Mein erster Indianer in Kanada

von Peter Iden

Was ich in Deutschland ueber Indianer lernte, stellte sich nach meiner Ankunft in Kanada groesstenteils als viel zu romantisch und oft auch falsch heraus.

Da war zuerst einmal Karl May, der ueber Indianer aller Art schrieb. Faszinierende Geschichten, aber bis in seinem spaeteren Leben hatte er niemals Nord-Amerika besucht, und hatte noch keinen Indianer persoenlich getroffen.

Dann war da mein Jugendheld Billy Jenkins, ein Deutscher, der seinen Namen Wilhelm Gengkers amerikanisierte und spaeter mit seinem Zirkus durch Europa reiste, nachdem er angeblich in den USA ein Texas Ranger war und zahlreiche verheilte Wunden mit sich herum trug, die er (so sagten seine Buecher) in Pistolen- und Gewehrschlachten mit Gesetzlosen und Indianern bekam.

Da waren auch die “Spaghetti-Zorro” Filme, die ich als Junge und Teenager sah, Filme wie “Don de l’Oro”, “Die Maske des Zorro”, “Das Zeichen des Zorro” und viele andere. Nun, das neuere Genre der Westerners ist da schon sehr viel fairer.

Und nicht zuletzt auch die Karl May Festspiele, welche in den fruehen 1950’er Jahren ihren Anfang in Bad Segeberg bei Hamburg hatten.

“Grey Owl” und seine Buecher waren die ersten Informationen ueber Indianer, auf die man sich verlassen konnte. Zwar war er kein Indianer, sondern wanderte in 1906 mit 18 Jahren aus England als Archibald Stansfeld Belaney ein. Er wurde Trapper in der Temagami Gegend von Ontario, wurde von den Anishinaabe- Ojibwa adoptiert und heiratete zuerst eine Ojibwe-Frau und, nachdem er im 1. Weltkrieg in Europa verwundet wurde und nach Ontario zurueck kehrte, seine zweite Frau, eine Mohawk-Iroquois. Sein indianischer Name war “Wa-sha-quon- asin”, die “Grosse Graue Eule”.

In der Abwesenheit von Fernsehen, Internet und anderen internationalen bildlichen und schriftlichen Medien wusste auch kaum jemand in Deutschland etwas ueber die Indianer in Nord-Amerika.

Und dann stand ploetzlich einer neben mir. Wir trafen uns auf dem Welt- Jamboree der Pfadfinder, dem ersten Treffen ausserhalb Europa, in Niagara-on-the-Lake, im August 1955. Ich war 18 Jahre alt.

Er war ein richtiger, waschechter Mohawk-Haeuptling aus Oshweken in der Six Nations Reserve nahe Brantford. Wir redeten einige Zeit miteinander. Er hatte im 2. Weltkrieg gedient und kannte Teile von Europa und Deutschland, und trug noch seine Medaillen. Wo genau er drueben diente, erinnere ich nicht mehr.

Mein Onkel, der in den fruehen 1920’er Jahren in die USA einwanderte, diente waehrend des 2. Weltkriegs als deutschsprachiger Amerikaner in Europa als Uebersetzer fuer gefangene deutsche Soldaten und Offiziere.

Er erzaehlte mir, dass Indianer oft als “Code Talkers” benutzt wurden. Die US-Indianer benutzten ihre Sprache (hauptsaechlich Navajo, aber auch Cherokee, Choctaw, Comanche und andere), um Informationen zwischen den Truppen auszutauschen, die von den Deutschen natuerlich nicht verstanden wurden. Auch im Pazifik wurden im Krieg gegen Japan zahlreiche Navajo “Code Talkers” eingesetzt. Die speziell von ihnen entwickelte Code Sprache wurde nie von den Japanern entziffert.

Es war schon vor dem Treffen mit meinem “Ersten Indianer” mein Wunsch, mehr ueber die urspruenglichen Einwohner von Kanada zu wissen. An meinen Wochenenden liess ich mich von Bekannten nach Dorset am Algonquin Park fahren, oder trampte dorthin.

Ich half dort in einem “Indian Trading Post, “echt indianische” Souvenirs anzufertigen, kleine Trommeln, Tomahawks, und spaeter sogar die Feder- Hauben (war bonnets). Aber auch “Indian Joe” war kein echter Indianer, sondern ein engllischer Einwanderer, genau wie Grey Owl. Ich lernte viel in dieser Zeit ueber die Geschichte, die Braeuche und die Sprache der Ojibwa. Aber nur die “Alten” sprachen sie noch.

In den darauf folgenden Jahren besuchte ich verschiedene Reservationen in Ontario, und nach der Gruendung unserer Familie konnte man uns seit 1962 oefter mit unserem Zelt auf der Cape Croker Ojibwa-Reservation noerdlich von Wiarton in Ontario finden.

Waehrend der Besuche meiner Frau und Kinder in Deutschland verbrachte ich viele Tage dort, kampierte in unserem VW-Kaefer, oder baute mir eine Huette direkt unter den Felsen am Wasser der Georgian Bay, wanderte im bush und fing Klapperschlangen, beobachtete Rehe und Baeren und viele andere Tiere. Ich wanderte mit den Ojibwa auf den Klippen-Plateaus der Bruce Peninsula, war zu Gast in ihren Haeusern und wurde auf der Reservation nicht nur auf dem Camping Platz, sondern ueberall geduldet.

Wir besuchten die Ojibwa in Wikwemikong auf Manitoulin Island, die Mohawk- Iroquois in Oshweken, die Mohawk in Kahnawake bei Montreal, die Haida in Washington State, die Nuu-chah-nulth auf Vancouver Island und andere.

Unsere Camping-Tage sind vorbei, und wir verbringen unsere Zeit am liebsten mit oder bei unseren Familien-Mitgliedern. Aber die Faszination ist noch immer da, auch wenn wir absolut keine Verbindung mehr mit den Ojibwa haben.

Peter Iden
Brampton, Ontario, Kanada

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4 Kommentare

Peter Iden 1. März 2010 - 19:33

Liebe Sarah: Ich helfe gerne, wo ich kann, muss aber erwaehnen, dass Arbeiten ueber “Indianer” ein sehr komplexes Gebiet sind. Es gab und gibt mehr ihrer Voelker, Staemme, Sprachen und Gebraeuche noch heute, als es jemals in Europa gab. Sie praktizierten schon Demokratie, als Europa noch im “dunklen Zeitalter” lebte. Vielleicht kannst du mich wissen lassen, was in etwa der Inhalt deiner Abschluss-Arbeit sein wird, d.h. welche Gebiete du darin behandeln wirst.
Gruss, Peter Iden.

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sarah 1. März 2010 - 13:10

lieber peter iden es ist schön sie kennen zu lernen,ich bin sarah und wollte fragen op sie mir in meiner abschlussarbeit indianer helfen könntet.Ich intressiere mich sehr über indianer ich hoffe dass ihr mir zurück schreibt

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Peter Iden 4. November 2009 - 20:47

Hallo, Maria:

Sicher werde ich von Zeit zu Zeit mehr “indianisches” in den “KanadaSpezialist” bringen.
Aber was man drueben bei euch nicht (oder selten) hoert und liest, ist dass viele der
Indianer-Staemme heutzutage sehr reich sind, meistens durch den Tourismus und
ncht zuletzt auch durch die Spielkasinos, die von zahlreichen Staemmen unterhalten
werden. Vielleicht werde ich einmal darueber schreiben, aber ich habe nach 55 Jahren
in diesem Land noch allerhand andere Sachen in meinen Ablagen ueber Kanada.

Ich weiss nicht, welchen Stamm ihr in den Maritimes besucht habt, aber solche Besuche
sind meist sehr enttaeuschend, wenn man niemanden auf der Reservation kennt. Vor
allem fehlt die Romantik, die man ihnen in Europa immer wieder anhaengt. Sie tragen
die Kleidung des Weissen Mannes, wohnen in denselben Haeusern, fahren dieselben
Autos und fallen heutzutage im multikulturellen Stadleben auch nicht mehr auf.

Was Alkohol-Missbrauch anbetrifft, bin ich wirklich nicht mit den Statistiken bekannt,
moechte aber wetten, dass prozentuell mehr Weisse und Mitglieder anderer Rassen
Alkoholiker sind. Die sogenannten “armen” Indianer bekommen mehr Geld von der
Regierung als der normale kanadische Rentner, von denen viele weit unter der
Armuts-Grenze leben.

Beste Gruesse aus der Stadt Brampton bei Toronto, wo man weit mehr “Indians” sieht,
die aus Indien kommen, als “Indians”, die von Reservationen stammen!

Peter Iden.

Antworten
maria seegers 3. November 2009 - 00:36

Hallo Peter Iden,

nach all den Büchern die ich über Indianer gelesen habe ist immer noch ein Wunsch in meinen herzen mal einen Indiaerstamm zu besuchen.
Es hat nichts mit Karl May zu tun, sondern ihre einstellung zur Natur was ich aus den Büchern gelesen habe, hat mich sehr beeindruckt .
Auch weiß ich das sehr viele in Armut leben. Auch das der Alkohol eine sehr große Rolle spielt.
vor 4Jahren habe ich die ostküste kanadas besucht mit einer Reisegesellschaft auch einen Indianerstamm besucht leider nur eine Nacht und Tag.
Ich wünsche mir, Sie könnten mir mehr über diese Menschen schreiben.
Liebe grüße
aus Deutschland Maria Seegers

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