Auf nach Kanada – Zweites Kapitel

von Peter Iden

Das erste Kapitel finden Sie hier

Die Geschichte einer (etwas anderen) Auswanderung

Donnerstag, 8. April 1954 – auf der Elbe

Nun will ich langsam zur eigentlichen Reise kommen. Ueber das Schiff zu berichten, werde ich ja noch genuegend Zeit finden.

So lagen wir nun am Kai (in Hamburg) und warteten auf die Dinge, die da kommen sollten. Die Stauer waren dabei, die Laderaeume zu fuellen und die Ladung fachgerecht zu verstauen.

Da gab es manches zu sehen, besonders wie “freundlich” diese Maenner mit unseren Sachen und den Postsaecken der Bundespost umgingen. Ihnen tat’s nicht weh, wenn eine Kiste aus 2 Meter Hoehe in den Laderaum polterte.

Um 16:00 Uhr sollten wir ablegen, aber es wurde 17:30 Uhr, bis uns die Schlepper hinaus bugsieren konnten.

Wir standen steuerbords und winkten Verwandten und Bekannten, die immer noch am Pier standen, ein letztes Mal zu.

Das Bordradio spielte “Auf Wiedersehn” und andere Abschiedsweisen.

Es war ein komisches Gefuehl, vielleicht fuer immer von Hamburg weg zu muessen. Es ist etwas ganz anderes, mit einem Elbdampfer oder mit einem Ozeandampfer dieselbe Strecke zu fahren.

Noch einmal Abschied: bei Schulau wuenschte uns der Begruessungs- und Abschieds-Dienst “Gute Reise” und spielte “Muss I denn” sowie die deutsche National-Hymne.

Die Elbe verbreiterte sich. Bald sind wir bei Brunsbuettel vorbei und vor Cuxhaven. Jetzt muessen die Frauen des Kapitaens und der Stewards von ihren Maennern scheiden. Ein Lotsenboot nimmt sie zurueck an Land.

Inzwischen ist es dunkel geworden. Die Leuchtfeuer-Schiffe und Bojen blitzen durch die Nacht, von Backbord muht eine Heulboje. Auch Feuerschiff Elbe I lassen wir zurueck und sind nun auf der offenen Nordsee …

Aber nun wird’s Zeit, in die Koje zu gehen. Hoffentlich kann man bei dem Geschaukel schlafen. An das staendige Zittern des Schiffes hat man sich ja schon etwas gewoehnt!.

Einiges ueber die MS “Colonia”, das ich waehrend der Reise lernte:

Das Schiff ist nach den neuesten Erkenntnissen des Schiffbaus ausgestattet, sodass sie jedem Sturm standhalten kann. Automatische Steuerung, Radar, Atlas-Echolot, eine grosse Radio-Station, Lautsprecher im ganzen Schiff.

(Anmerkung: Das Bild aus dem Prospekt der Ahlmann-Transatlantic Reederei zeigt zwar die “Ciandra”, aber die “Colonia” war ein in jeder Hinsicht ihr identisches Schwesterschiff).

Die “Colonia” hat 2.170 Tonnen. Der Acht-Zylider MAK Diesel-Motor gibt ihr eine Geschwindigkeit von 13 Knoten. Die einfallsreichen Ladeluken haben elektrisch betaetigte, jalousienartige Verschluesse, die ein sehr schnelles Laden und Entladen beguenstigen.

Selbst der Laderaum ist elektrisch ventiliert, damit die Ladungen in den Tropen nicht verderben. Drei Kraene machen das Schiff unabhaengig von Kai-Einrichtungen, mit Tragkraeften von 2 bis 5 Tonnen.

Die “Colonia” laeuft auf Diesel-Oel. Ihre Tanks haben genug Platz fuer 30 Tage auf See. Die Trink- und Waschwasser-Umwandlungs-Anlage schafft 3.200 Liter Frischwasser in der Stunde.

Der Schiffs-Salon dient gleichzeitig als Speiseraum, Gesellschaftsraum, Bar und Tanzsalon. Die Waende und Decken – wie auch die der Kabinen – sind mit Altgold-farbigem, gelbem und grauem Acella bespannt. Acella ist nicht brennbar, leicht abwaschbar und schmutzabstossend. Acella erinnert irgendwie an Seide.

Auf dem Fussboden des Salons breitet sich von Wand zu Wand ein grosses braun-weisses Kalbsfell aus. Mit Hilfe eines Reissverschlusses wird eine von unten beleuchtete Glas-Tanzflaeche frei gelegt.

Alle Moebel des Salons sind mit rotem Leder bezogen. Die Essen werden an runden Tischen eingenommen. Jeder an Bord wird mehrmals waehrend der Reise an anderen Tischen platziert und sitzt auch mit dem Kapitaen einmal oder mehrmals zusammen.

Hier geht es zum dritten Kapitel

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