 Kommentar

PETER IDEN 5. September 2019 - 17:12

Super-Artikel, Roland. Wir sangen einige der Lieder (zumindest die von uns, welche etwas “fluessig” in der franzoesischen Sprache waren) in meinen Pfadfinder-Jahren der 1950’er und 960’er Jahre. Mein Liebligslied war “en roulant ma boule”, aber dem voran kam ein englisches Lied, welches ich auch meiner Familie beibrachte: “Land of the Silverbirch, Home of the Beaver”. Interessant an all den Liedern ist dass ihr Rhytmus den Paddelschlaegen gleichkam, also die langen Touren der Voyageurs etwas leichter machten.
Das Lied, welches noch heute oft in meinem Gehirn herum geistert, kann man auf YouTube Hoeren: https://www.youtube.com/watch?v=6JNaAU7Y2V4

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