20. Mai 2010: Wahrheit oder Lüge: Auch Waschbären sind wissbegierig und treiben sich an der Universität herum? Wahrheit! An den vergangenen zwei Wochenenden haben Cornelia und ich einen Workshop zum Thema: „Wie halte ich eine gute Präsentation?“ besucht. Bei unserem Besuch an der Uni haben wir nicht nur gelernt auf der Bühne und vor dem Publikum zu glänzen, sondern mussten auch erfahren, dass wir gar keinen Korkenzieher benötigen, um Waschbären abzuwehren. Genauso wie der erste Bär und alle Kaninchen auf dem Campus, ist auch dieses Felltier vor uns ausgerissen. Solange das auch bei den Grizzlys in den Rocky Mountains funktioniert, steht einem Wildnistrip ja nichts mehr im Wege!
Zurück zum Thema Wahrheit oder Lüge. Der Präsentationsworkshop beginnt mit einem Aufwärmspiel. Jeder Teilnehmer soll eine wahre und eine gelogene Aussage über sich selbst zum Besten geben und alle anderen müssen herausfinden, welche Äußerung lediglich frei erfunden wurde. Wir erfahren, dass wir einen Kriminellen–und passend dazu–auch gleich zwei Ordnungshüterinnen in unserer Runde haben. Der sympathische Ilam aus Indien hat im Alter von zehn Jahren für einige Stunden im Gefängnis gesessen. Er fuhr mit zwei weiteren Kumpels auf einem einzigen Motorrad. Niemand hatte einen Führerschein und sie überschritten das Tempolimit. Grund genug einmal für ein paar Stunden im indischen Knast zu sitzen! Da hätten wohl auch die Armee-Offiziere Marina und Anabel aus Russland und Israel nicht mehr viel ausrichten können …
Die beiden Workshopmoderatorinnen fahren fort, indem sie die Grundlagen gelungener Auftritte und Referate erläutern. Als es um das Thema Augenkontakt geht muss unser chinesischer Mitstreiter eine sehr ausgefallene Frage beantworten. Eine Teilnehmerin möchte nämlich unbedingt wissen, wie es ihm als Chinesen gelingen kann, den Leuten im Publikum in die Augen zu sehen. Schließlich gibt es doch so wahnsinnig viele Menschen in China und bei einem Referat kann es doch unmöglich sein, dass zu allen Augenkontakt gehalten werden kann! Die Anmerkung ist so absurd, dass der liebe Zheng sie überhaupt nicht versteht und ich muss mich zusammenreißen beim Kopfschütteln nicht laut loszuprusten. Wer diese Frage gestellt hat, behalte ich lieber für mich! Im Laufe des Lehrgangs hören wir noch so einige interessante Vorträge unserer multikulturellen Mitschüler: Ilam erklärt die traditionelle indische Heiratsvermittlung und Carolyn berichtet, wie ihre Kultur – ihre Vorfahren gehören zu den Ureinwohnern Kanadas – mit Verlust und Trauer umgeht. So war der Tod für Carolyn’s Großeltern eine natürliche Erscheinung, auf die sie keine allzu starken Emotionen zeigten und wenn doch, ihre Gefühle aber niemals aussprachen. Wir erfahren auch, dass eine indische Ehe nicht nur als Verbindung zwischen zwei Individuen, sondern zwischen zwei gesamten Familien gesehen wird. Für Ilam ist es ganz normal, sich nicht einfach zu verlieben und zu heiraten. Er vertraut seinen Eltern in Punkto Partnerwahl und weiß, dass diese sowieso nur das Beste für ihn wollen. Ich kann ihn irgendwie verstehen und bin hochinteressiert daran noch mehr über seine Kultur zu erfahren; dennoch finde ich es toll, dass meine Eltern – die zwar auch nur das Beste für mich wollen – keine Heiratsarrangements für mich treffen!