Kanadakolumne Nr. 7 – Bitte keine Heiratspläne!

von Mady Host
Kanada - Kolumne 7

Kanada – Kolumne 7

20. Mai 2010: Wahr­heit oder Lüge: Auch Wasch­bä­ren sind wiss­be­gie­rig und trei­ben sich an der Uni­ver­si­tät herum? Wahr­heit! An den ver­gan­ge­nen zwei Wochen­en­den haben Cor­ne­lia und ich einen Work­shop zum Thema: „Wie halte ich eine gute Prä­sen­ta­tion?“ besucht. Bei unse­rem Besuch an der Uni haben wir nicht nur gelernt auf der Bühne und vor dem Publi­kum zu glän­zen, son­dern muss­ten auch erfah­ren, dass wir gar kei­nen Kor­ken­zie­her benö­ti­gen, um Wasch­bä­ren abzu­weh­ren. Genauso wie der erste Bär und alle Kanin­chen auf dem Cam­pus, ist auch die­ses Fell­tier vor uns aus­ge­ris­sen. Solange das auch bei den Grizz­lys in den Rocky Moun­tains funk­tio­niert, steht einem Wild­nis­trip ja nichts mehr im Wege!

Zurück zum Thema Wahr­heit oder Lüge. Der Prä­sen­ta­ti­ons­work­shop beginnt mit einem Auf­wärm­spiel. Jeder Teil­neh­mer soll eine wahre und eine gelo­gene Aus­sage über sich selbst zum Bes­ten geben und alle ande­ren müs­sen her­aus­fin­den, wel­che Äuße­rung ledig­lich frei erfun­den wurde. Wir erfah­ren, dass wir einen Kri­mi­nel­len–und pas­send dazu–auch gleich zwei Ord­nungs­hü­te­rin­nen in unse­rer Runde haben. Der sym­pa­thi­sche Ilam aus Indien hat im Alter von zehn Jah­ren für einige Stun­den im Gefäng­nis geses­sen. Er fuhr mit zwei wei­te­ren Kum­pels auf einem ein­zi­gen Motor­rad. Nie­mand hatte einen Füh­rer­schein und sie über­schrit­ten das Tem­po­li­mit. Grund genug ein­mal für ein paar Stun­den im indi­schen Knast zu sit­zen! Da hät­ten wohl auch die Armee-Offiziere Marina und Ana­bel aus Russ­land und Israel nicht mehr viel aus­rich­ten kön­nen …

Die bei­den Work­shop­mo­de­ra­to­rin­nen fah­ren fort, indem sie die Grund­la­gen gelun­ge­ner Auf­tritte und Refe­rate erläu­tern. Als es um das Thema Augen­kon­takt geht muss unser chi­ne­si­scher Mit­strei­ter eine sehr aus­ge­fal­lene Frage beant­wor­ten. Eine Teil­neh­me­rin möchte näm­lich unbe­dingt wis­sen, wie es ihm als Chi­ne­sen gelin­gen kann, den Leu­ten im Publi­kum in die Augen zu sehen. Schließ­lich gibt es doch so wahn­sin­nig viele Men­schen in China und bei einem Refe­rat kann es doch unmög­lich sein, dass zu allen Augen­kon­takt gehal­ten wer­den kann! Die Anmer­kung ist so absurd, dass der liebe Zheng sie über­haupt nicht ver­steht und ich muss mich zusam­men­rei­ßen beim Kopf­schüt­teln nicht laut los­zu­prus­ten. Wer diese Frage gestellt hat, behalte ich lie­ber für mich! Im Laufe des Lehr­gangs hören wir noch so einige inter­es­sante Vor­träge unse­rer mul­ti­kul­tu­rel­len Mit­schü­ler: Ilam erklärt die tra­di­tio­nelle indi­sche Hei­rats­ver­mitt­lung und Caro­lyn berich­tet, wie ihre Kul­tur – ihre Vor­fah­ren gehö­ren zu den Urein­woh­nern Kana­das – mit Ver­lust und Trauer umgeht. So war der Tod für Carolyn’s Groß­el­tern eine natür­li­che Erschei­nung, auf die sie keine allzu star­ken Emo­tio­nen zeig­ten und wenn doch, ihre Gefühle aber nie­mals aus­spra­chen. Wir erfah­ren auch, dass eine indi­sche Ehe nicht nur als Ver­bin­dung zwi­schen zwei Indi­vi­duen, son­dern zwi­schen zwei gesam­ten Fami­lien gese­hen wird. Für Ilam ist es ganz nor­mal, sich nicht ein­fach zu ver­lie­ben und zu hei­ra­ten. Er ver­traut sei­nen Eltern in Punkto Part­ner­wahl und weiß, dass diese sowieso nur das Beste für ihn wol­len. Ich kann ihn irgend­wie ver­ste­hen und bin hoch­in­ter­es­siert daran noch mehr über seine Kul­tur zu erfah­ren; den­noch finde ich es toll, dass meine Eltern – die zwar auch nur das Beste für mich wol­len – keine Hei­rats­ar­ran­ge­ments für mich treffen!

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