Yukon – Von Männern namens „Sauerteig”……

von Roland Kiemle

Cap Dick

 von links: Capt’n Dick Stevenson – Gary Kiemle – Detlef Lange – im Jahre 1979

Als es im ausgehenden 19.Jahrhundert – „ho for the Klondike !„ – zu den Goldfeldern, dem letzten Grenzland im Norden hieß, da war Brot und seine Grundsubstanz mitunter teurer als Whisky , denn der gefror auch bei Temperaturen um die – 50 C nicht. Hefe dagegen starb auf den monate-, oft jahrelangen Zügen zu den Flüssen voller Nuggets und Goldstaub; zu den Pelztiergründen im Norden; auf den wochenlangen Reisen der Versorgungsschiffe, oft aufgehalten durch Stürme, Eis und früh hereinbrechende Winter.
Des Rätsels Lösung hieß – Sauerteig! Sauerteig  “Starter” wucherte quicklebendig weiter, wenn er immer wieder aufgefrischt und pfleglich behandelt wurde. Gar nicht ruppig oder sauertöpfisch umhegten die Pioniere des Nordens die kostbare Mixtur: in absonderlichen Miniaturgefäßen trugen sie den Starter in der Hosentasche mit sich, hegten ihn in der kuscheligen Wärme am Ofenfeuer der Blockhütte, nahmen ihn gar fürsorglich mit ins Bett, wenn sich arktisch-grimmige Kälte nachts durch die Wände fraß.

Wenn wundert’s, dass da der Name „Sourdough”- sprich: saurdoo- auf die ganze bärtige Gattung der Oldtimer überging, die sich mit solcherlei gehütetem „Starter” ihr Brot im hohen Norden Nordamerikas buken! Die Mär geht um, einige hätten das kostbare milchig-weiße, säuerlich-duftende Gebräu gar von einer Urahne geerbt, die den „Starter“ noch drüben im „Old Country” angesetzt und den Tonkrug mit über den Atlantik gebracht habe.

Bei jedem Brotbacken neu aktiviert mit Buttermilch oder Wasser mit Backpulver, war der „Starter„ nicht nur Basis des wichtigsten Nahrungsmittels, sondern geisterte auch als Allheilmittel gegen die mannigfaltige Unbill des Pionierlebens durch Balladen und Histörchen.

„Bauchschmerzen kriegst du nie davon, da kannst du verdammt sicher sein, aber wenn du welche hast, dann werden sie mit Sauerteig geheilt!“

Das muss eine merkwürdige Kur gewesen sein, denn wer diese Medizin überlebt, muss eine Konstitution haben, die jeder Krankheit gewachsen ist.

Golddiggern, die in Notzeiten den „Starter“-ohne Mehl- aßen, soll es jedenfalls die Eingeweide schier zerrissen haben……..

Und der große Poet des Nordens – Jack London – schreibt in seinem Roman „Wolfsblut“ :

„Nur eine kleine Anzahl weißer Männer und Frauen lebte in Fort Yukon, und diese waren schon seit langer Zeit dort ansässig. Sie nannten sich „Sauerteig“ , und waren auf diese Bezeichnung stolz.

Auf die Anderen, die mit den Flußdampfern kamen, blickten sie herab und bezeichneten sie als „Cheechakos“. Weil sie ihr Brot mit Hefe zubereiteten, was diese etwas übelnahmen. Und doch war alles nur Neid vonseiten der „Sauerteigs“, denn sie buken das Brot nur deshalb so, weil sie es nicht besser verstanden und keine Hefe hatten .

Früher fermentierte ein Cheechako zum Sourdough, wenn er mindestens einen Winter im Yukon (über-)lebt und das Eis des Stromes aufbrechen gesehen hatte.

Heute munkelt man, der „dough“- die „Moneten, die Kohle“ – würden „sour“- „sauer“ verdient, daher sei ein „sourdough“ wer sein Geld(Gold) im Yukon mache.

Den  “Sourtoe Cocktail” (Sauer-Zeh-Cocktail) mitsamt dem „Exalted Order of the Yukon Sourtoe“ kreierte Capt’n Dick Stevenson, auch unter dem Namen „River Rat“ bekannt.

Nach eigener Aussage lässt er sich durch nichts und niemanden beeindrucken-es sei denn, einer bringt es fertig barfüßig auf den Wassern des Yukon zu wandeln.

Dicks Frau Lou hatte vor Jahren in der Gegend von Dawson City eine alte Blockhütte erstanden, deren einziges Inventar aus einer Rumflasche bestand. Einer Flasche, auf deren Grund ein schwärzliches, gurkenähnliches Monster ruhte.

Die Hütte hatte einem Oldtimer gehört, der  sich mittels Schnapsschmuggel vom kanadischen Yukon ins US-amerikanische Alaska ein Zubrot verdiente, als der „Eiskeller der Nation“ unter der Bürde der vom fernen Washington oktroyierten Prohibition lechzte.
Auf einem dieser Schnapszüge war er in einen wütenden Blizzard geraten und hatte sich seinen Großen Zeh amputieren müssen.
Dem Zeh fühlte er sich – obwohl nicht mehr physisch – so doch emotional nach wie vor verbunden, und er steckte ihn in eine Flasche hochprozentigen Rum, um ihn sich der Nachwelt zu erhalten.

Als indessen Dicks Frau das Erbe von Hütte und Flasche antrat, war der Rum zwar verdunstet, hatte aber den Zeh vorher so durchdrungen, dass dieser sich wie eine Mumie für alle Zeiten dem natürlichen Verfall widersetzte.

Dick schwankte-er wußte nicht recht, was er mit dem Erbstück tun sollte.

Er fühlte den Hauch der Geschichte, wie er sagte, und das hielt ihn davon ab, den Zeh einfach wegzuwerfen.Vielleicht aber auch, weil er an seinem eigenen Zeh hängt und tiefes Verständnis für den verblichenen Oldtimer aufbringt.

An Dawsons Discovery Day hatten Dick und einige seiner besten Kumpane ein gutes Dutzend Gläser in der Sluicebox Bar des Eldorado Hotels gekippt, als ihn ein Gedankenblitz traf, wie er sich seitdem auszudrücken beliebt. Er holte die Buddel mit dem Zeh und legte mit jenen besten Freunden und Peter Jenkins dem Owner des Eldorado Hotels die Satzungen des „Erlauchten Ordens vom Sauren Yukon-Zeh“ fest.

Die Voraussetzungen zur Aufnahme gipfeln darin, dass der Kandidat ein Bierglas Champagner, in das der Barmann mittels Silberzange den Zeh zelebriert hat, auf einen Zug auszutrinken hat. Bleibt mehr wie ein Fingerbreit Schampus im Glas, gilt die Probe als nicht bestanden. Das Schließen der Augen oder gar deren Verbinden hat zu unterbleiben, im Gegenteil: dieselben sind unverwandt auf die Reliquie zu richten.

Die Gesellschaft probierte – und alle, die sich später übergaben, sagten übereinstimmend, dass das nicht auf den Zeh zurückzuführen sei!

Ich wurde Mitglied Nr. 18 im erlauchten Orden. Dass ich vorher meine Konstitution vorher mit einigen Gläsern „Yukon Hootch” festigte und das Gelingen der Tat hinterher mit einer Flasche Champagner feierte, nahm Capt’n Dick als selbstverständlich hin.

Auch er, der die Ehre hatte, als Erster den Trunk zur Brust zu nehmen, brauchte vorher ein paar Gläser des „Großen Blindmachers“ wie der Yukon Hootch wohl auch genannt wird.

„Wenn du dir einen Pint Hootch hinter die Binde gegossen hast, dann gibt es nichts auf der Welt, was nicht besser schmecken würde“!

Inzwischen trat auch die Katastrophe ein: ein Tenderfoot aus dem Süden Kanadas verschluckte den Zeh! Nach wenigen Augenblicken des blanken Entsetzens schrie der Volkszorn nach Rache.
Nur die Tatsache, dass keine sofortige Einigung erzielt werden konnte – ob der Magen des Missetäters geöffnet oder dessen Zeh amputiert werden sollte – und dem Eingreifen der RCMP verdankt dieser, daß er unbeschadet Dawson Hals über Kopf verlassen konnte. Inzwischen sind viele Jahre vergangen. Die Mitglieder sind auf mehrere Tausend angewachsen.

Das Aufnahme Procedere hat sich vom Eldorado Hotel auf die andere Straßenseite in das Down Town Hotel verlegt.
Capt’n Dick hat sich in den Ruhestand begeben. Ein Nachfolger wurde gefunden. Inzwischen hat sich die Katastrophe mit dem verschluckten Zeh noch mehrmals wiederholt. Zur Erinnerung hat Dick neben seinem alten Office beim Raddampfer Keno zur Erinnerung ein Grab angelegt, „ in Memory of the swallowed toes !”

Roland Kiemle

Sourtoe cert Gary e1487585131147Sourtoe Zertifikat für Gary Kiemle 1977

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4 Kommentare

Andreas 29. Juni 2017 - 06:42

Hallo Gary, danke für den interessanten und informativen Beitrag. Ich fühle mich dadurch umso mehr geehrt seit ein paar Tagen nun auch Mitglied in dieser erlaubten Gesellschaft zu sein (Mitglied 71649). Leider werden die Hintergründe nicht mehr in dieser Breite erläutert. Viele Grüße aus Haines!

Antworten
Gary Kiemle 30. Juni 2017 - 09:53

Hi Andreas,
welcome to the Club und danke für die Grüße aus Haines, wohnst du dort oder im Urlaub?

Viele Grüße
Gary

Antworten
Gary Kiemle 5. März 2017 - 16:17

Danke für den interessanten und ausführlichen Kommentar.

Antworten
Alexander Ausserstorfer 5. März 2017 - 15:58

Woher kommt eigentlich der Sauerteig?

Auf der Erdoberfläche gibt es eine Gas- oder Lufthülle. In dieser leben überall Mikroorganismen, die gelegentlich der Wind mit sich trägt: Pilze, Bakterien, Hefen. Will man nun einen Sauerteig züchten, muss man nichts weiter tun, als naturbelassenes Vollkornmehl so zu behandeln, dass bestimmte Arten von Mikrolebewesen die Oberhand bekommen. Das sind normalerweise Essigsäurebakterien, Milchsäurebakterien und Hefen. Diese befinden sich bereits bei der Ernte draußen auf dem Feld im Getreide.

Nun liegt es in der Sache der Natur, dass sich diese Lebewesen auf der Außenseite des Getreides befinden. Weshalb man sich leichter tut, aus Vollkornmehl einen Sauerteig zu züchten. Weil sich in diesem Vollkornmehl mehr Schalenbestandteile befinden. Welche den höchsten Anteil der genannten Mikroorganismen aufweisen. Beachten sollte man außerdem, dass man kein gespritztes Getreide verwendet, dessen anhaftende Mikroorganismen so gut wie alle abgetötet worden sind.

Die gewünschten Mikroorganismen fühlen sich am wohlsten zwischen +24° C und +32° C, je nach Art, und vermehren sich bei den genannten Temperaturen am schnellsten, so dass andere Arten von Bakterien und Pilzen unterdrückt werden. Hefen fühlen sich bei niedrigerer Temperatur wohler, Bakterien bei höherer. Wichtig ist auch, dass der Sauerteig eine gewisse Konsistenz erhält, also weder zu flüssig noch zu dick angerührt wird. Und dass der im Getreide enthaltene Zucker nicht ausgeht, weil sonst die gewünschten Mikroorganismen absterben und der Sauerteig keine Wirkung mehr zeigt. Die Hefen sind für den Trieb verantwortlich, die Säurebakterien für die Haltbarkeit des Brotes und überwiegend für den Geschmack.

Man kann innerhalb von drei Tagen aus Vollkornmehl einen reifen Sauerteig ziehen, wenn man es richtig macht. Etwa alle 24 Stunden sollte man die verwendete Mehlmenge verdoppeln.

Was ist der Unterschied zu Backhefe? Bei Back- oder auch Bierhefe handelt es sich in der Regel um im Labor gezüchtete oder industriell hergestellte, aber auf jeden Fall um monotone Hefekulturen. Das heißt die Hefen sind aller gleicher Art.

Bei einem aus natürlichen Vollkornmehl gezüchteten Sauerteig ist das nicht der Fall. Je nach Art und Herkunft leben unzählige verschiedene Arten von Hefen, Essigsäure- und Milchsäurebakterien in dem Sauerteig, was zu einer regelrechten Geschmacksexplosion im Mund und des Gaumes führen kann. Dabei ist jeder Sauerteig anders und verändert sich auch im Laufe der Zeit durch Züchtung.

Auf zuviel Zuführung von Back- oder Bierhefe kann der menschliche Körper mit der Zeit allergisch reagieren.

Natürliche Hefen sind sehr empfindlich und sterben daher auch sehr schnell ab. Ihre Handhabung ist aus diesem Grund extrem schwierig, weshalb heute die meisten Bäcker industriell hergestellte Backhefe verwenden oder zugeben. Natürliche Hefen entwickeln in der Regel auch nicht soviel Gas wie Backhefe, weshalb die Krume des Backwerkes fester oder das Brot flacher wird.

Was man mit dem Sauerteig erreicht, das ist die Züchtung von Mikroorganismen, welche sich auch innerhalb des Verdauungstraktes des menschlichen Körpers befinden. Der Körper braucht diese für die Verdauung. Man führt diese natürlichen Mikroorganismen von außerhalb dem menschlichen Körper zu und fördert damit die Verdauung und das Wohlbefinden. Von richtig herstelltem Sauerteigbrot kann man fast keine Bauchschmerzen bekommen.

Deshalb ist natürliches Backwerk, wie wir es in der Bäckerei von Kamouraska hergestellt haben, so gesund und wichtig.

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