Dass sich der simple Verkauf einer Immobilie sozusagen zu einem äusserst spannenden Thriller entwickelten sollte, konnten wir zu Beginn unseres Vorhabens nicht im entferntesten ahnen. Jedenfalls eines ist sicher: man lernt die Menschen kennen.
Im Verlauf der weiteren Monate, also von Juni bis Dezember 2016, sollten wir noch sage und schreibe 9 Kaufinteressenten persönlich kennenlernen, was bedeutete: 9 Mal unsere private Wohnung und die ganze Pension auf Hochglanz bringen, 9 Mal die Sommergäste im B&B mit Engelszungen um ihr Verständnis bitten und sich 9 Mal große Hoffnungen auf einen baldigen Verkaufsabschluss machen. Dabei habe ich diverse Vorgeplänkel per Email und Telefon mit übrigen Interessenten gar nicht mitgezählt. Einige blieben sogar mehr als zwei Stunden bei uns, fotografierten mit ihren Handys jeden Winkel, stiegen sogar aufs Dach, umrundeten mehrere Male das Grundstück, kamen zuweilen zu einem zweiten Besuch vorbei und stellten an uns und unseren Makler, der immer anwesend war, unendlich viele Fragen, um wirklich alles über unser gesamtes Anwesen zu erfahren. Gleichzeitig senkten wir in diesem Zeitraum den Verkaufspreis um jeweils volle 10.000 Dollar zweimal, um unser Angebot noch attraktiver zu machen.
Dazwischen war ein Monsieur A. dabei, der nachmittags an der Haustüre klingelte, einfach so, ganz ohne telefonische Anmeldung. Er habe soeben unsere Annonce gelesen, ob wir einen Augenblick Zeit hätten, jetzt gleich, bitte sofort?
Er käme mit Frau und Tochter gerade aus dem Ausland zurück und suche ein Haus. Nach unserem Motto “Nur wer wagt, gewinnt!” baten wir ihn herein. Auch er sang das hohe Lied einer möglichst baldigen Übername, bauchpinselte uns mit allerlei Sympathiebekundungen, machte diverse Planungsvorschläge zum Ausbau des Kellergeschosses samt der Bemerkung, er sei im Besitz einer „bedeutenden Eigenkapitaldecke“. Danach: nie wieder auch nur ein einziges Wort. Also Sachen gibts?
Hausverkauf – man lernt Menschen kennen
Drei Geschichten über diese 9 Kaufinteressenten lohnen aber, sie etwas genauer zu erzählen. Da wäre zum einen K.B., eine Freundin aus unserem Bekanntenkreis. Sie hatte uns schon einmal in der Pension zehn Tage vertreten und mir insgeheim gestanden, dass ihr die Arbeit mit Gästen aus aller Herren Länder gut gefallen hat. Nun erfuhr ich, dass ihre Tochter erst Anfang Juli von zuhause ausgezogen war, was für eine Mutter oft eine Zäsur darstellt und sie offen macht für neue Herausforderungen. So fragte ich sie einfach, ob sie eventuell unser Haus samt der Pension übernehmen wolle. „Ich werd’s mir überlegen!“ sagte sie.
Bald darauf setzte K.B. alle Hebel in Bewegung, sprach mit Finanzberatern und auch mit unserem Makler, sondierte Möglichkeiten innerhalb ihrer Familie und kümmerte sich um Banktermine. Sie wollte sogar ihr eigenes Anwesen verkaufen mit dem erklärten Ziel, um unser Haus samt Pension übernehmen zu können. Sie lud sogar ihre Tochter und ihre Freundin zu einer Hausbesichtigung ein, um ihr Vorhaben allen schmackhaft zu machen. Doch leider, nach knapp vier Monaten permanenter Anstrengung zeichnete sich ab, dass es nicht klappen sollte. Die hiesigen Spielregeln bei der Immobilienfinanzierung hatten sich deutlich verschärft, was K.B. erst sehr spät erkennen musste. Leider!
Binsenweisheit: eine Gewerbezone ist kein Wohngebiet
Dann wäre da Monsieur F., der sich nach zwei Besuchen im April nicht wieder gemeldet hatte und der sich auf meine telefonische Nachfrage lediglich äußerte: „Wir haben noch keine Entscheidung getroffen!“ Dieser Monsieur F., wir trauten unseren Augen nicht, tauchte auf einmal wie aus dem Nichts wieder am 11. September bei uns auf – nach vollen 5 Monaten Funkstille! Er habe es sich nun überlegt und schon mit der Stadt telefoniert, ob man unsere Pension wohl in ein Büro umwandeln könne und er habe von dort grünes Licht bekommen. Man hätte noch ein paar Fragen, insbesondere, ob unser Haus noch zum Verkauf stände und wann man einziehen könne. Hocherfreut diskutierten wir mit ihm und seiner Lebenspartnerin angeregt und erfuhren, das die beiden nur drei Querstraßen weiter wohnen. Man wolle nun doch einen Vorvertrag und endlich Nägel mit Köpfen machen. Anders als in Deutschland muss dieser Vorvertrag in Kanada nicht notariell beurkundet werden. Schon vier Tage später flatterte per elektronischer Post sein „Offre d’achat“ herein, den wir sofort unterzeichneten, denn alle Bedingungen waren hervorragend und dieses Mal zu unseren Gunsten. Weitere vier Tage später, am 19. September, kam Monsieur F. wieder vorbei, um sich von uns die Erlaubnis abzeichnen zu lassen, bei der städtischen Behörde die endgültige Genehmigung beantragen zu können. Auch bat er um unseren Gebäude-Lageplan, dann ginge es schneller, wie man ihm sagte!
Dann, 20. September, 16.15 Uhr, die Hiobsbotschaft: Monsieur F. mit seiner Frau klingelt an der Türe und ich erkenne gleich an den beiden langen Gesichtern, dass sie keine guten Nachrichten bringen! Der Sachbearbeiter bei der Stadt hat ihnen doch keine Genehmigung erteilt. Unser Viertel ist keine Gewerbezone, sondern reines Wohngebiet und eine Pension ist kein Gewerbe – aber ein Büro ist eines. Das könnte man nur durch ein langwieriges Eingabeverfahren ändern mit ungewissem Ausgang. Nichts zu machen, wir sind alle drei total enttäuscht. Tags darauf erhalten wir von unserem Makler die schriftliche Annullierung des Vorvertrages. Pustekuchen – wieder nichts!
Zu guter Letzt kämen wir dann zu Madame Ch., die uns bereits am 10. Juni, völlig unauffällig wie so viele zuvor, per E-Mail mit der Frage kontaktierte, wie viele Parkplätze denn zum Haus gehören würden. Wir antworteten pflichtgemäß mit dem Hinweis, sie solle sich bitte mit unserem Vertreter wegen eines Besichtigungstermins verständigen. Und tatsächlich, schon 10 Tage später kam sie mit ihrem eigenen Makler, einer der besonderen Sorte, zu einem Hausbesuch vorbei. Im Falle eines Kaufes würde dies bedeuten, dass wir auch an ihn eine Provision zahlen müssten, obwohl wir ihn gar nicht beauftragt hatten und er obendrein nicht unsere Sympathie genoss. Aber Vertrag ist Vertrag. Wenige Tage darauf, am 29. Juli, kam unser sympathischer Monsieur T. wieder zu uns, der hoch erfreut mit einem weiteren Vorvertrag in der Hand wedelte, unterzeichnet am Vortage von Madame Ch. – prima, super, cool, wir waren wieder im Rennen!
Es gab jedoch einige ganz winzige Schönheitsfehler – das waren wir ja bereits gewohnt.
1) Dieser Vorvertrag würde erst in dem Falle rechtlich bindend werden, wenn Madame Ch. ihre eigene Immobilie verkauft hat, um die nötigen finanziellen Mittel frei zu bekommen, unsere zu übernehmen. Jedoch hatten wir weiterhin freie Hand, einen anderen Käufer zu finden.
2) Falls dieser potentielle Käufer ernsthaft einem Kaufvertrag zustimmen würde, müssten wir Madame Ch. eine Frist von 72 Stunden einräumen, ob sie doch zum Kauf bereit wäre. Sie wollte zusätzlich dieses Vorkaufsrecht bis zum Mai des darauffolgenden Jahres zugesagt bekommen, will heißen: volle 10 Monate.
3) Eine weitere Bedingung sah vor, dass der Vortrag erst dann rechtlich bindend werden würde, nachdem durch einen Immobilien-Sachverständigen das gesamte Gebäude inspiziert wurde und keine gravierenden Mängel festgestellt worden sind. Aber wir hatten ja das ganze Gebäude in einen fantastischen Zustand gebracht, keine Gefahr also!
Kurz vor dem Abschluss: Zitterpartie, alles hängt in der Luft!
„Welch ein Hickhack“, sagten wir! Doch wir sagten uns auch: “Lieber den Spatzen in der Hand als die Taube auf dem Dach!“ und unterschrieben diesen so genannten „Offre d’achat conditionnelle“, wie es auf Französisch heißt. Am 16. August dann kam ein Schriftstück mit der elektronischen Post, die uns in netter Form aufforderte, die Frist für Madame Ch. zum Nachweis der Finanzierung – bitte schön – um weitere zwei Wochen zu verlängern. Dies stand so in einer Klausel im besagten Vorvertrag vom 29. Juli. Postwendend bestätigten wir diese Fristverlängerung, denn Marie und ich hatten auf einmal das gute Gefühl, dass diese Madame Ch. es offenbar ernst meinte. Keiner der bisherigen Besucher, der angeblich seriösen Interessenten, der Kaufversprechern mit angeblich interessantem Eigenkapital oder sonstigen Luftikussen waren bislang so weit gegangen.
Aber für uns war es immer noch eine Zitterpartie, alles hing in der Luft, nichts war verbindlich. Unser Makler hatte offenbar eine Nase dafür und so telefonierte er mit uns in regelmäßigen Abständen, um uns aufzumuntern, garniert mit diversen Formularen zum abzeichnen über das weitere Prozedere mit Madame Ch.. Denn unser Haus war nach wie vor NICHT verkauft, unser Ziel war nach wie vor NICHT erfüllt.
Es blieb uns nun nichts anderes übrig, als zu warten, weitere Kauf-Angebote zu respektieren und auf etwaige Kauf-Ideen zu Antworten. Es kamen sogar noch Anfang Oktober Besucher, wie ein Ehepaar aus Québec, das unser Haus noch im selben Jahr haben wollte. Leider klappte auch hier die Finanzierung nicht so recht. Auch unsere Freundin K.B. unseres Bekanntenkreises wurde wider Erwarten abermals aktiv und lud mich zu einer Besprechung am 29. September ein, sie hätte nun doch noch eine tolle Finanzierungsidee. Selbst Monsieur A., der uns schon im Mai fast zwei Stunden besucht und sich gemütlich in unseren Garten niedergelassen hatte, kam mit seiner Frau am 4. Oktober zu einem zweiten Besuch. Ich weiss es wie heute, es war ein fantastischer Herbsttag. War er noch ernsthaft interessiert – er sagte es jedenfalls. Wieso hatte er aber sechs Monate keine einzige Silbe verloren, uns kein einziges Wort über seine Pläne mitgeteilt?
Ende gut – alles gut!
Dann, endlich am 22. Oktober, es war ein Samstag und der Herbst hatte die Blätter bereits bunt gefärbt, kam die sehnlichst erwartete Nachricht: Mit einem weiteren, offiziellen Formular der Quebecer Maklervereinigung teilte man uns mit, dass erstens Madame Ch. den Nachweis der Finanzierung erbracht und zweitens der Gebäude-Inspekteur keine größeren Mängel gefunden habe und damit der Vorvertrag unwiderrufbar sei – Hurra! Unser Makler, der wie schon erwähnte sympathische Monsieur T., rief tags darauf an und fragte höflich, ob er jetzt auf sein Schild im Vorgarten den Aufkleber „VERKAUFT“ anbringen dürfe, es sei wichtig für sein Geschäft, das im Wesentlichen auf persönliche Empfehlungen aufgebaut sei. Das Haus sei nach den kanadischen Gesetzen nun verkauft. Ja, gerne, antworteten wir ihm!
Und zum gutem Schluss: Am darauf folgenden Dienstag erreichte uns diese E-Mail von unserem Immobilienmakler, deren Wortlaut übersetzt etwa so lautete: „Der Makler des Käufers hat bei uns angefragt, ob Ihnen Montag, der 12. Dezember um 11.30 Uhr angenehm wäre, die Transaktion beim hiesigen Notar durchführen zu lassen!“ Preisfrage an den geneigten Leser: Was meinen Sie, haben wir darauf wohl geantwortet???
Weitere Anekdoten und ähnliche Erfahrungen aus meiner Feder kann man in meinem Buch “Geliebtes Kanada” gerne nachlesen. Mehr unter Neuerscheinung auf Kanadaspezialist.com
Marc Lautenbacher (Québec / Canada)
1 Kommentar
Sehr nett und interessant zu lesen und wir stehen erst ganz am Anfang der gleichen Idee vom Verkauf unseres Objektes. Wir ahnen was uns zukommt, da Freunde aehnliche Erfahrungen im letzten Jahr erlebten. Andere haben 4 Jahre gebraucht ihr Resort zu verkaufen….! Wirklich erstaunt uns immer die kanadische Buerokratie….(wir teilen gerade unser Grundstueck….wahnsinn!)!
Euch viel Glueck weiterhin in Kanada. Gute Gruesse
Herbert