Die friedvollen Indianer – Teil 2 – Die Romantisierung der Indianer in Deutschland

von Peter Iden

Winnetou PixabyEine Tiefenstudie zu den nordamerikanischen Ureinwohnern

Das in Europa romantisierte Bild der Indianer von Nordamerika ist bereits seit Mitte des 17. Jahrhunderts durch die konservative europäische Kulturkritik (besonders die deutsche) geprägt worden. Ihre spätere Darstellung wurde ebenfalls zu der Zeit als „friedvoll und ehrenhaft“ betitelt und verdeckt die wahren Tatsachen des andauernd kriegerischen Lebens vieler Ureinwohner.
Der Zweck dieses Beitrags ist aber absolut nicht, die Träume der „Hobby-Indianer“ total zu zerstören. Sicherlich kann man selbst bei den Indianern Nordamerikas Perioden des friedvollen Lebens erkennen.
Der seit 1969 bestehende deutsche Western Bund e.V. hat beinahe 100 Klubs als Mitglieder, davon zwei in der Schweiz und zwei in Frankreich. Ihre Mitgliedschaft wird wahrscheinlich in den Zehntausenden liegen. In Kanada und den USA gibt es keinen einzigen „Indian Club“.
Nordamerikaner leben hier zu dicht an der Realität der heutigen Indianer und ihrer Vergangenheit. Für viele Amerikaner und Kanadier indianischer Herkunft ist es neuerdings undenkbar, dass z.B. selbst ein Sportklub den Namen „Braves“, „Redskins“ oder „Tomahawks“ trägt. Umbenennungen dieser Namen stehen augenblicklich im Rampenlicht der Medien und Aktivisten. Aus denselben Gründen würden wahrscheinlich sogenannte „Indian Cubs“ schnellstens auf ihre Fehlverwendung von kulturellen Fakten aufmerksam gemacht. Als Beispiele dazu das Tragen von Feder-Schmuck und -Hauben, sowie die Aussagen einiger deutscher Indianer-Enthusiasten („Ich bin Indianer“).


Nicht jeder Indianer trug einen Federschmuck. Ob und wie man Federn trug, hing von dem jeweiligen Lebensraum ab. Zudem war der Federschmuck auch ein Zeichen der Stammeszugehörigkeit. So trugen beispielsweise die Indianer der Prärie Federn von Steinadlern, da es als ‚tapfer‘ galt, diese in den hohen Gebirgen zu sammeln. Auch bei der Gestaltung der Federn gab es stammesspezifische Unterschiede. Die Federn konnten unterschiedlich beschnitten oder gefärbt werden und wurden dadurch auch als eine Symbolsprache genutzt.
Bei den Dakota-Sioux-Indianern zeigte eine rotgefärbte Feder zum Beispiel, dass der Träger im Kampf verwundet wurde, eine Feder mit Einschnitt bedeutete hingegen, dass man einem Feind die Kehle durchgeschnitten und ihn skalpiert hatte. Die Federn wurden als Auszeichnungen für Krieger benutzt. Je mehr Federn ein Indianer trug, desto mehr militärische Leistungen hatte dieser erbracht. Daher ist die allseits bekannte Federhaube nicht unbedingt ein Zeichen für einen Häuptling, sondern steht allen Kriegern zu, die sich durch Erfahrung in Schlachten und Tapferkeit ausgezeichnet haben. Zugleich ist er ein Symbol für Weisheit, da nur weise Krieger so viele Schlachten gewinnen konnten. Frauen durften diesen Hauben-Kopfschmuck nicht tragen.
Anmerkung: in den späten 1950er-Jahren arbeitete ich in meinen zwei Wochen Sommerferien sowie an Wochenenden für „Indian Joe“ (kein Indianer, sondern wie auch der berühmte „Grey Owl“, ein Engländer). Ich fabrizierte für ihn (ohne Bezahlung, sondern aus Interesse an der Materie) Federhauben aus bemalten Truthahnfedern, Ledertaschen mit Perlen besetzt und andere „indianische“ Artikel für die Touristen im Algonquin Park. Handarbeits-Artikel, die heutzutage, wie alle „indianischen Handarbeiten“, maschinell in China massengefertigt werden.
Als ehemaliger „Camping-Enthusiast“, zuerst als Pfadfinder in Deutschland und Kanada in kalten, bodenlosen Zelten, später in Hauszelten mit separaten Schlafzimmern – Marke Mehler – und zuletzt in einem Luxus -Trailer Marke „Apache“ (Ha!) kann ich den Frieden und die Mobilität des Zeltlebens bestens verstehen. Es ist nichts einzuwenden gegen die damit verbundenen Aktivitäten (Wandern, Segeln, Klettern, Vogelbeobachtung, Naturstudium usw.).
Die friedvollen Aspekte des Lebens der Indianer zu kopieren und zu „leben“ ist zweifellos zufriedenstellend für viele als eine Freizeit-Aktivität, ein Spiel welches man gerne spielt, um die Sorgen und Bedrängnisse des Alltags kurzfristig zu vergessen.
Bei den „Deutschen Powwows“ (es gibt Dutzende im Jahr) trinken die der deutschen Indianer- und Western-Klubs „Firewater“, tragen Türkis-Schmuck und laufen in Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein als Comanchen und Apachen oder als Cowboys bekleidet herum. Die Realität des wirklichen Lebens der Indianer wird bei diesem „Spiel“ vergessen.
Als ehemaliger Enthusiast und begeisterter Leser der Attraktion und Romantik der Indianer-Geschichten (Karl Mays Winnetou-Bücher, die Lederstrumpf-Bücher von J.F. Cooper sowie die Billy Jenkins-Romanhefte und diverse andere deutsche Indianer-Literatur) wurde ich nach meiner Ankunft in Kanada 1954 dann mit der (damals oft noch versteckten) „Realität“ konfrontiert.


Tipi Pixaby

Verbreitung von kulturell falschen Realitäten:
Die Verbreitung von kulturell falschen Realitäten sollte jedenfalls klar gestellt werden. Zuerst einmal: Indianer waren niemals „Freunde“ der Erde. Sie mussten innerhalb der Grenzen der Natur leben, weil sie weder die Technologie noch das Wissen oder die Möglichkeiten hatten, diese zu ändern. Sie glaubten daran, dass die Natur von Göttern geregelt wurde und dass sie diese durch ihre Gebete und Zeremonien beschwichtigen konnten.
Zweitens darf man jedoch auch nicht nur die farbenfrohen „Prairie-Indianer“ betrachten, also die Meister auf Pferden mit ihren runden, spitzen Tipi-Zelten, wie es die meisten europäischen Indianer-Enthusiasten machen.
Man sollte sich also auch, zum Gleichgewichtig der Informationen, mit der restlichen Urbevölkerung beschäftigen: mit den fast ebenso farbreichen Waldland-Indianern. Schließlich ist etwa 40% Nordamerikas bewaldet, sei es mit offenem Waldland, dichtem „bush“ oder Hochwald. Auch in diesem Ökosystem des Kontinents lebten zahlreiche Indianerstämme.
Ein weiterer Faktor des indianischen Lebens war (besonders bei den Prairie-Indianern), dass sie alles andere als monogam waren. Das Leben als Krieger bei Überfällen anderer Stämme z.B. war für viele von ihnen tödlich. Das brachte einen Frauenüberschuss in den Indianer-Dörfern mit sich. In vielen der kriegerischen Stämme lebten zwei- bis dreimal so viele Frauen wie Männer. Die Stämme scheuten sich nicht, dieses Ungleichgewicht durch Entführungen von Mitgliedern anderer Stämme oder von den Siedlern und Mexikanern zu verbessern.
Indianische Männer durften daher auch mehrere Frauen haben, allerdings vorausgesetzt, dass sie diese versorgen konnten. Für die Häuptlinge waren mehrere Frauen ein Zeichen ihres Reichtums. Dem Chief Powhatan (Wahunsseneca) des Powhatan-Stammes der Iroquois Federation wurden bis zu hundert Frauen nachgesagt (der biblische Solomon hatte 700 Frauen und 300 Konkubinen).
Die ersten Ehen waren lebenslang gültig, alle anderen folgten, jedoch oft nur nach Verhandlungen und Zahlungen, als kurzzeitige Nebenehen. Affären außerhalb der Ehe waren akzeptiert, vorausgesetzt die Männer der Frauen bewilligten diese.

Die Prärie und ihre „Steppen-Indianer“ (Prairie Indians):

Die „Plains“ kulturelle Region ist ein riesiges Gebiet von Süd-Manitoba und dem Mississippi bis zu den Rocky Mountains und vom North Saskatchewan River nach Süden in Texas, das sich im Schatten der „Rocky Mountains“ nach deren feurig-tektonischen Entwicklung vor 170 bis 40 Millionen Jahren entwickelte. Sie erstreckt sich über das heutige North Dakota, South Dakota, Nebraska, Kansas, Oklahoma, Texas, Wyoming, Colorado und New Mexico sowie in Kanada von der westlichen Grenze Albertas mit British Columbia bis über Saskatchewan nach Süd-Manitoba.
In der wissenschaftlichen (und auch oft in der Umgangssprache) nennt man die Prairies „the Plains“ – die Ebene. „Plains Indians“ beschreibt eine Anzahl verschiedener und einzigartiger eingeborener Stämme, inklusive der Siksika, PIkani, Kainai, Nakoda, Tssut’ina, Cree, Ojibwa, Assiniboine und Dakota (Quelle: „Plains Indigenous Peoples in Canada“, by Ted J. Brasser and Michelle Zach Parrot – 2009):

Kleinere Gruppen besiedelten die Plains schon vor etwa 11 000 Jahren aus dem Norden, wohin sie vorher aus Ostasien über die Landbrücke der Beringstraße eingewandert waren. Mehrere Tausend Jahre lang jagten sie die Bisons nur mit Speeren. Funde mit einer Kohlenstoff-Datierung fanden Anzeichen von Jagden mit Pfeil und Bogen, die von den Eingeborenen während der „Avonlea-Periode“ aus Kanada bei den Plains-Indianern etwa im Jahre 200 CE eingeführt wurden.
Der Begriff „CE“ (Conformite Europeenne) ist ein Begriff der von der EU anstatt „BC“ (Before Christ) und „AD“ (Anno Domini) geprägt wurde, damit der christliche Begriff GOTT im Interesse der multireligiösen Einwohner Europas und der Welt aus dem Sprachschatz verschwindet!

Indianer auf Pferd Pixaby
Die europäische Kolonisierung Nord-Amerikas:

Die spanischen Conquistadores waren die ersten Europäer, die im 17. Jahrhundert Kontakt mit den südlichen Stämmen der Indianer des südlichen Nordamerika hatten.
Die Spanier, wie auch die Portugiesen und andere europäische Eroberer, hatten Träume vom unermesslichen Reichtum der Indianer – Gold, Silber usw. – und drangen weit in das Innere des Kontinents vor. Sie brachten Pferde und Gewehre, Alkohol und andere europäische Zeichen ihrer Zivilisation, darunter auch ihre Krankheiten und Epidemien.
Die Pferde besonders änderten den Lebensstil der Indianer, besonders in den Plains und bis nach Kanada, wo die ersten Pferde etwa in 1730 erschienen. Sie hatten besonders katastrophale Auswirkungen indem sie die vielen Stammeskriege und Überfälle auf feindliche Stämme begünstigten. Allerdings waren Pferde auch entscheidend im Kontakt der westlichen Stämme mit den östlichen, was natürlich wieder Krieg mit sich brachte, aber auf der positiven Seite den Handel zwischen den Stämmen begünstigte.
In Kanada war es nicht anders, nur dass Pferde hier keine große Rolle spielten. Der Pelzhandel wurde mit Kanus erschlossen, und zwar in umgekehrter Richtung, von Osten nach Westen.
Jedenfalls brachte der Kontakt der Indianer auch die Krankheiten der Europäer nach Nord-Amerika, vor allem die Pocken, welche in den Prairies seit 1730 ganze Stämme ausrottete. Die katholischen Missionare waren nicht weniger Schuld daran, denn die kranken und unterernährten Indianer vertrauten diesen ihr Leben an, starben aber trotz der Wunder, die ihnen von diesen versprochen wurden (Quelle: Health of Indigenous Peoples in Kanada)

Alle Teile dieser Tiefenstudie der nordamerikanischen Ureinwohner:

Teil 1 – DIE EHRENHAFTEN UND FRIEDVOLLEN INDIANER?

Teil 2 – Die Romantisierung der Indianer in Deutschland

Teil 3 – Die Kultur der Indianer

Teil 4 – Buffalo Bill, der Held aus Amerika? 

Teil 5 – Indianer lebten im „Krieg gegen alle“

Ähnliche Artikel & Themen

3 Kommentare

Die friedvollen Indianer – Teil 4 – Buffalo Bill, der Held aus Amerika? - KanadaSpezialist.com 12. April 2019 - 12:07

[…] Teil 2 – Die Romantisierung der Indianer in Deutschland […]

Antworten
Die friedvollen Indianer – Teil 3 – Die Kultur der Indianer - KanadaSpezialist.com 12. April 2019 - 11:26

[…] Teil 2 – Die Romantisierung der Indianer in Deutschland […]

Antworten
Die friedvollen Indianer – Teil 1 - DIE EHRENHAFTEN UND FRIEDVOLLEN INDIANER? - KanadaSpezialist.com 12. April 2019 - 11:23

[…] Teil 2 – Die Romantisierung der Indianer in Deutschland […]

Antworten

Kommentar verfassen

[script_53]

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

This website uses cookies to improve your experience. We'll assume you're ok with this, but you can opt-out if you wish.

Privacy Policy