Yukon – Das Land Jack Londons

von Gary Kiemle

Yukon border sign

Yukon – dieses indianische Wort bedeutet schlicht und einfach: der Größte.
Und es steht da mit vollem Recht! Für den Fluß, für die Berge, für die Wildnis, für Jack Londons Goldgräber-Romantik.

Doch zuerst einmal etwas über den geschichtlichen Hintergrund: die ersten Weißen, die den Strom sahen, zeigten sich wenig beeindruckt. Es waren die Russen, die vom “Pfannenstiel” Alaskas herübergekommen waren. Für sie war dieser Teil Nordamerikas lediglich eine Fortsetzung ihres eigenen Sibiriens. Ihr goldenes Vlies war das Fell des Seeotters. Und außerdem waren da die Tlingits, die Chilkoots und die Chilkats; und mit keinem dieser Indianerstämme war gut Kirschen essen, das mussten die Russen mehrmals erfahren.

Eine Erfahrung, die auch der mächtigen Hudson’s Bay Company nicht erspart blieb, als die “Rothäute” sie zwangen, ihren Handelsposten in Fort Selkirk aufzugeben. Das war Mitte des neunzehnten Jahrhunderts.

Doch dann erschienen die “Einzelkämpfer” auf dem Plan – die ersten Goldsucher. 1873 war es Arthur Harper, der sich vom Osten her – über Peace, Slave, Mackenzie, Peel, Rat, Bell und Porcupine River zum Yukon durchschlug. 1878 kam George Holt unbeschadet über den Chilkoot Pass. Wie es ihm gelang, sich an den Wachen der Chilkoots vorbeizumogeln, die diesen Zugang eifersüchtig bewachten, ist heute noch ein Rätsel. 1882 war es dann Ed Schieffelin, der die zweitausend  Meilen von der Beringsee heraufpaddelte.

Alle drei fanden Gold – allerdings so wenig, dass Holt sein Glück schon bald wieder östlich bei den Copper-Indianern versuchte. Doch da erging es ihm noch schlechter. Die Indianer aus dem Kupferland erschlugen ihn kuzerhand, ebenso wie drei weitere, unbekannte Prospektoren. Und ihnen wurde statt irdischer Güter – so steht wenigstens zu hoffen – die ewige Seligkeit zuteil.

Bereits 1880 war ein amerikanisches Kanonenboot vor dem Chilkoot Pass aufgetaucht und hatte blind ein paar Salven in den Hang geschossen. Diese Demonstration beeindruckte den Chief Hole-in-the-Face so sehr, dass er den Pass für Weiße öffnete.

Von diesem Zeitpunkt an tröpfelten, sickerten, flossen und strömten schließlich Glücksritter aller Provenienz in das Gelobte Land, bis die “Stampede” in den Jahren 1897/98 ihren absolten Höhepunkt erreichte. Die allermeisten Golddigger kamen jedoch viel zu spät. Robert Henderson, George Carmack, Charley Anderson “The Lucks Swede”, Skookum Jim, Tagish Charley, Arizona Charley, Anton Stander, John Healy und eine Handvoll anderer Prospektoren hatten sich die beiden Claims am Eldorado und Bonanza Creek sowie in den Cheechako Hills gesichert. Andere nahmen ihnenn den Gewinn wieder. Die Bartender, Dance Hall Girls, die Merchants zogen ihnen die Nuggets aus der Tasche – und verloren ihrerseits an die “Gambler”, wie Nigger Jim, Swiftwater Bill, Silent Sam, Bill Mc Phee, Oregon Jew, Soapy Smith, oder wie diese Spieler alle hießen. Sie wiederum verloren ihre Vermögen genauso schnell, wie sie es gewonnen hatten. Sich darüber aufzuregen, galt nicht als “gentlemenlike”. Belinda Mulroney, die hartgesottene Geschäftsfrau, die in ihrem Hotel Hunderttausende einnahm, wurde ihrereseits Opfer des “Grafen” de Carbonneau, eines Barbiers aus Montreal. Eine Spendier-Orgie, ein verschwenderischer Reigen, der anhielt, bis alles Gold versickert war. Dawson City war für zwei, drei Jahre eine der größten Städte Kanadas, eine Stadt immerwährenden Karnevals. Jack London erschien 1897 auf der Szene. Neunzig Tage kostete es ihn, mit seinen Partnern Goodman, Thompson und Sloper die Tonne Ausrüstung die pro Mann erforderlich war, über den Chilkoot zu schleppen. Dann bauten sie die “Yukon Belle” und die “”Belle of the Yukon”, zwei Flussboote, und fuhren den Lindemann und Bennet Lake hinunter zum Lewes, wie der Yukon in seinem Oberlauf heisst. Jack, der Seemann, verdiente sich ein Startkapital, indem er eine ganze Anzahl von Booten durch die Whitehorse Rapids lotste.

Yukon-WappenDoch 72 Meilen von Dawson, an der Mündung des Steward, überraschte sie der “Freeze-up”, das Zufrieren des Yukon Rivers. Sie hausten den Winter über in einer Blockhütte – genau wie Hunderte, die an den Ufern des Yukons froren und bis zum “Break-up”, dem Aufbruch des Eises, ausharren mussten. Im Frühjahr stellten Jack und seine Crew ein Floß zusammen, schipperten auf ihm den mächtigen Strom herunter und verkauften das Holz in Dawson.

Jack London suchte selbst nie nach Gold. Viel eher war er ein aufmerksamer Zuhörer bei den Gesprächen der “Sourdoughs” und “Eldorado Kings” in den Saloons. Ausserdem wurde ihm viel Talent bescheinigt, die richtigen Leute zum reden zu bringen, ihm Informationen zu liefern, die er dann zu seinen Novellen und Romanen verarbeitete. Schon im Juni 1898 verließ Jack London Dawson City und  fuhr mit John Thompson in nur neunzehn (!) Tagen den Yukon bis zu seiner Mündung hinunter. Das sind immerhin 1900 Meilen. In Ehren ergraute Kanuten, für die sechzig, achtzig Kilometer auf einem hindersfreien Gewässer eine gute Leistung sind, mögen den Kopf schütteln – aber es stimmt. Denn einmal ist es Ende Juni, Anfang Juli auch nachts in jenen Breiten taghell, und zudem fuhren Jack und sein Partner nicht in einem Kajak oder Kanu, sondern in einem Art Dhingy, und da konnte jeweils einer der beiden Männer schlafen.

Jack London ließ sich als Heizer anheuern, reiste weiter als Zwischendecks-Passagier – und trampte auf den Puffern von Eisenbahnzügen schließlich nach Oakland, wo er zu Hause war. Eine Art zu reisen, in der er schon früher Erfahrungen gesammelt hatte.

Dawson City, das einmal 50.000 Einwohner zählte, ist heute Heimatort von gerade einmal 1.300 Menschen. Die Touristen, die sich hier treffen, kommen mit Chevrolets und Buicks, in Wohnwagen und Reisemobilen – über den Alaska-Highway.

 

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Elmar Engel 1976

 

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