Projekt Behausung im Yukon – Kanada

von Berthold Baumann

Beim zuständigen Elektrizitätsunternehmen hatte man sogar eine Karte von Keno City, auf der unter anderem Grundstück 14 mit allen Maßen eingezeichnet war. Sie machten mir schnell einige Kopien und ich rechnete mir aus, dass mein Grundstück rund 2.400 Quadratmeter umfasste. Da in Keno City Strom lag, würde einer Versorgung mit demselben nichts im Wege stehen. Allerdings zeigte sich meine große deutsche Direktbank bei der Überweisung des Geldes recht unflexibel, weshalb ich mein Konto dort kurzerhand auflöste und den größten Teil des Geldes auf ein neu in Kanada aufgemachtes Konto überweisen ließ. Das schreibt sich jetzt recht schnell, war aber mit zahlreichen nächtlichen Telefonanrufen – der Yukon ist 9 Stunden hinter der MEZ zurück – und vielem Neu- und Umplanen verbunden. Ab und an machte ich Urlaub von dem ganzen Bürokram und trieb mich mit Auto, Kanu oder auf Wandersfüßen in der Wildnis herum.

Das nächste Projekt war eine passende Behausung. Der erste Gedanke war natürlich ein zünftiges Blockhaus. Da ich von Natur aus mit zwei linken Händen gesegnet bin, kam ein Selber bauen nicht in Frage. Schließlich sollte ich selber darin wohnen. Also ging ich zu den örtlichen Blockhüttenbauern und hakte auch diese Möglichkeit schnell wieder ab: 20.000 Dollar sollte die kleinste Ausführung kosten. Und das war nur der Rohbau ohne Fenster und Türen, von der Einrichtung ganz zu schweigen. Die Transportkosten von Whitehorse nach Keno City waren selbstverständlich auch nicht enthalten. Also probierte ich es eine Nummer kleiner. Die McPherson-Zelte sind geräumig und sogar für den Einsatz mit einem Ofen vorgesehen. Schließlich hatten schon die alten Goldgräber Sommers wie Winters darin gelebt. Allerdings sind sie mit rund 2.000 Dollar auch nicht ganz billig.

Daher studierte ich den Anzeigenteil der Zeitungen aufmerksam. Neben Kleinflugzeugen, Autos, Gewehren, Kanus, Schlittenhunden, Schneepflügen und Feuerholz gab es manchmal auch Häuser und Hütten im Angebot. Allerdings nicht allzu oft. So dauerte es eine Weile und einige Besichtigungen bis ich etwas Interessantes entdeckte. Kurz vor Carcross etwa 90 Kilometer südwestlich von Whitehorse sollte ein kleines Holzrahmenhaus verkauft werden. Also fuhr ich zur Bäckerei von Bobo und Gail LaRockque. Die beiden sind mit Leib und Seele Bäcker, was sich nicht zuletzt in ihrem Körperumfang manifestiert. Außerdem sind sie im ganzen Territorium bekannte Yukon-Charaktere.

Ein Albtraum in mintgrün

Der erste, äußere Eindruck von der Hütte war vernichtend. Sie war etwa zwölf Meter lang, drei Meter breit und drei Meter hoch. Die mintgrüne Farbe blätterte überall ab und die Holzbretter von der Verschalung der untergestellten Holzblöcke und der Veranda waren ziemlich verblichen. Bobo hatte das Haus vor 30 Jahren selbst gebaut und mit seiner ersten Frau und seinen drei Kindern darin gewohnt. Seit einigen Jahren hatte er ein wesentlich größeres Blockhaus, wie es mir in meinen Träumen vorgeschwebt war. Immerhin war auf die alten Dachpappen schon ein neues Aludach genietet worden. Von innen sah die Hütte ähnlich katastrophal aus: Alles war von einer dicken, gelben Nikotinschicht überzogen. Der letzte Mieter war Kettenraucher gewesen.

Rechts des Eingangs befand sich ein kleiner Wohnraum mit Küche und links ein Gang zu Bad, Abstell- und Schlafraum. Die Küche war komplett mit Herd, Kühlschrank und Hängeschränken eingerichtet. Die Stirnwand dort nahm zum größten Teil ein in neun kleinere Fenster unterteiltes Panoramafenster ein. Nur ein totaler Trottel mit viel Phantasie und noch mehr Optimismus könnte sich in einem derartigen Wrack wohl fühlen. Also kaufte ich die Hütte. Und wie gehabt war ich so begeistert von meiner schnellen Entscheidung, dass ich komplett vergaß, über den Preis von 7.000 Dollar zu verhandeln.

Bobo hatte mir gesagt, dass die Hütte bis zum Winter dort weg sein müsste, weil er für die Gäste der Bäckerei einen Parkplatz für deren Wohnmobile bräuchte. Der Transport würde sicherlich nicht mehr als 1.500 Dollar kosten und er mich dabei schon unterstützen. Der große Vorteil wäre, dass ich die Hütte so wie sie war, in Keno City aufstellen und mit ein wenig Arbeit ganz einfach Wasser und Elektrizität anschließen könnte. Ich liebe derart genial einfache Lösungen. Außerdem bin ich in manchen Dingen äußerst gutgläubig und naiv.

Rechnung ohne den Wirt gemacht

Zuerst fuhr ich jedoch zurück nach Keno City, um den Grundstückskauf endgültig unter Dach und Fach zu bringen. Ich wollte mit Geordie besprechen, wie und wann wir bei den Anwälten in Whitehorse unterschreiben sollten. Da hatte ich die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht. In die “große” Stadt fuhr er nur, wenn er unbedingt musste. Er wollte den Kaufvertrag und die Überschreibungsurkunde beim Notar in Mayo unterschreiben. Okay, sparte ich halt die Anwaltskosten. Als Bezahlung kam nur Bargeld in Frage. So vereinbarten wir denn einen Termin in Mayo und bei einer Tour nach Dawson City holte ich die entsprechende Summe von meinem Bankkonto ab. In einer Außenstelle der Bezirksregierung in Mayo wechselten unter notarieller Aufsicht und vor Zeugen Geld und Vertrag die Besitzer. Damit wäre diese Sache gegessen. Dachte ich.

Stolz präsentierte ich beim Grundbuchamt in Whitehorse die Verkaufsurkunde und wollte das Grundstück in meinem Namen registrieren lassen. Dabei wurde jedoch fest gestellt, dass einer der Zeugen nur einmal und nicht wie vorgesehen zweimal unterschrieben hatte. Zu einer neuerlichen Fahrt nach Mayo für eine Unterschrift hatte ich trotz der schönen Strecke, die ich mittlerweile aber schon zehn Mal gefahren war, keine Lust mehr. Also machte ich die Adresse des Zeugen ausfindig, telefonierte mit ihm und vertraute das Dokument der kanadischen Post an. Bereits fünf Tage später lag das gute Stück wieder im Postamt von Whitehorse unter meiner mittlerweile eingerichteten postlagernden Adresse – mit der zuvor fehlenden Unterschrift. Ich entrichtete ein paar Dollar Gebühr und dann war es soweit: Ganz amtlich besaß ich endlich mein eigenes Stück Yukon. In diesem Bewusstsein ging ich erst mal für zehn Tage auf eine Kanutour auf McQuesten, Stewart und Yukon River.

Wieder zurück in Whitehorse gab es das nächste Problem: Der professionelle Haustransporteuer wollte zwischen 7.000 und 8.000 Dollar für die Geschichte haben. Bobo und Gail waren mittlerweile für mehrere Wochen nach Ontario gefahren und hatten die Bäckerei – die im Winter sowieso geschlossen ist – einem Housesitter übergeben. Es war über alles Organisieren Oktober und reichlich kühl geworden. Ich zog in meine Hütte in Carcross ein, machte richtig sauber und siehe da, als das Nikotin herunter war, strahlten die Holzwände in einem warmen, hellen beige. Als ich auch dem Rest der Wohnung mit Putzeimer und Scheuerlappen zu Leibe gerückt war und den dicken Teppichboden mit einer entsprechenden Maschine aus Whitehorse bearbeitet hatte, sah es schon einigermaßen wohnlich aus. Zusätzlich schlug ich die Veranda ab und entfernte die Holzverschalung der untergelegten Holzblöcke. Und natürlich waren Zu- und Abwasserrohre zu kappen und die elektrischen Leitungen zu entfernen. Housesitter Josh, Bobos Hunde und sein Pony beobachteten meine Bemühungen eher skeptisch.

Wie transportiere ich ein Haus?

Zwischendurch hing ich immer wieder am Telefon und sprach mit verschiedenen Hausbewegungsexperten. Einmal hatte ich einen gefunden, der meinen Preisvorstellungen entsprach, allerdings konnte ich ihn danach nicht mehr erreichen. Langsam näherte sich der Zeitpunkt, an dem ich wieder an meine Rückkehr nach Deutschland denken musste. Schließlich wurde ich mit Ron Buttler von A1 Towing aus Whitehorse handelseinig. Der Preis lag mit knapp über 2.000 Dollar durchaus im Rahmen. Darüber hinaus musste ich auch noch die Bürokraten in Whitehorse zufrieden stellen. Ich brauchte eine Genehmigung zum Abbauen des Hauses, eine zum Bewegen, eine zum Aufstellen, Zeichnungen von oben, unten, Seite und natürlich einen Grundriss, Aufbau der unterzulegenden Holzbohlen, wann in welchem Wald von wem geschlagen, Geburtstag des Neffen der Tante des Schwagers des Holzfällers und, und, und. Meine Malkünste und die anderen Angaben wurden abgenickt und ich bekam alle erforderlichen Genehmigungen.

Anfang November, pünktlich vor der Verschiffung des Hauses, war eine Menge Schnee gefallen. Ron, einer seiner Mitarbeiter und ich machten uns daran, das Haus noch höher aufzubocken. Die “Hausheber” waren eine Art überdimensionierte Wagenheber. Dabei stellte Ron fest, dass die Blöcke auf denen die Hütte stand – diese sind wegen des Permafrostbodens, dessen oberste Schicht im Sommer teilweise auftaut, notwendig damit sich das Haus nicht neigt – größtenteils verrottet waren. Schnell orderte er neue, da wir sie für den Aufbau ja wieder brauchen würden. Noch mal 100 Dollar mehr. Eine Schrecksekunde hatte ich, als die Hütte einmal von einem der Hausheber sprang, aber es passierte nichts. Den ganzen Tag waren wir damit beschäftigt, das Haus hoch und wieder runter zu lassen und Stück für Stück den Anhänger des Trucks darunter zu schieben. Die Temperaturen lagen zwar bei etwa -10° C, doch es war eine trockene Kälte und die am Himmel stehende Sonne machte das Arbeiten bei diesen Temperaturen erträglich. Gegen Abend waren wir damit fertig. Das Haus wurde mit drei überdimensionalen – Kenner sprechen dabei immer von “Yukon Size = Yukon Größe” – Spanngurten auf dem Anhänger befestigt und wir fuhren nach Whitehorse.

Von hier ging es am nächsten Tag inklusive der neuen Holzblöcke und extra nach Angaben des Bauamtes gezimmerten Unterlegplatten weiter. Wir fuhren über die winterlichen Straßen des Yukons nach Keno City. Ron und sein Mitarbeiter im Truck mit meinem Haus auf dem Anhänger und ich mit dem Auto hinterher. War schon ein komisches Gefühl, rund 500 Kilometer hinter dem eigenen Wohnzimmer herzufahren. Für kanadische Verhältnisse allerdings nichts Unübliches. Es kommt bei größeren Häusern schon mal vor, dass diese in der Mitte durchgesägt und dann eben auf zwei Trucks transportiert werden. Hinter dem Haus her fahrend blickte ich auf das Panoramafenster. Ich winkte des Öfteren, doch es winkte keiner aus dem Haus zurück. Ich war wohl gerade nicht da.

Es ist vollbracht

Am Nachmittag kamen wir in Keno City an. Auch die Mayo- und Minto-Brücken konnten wir mit dem Haus auf dem Truck passieren. Eine Kleinigkeit, die ich großzügig übersehen, Ron aber vorher abgecheckt hatte. Das gleiche Spiel mit den “Haushebern” begann wieder von vorne, allerdings bei deutlich niedrigeren Temperaturen, einem schäbigen Wind und einer nach einer Weile untergehenden Sonne. Den reichlich auf meinem Grundstück liegenden Schnee hatte Bob – Insas Mann – bereits mit dem Bulldozer weg oder platt gefahren. In Rekordzeit zogen wir den Anhänger unter dem Haus weg und hatten dieses auf die Pads und Blöcke gestellt. Eigentlich wollte ich es noch etwas tiefer legen – sprich die Blöcke etwas niedriger halten – doch nachdem wir es stehen hatten, waren wir alle von Arbeit und Wetter bedient. Gemeinsam mit meinen Helfern feierte ich mit einem Bier in der Kneipe den vollzogenen Umzug. Als ich zurück zur Hütte ging, saß bereits der erste Gast davor: Der Dorffuchs hatte eine neue Adresse gefunden, bei der es zukünftig vielleicht etwas zu holen geben würde.

Clevererweise hatte ich mir in Whitehorse ein Elektroöfchen gekauft, das ich über eine Verlängerungsleitung an der Stromversorgung meines Nachbarn Hans angeschlossen hatte. So war es zumindest in meinem Schlafzimmer immer 15 Grad wärmer als draußen. Bei Außentemperaturen von -30° C konnte ich es damit jedoch nicht wirklich wohlig warm nennen. Ich musste sogar zu Auftauaktionen bei den Lebensmitteln – ich stellte sie eine Weile vor das Öfchen – greifen, um zu frühstücken. Darüber wurde ich nicht nur zum Warm-, sondern regelrecht zum Heißduscher, indem ich die Sanitärangebote des Keno City Community Clubs ausgiebigst nutzte.

Als Insa und Bob von meinem Kühlhaus hörten, liehen sie mir einen kleinen, mit Holz zu befeuernden Ofen samt entsprechenden Rohren. Ich startete darin direkt ein kleines Höllenfeuer und hatte meine Bude ruckzuck auf Saunatemperaturen. Sie ist anscheinend hervorragend isoliert. Nicht ganz so toll: Die Ofenrohre hatte ich nicht richtig befestigt, sie kamen herunter und brannten sich durch einen Teil der Plastikfolie, mit der ich den Teppichboden vor Verschmutzung schützen wollte. Außerdem verteilte sich natürlich jede Menge Asche im Raum und machte den Erfolg meiner Säuberungsaktionen zunichte. Kurzum, die Wohnung verfügte anschließend über meine typischen Gebrauchsmale und war somit offiziell als eine meiner Heimstätten anerkannt.

Ich blieb noch zehn Tage in meiner Hütte und lernte weitere Einwohner Keno Citys kennen. Zum Beispiel meine Nachbarin zur linken: Helen stammte aus Österreich, lebte seit über 30 Jahren am Silver Trail und wurde im folgenden Frühjahr 80. Jeden Morgen wenn ich aus meiner Hütte trat und auf die schneebedeckten Berge schaute, legte sich ein zufriedenes Grinsen auf mein Gesicht, das wahrscheinlich nur operativ zu entfernen gewesen wäre. Ansonsten tat ich nicht mehr allzu viel an der Hütte. Weitere Arbeiten an Haus und Grundstück wollte ich in den folgenden Jahren erledigen. Denn das ich nach dieser Investition jeden Sommer in den Yukon zurück kommen “musste”, ist ja wohl jedem klar.

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4 Kommentare

Andrea Maier 2. November 2010 - 16:43

Hallo Bernhard,

uns zieht es auch in den Yukon, denken aber daran 2012, wenn wir das nötige Kleingeld und Jobs haben, ganz dorthin auszuwandern. Was auch vom Yukon Nominee Programm abhängt. Deshalb hat mir deine Geschichte wahnsinnig gut gefallen, lustig und humorvoll geschrieben und mit dem nötigen – hier laufen die Uhren anders. Es stimmt hier ist es zu eng und die Menschen sind viel zu hektisch, was wohl auch diese Zeit mit sich bringt.
Lg Andrea und Christian/Österreich

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Erwin Steyrer 21. Januar 2010 - 20:41

Ja da kann ich Berthold nur zustimmen.Bei meinem nächsten Yukon Trip steht Keno ganz oben auf der Liste!Übrigens die Geschichte vom Grundkauf hat mir sehr gefallen.Ebenso deine Story vom Kauf und Transport deiner Hütte.

Gruß
Erwin

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Berthold Baumann 28. Oktober 2009 - 18:19

Hallo Klaus,

freut mich, dass die Story dir gefällt. Im Yukon solltest du dich vor einem ganz gemeinen Virus hüten, der bewirkt, dass man immer weider dort hin will ;-). Die Chance mich in Keno City anzutreffen, ist leider sehr gering, da ich in Juni, Juli, August und teilweise September viel auf Kanutouren und Wanderungen unterwegs und nur zwischendurch mal zum Waschen – sowohl mich, als auch meine Klamotten – zurück komme. Auch wenn ich nicht da bin, ist ein Besuch von Keno auf jeden Fall lohnend ;-).

Gruß

Berthold

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Klaus Burgemeister 26. Oktober 2009 - 21:43

Hallo Bernhard,
bin über ‘Google Alert-Yukon’ auf deinen tollen Bericht gestoßen. Find ihn wirklich super!
Ich selbst habe 4x Canada mit dem Wohnmobil jeweils 4 Wochen bereist und bin seitdem vom Canada-Virus befallen. War 3 x im Westen (Alberta + BC) und 1x im Osten. (nicht so berauschend) Yukon Territorium ist irgendwann das nächste Ziel.
Bis dahin verfolge ich natürlich weiter deine Erlebnisse. Vielleicht trifft man sich mal in Keno-City.
Gruß
Klaus B.

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