Da platzt mir der Reifen!
Text und Bild: Bernadette Calonego
Die folgende Panne und deren Folgen haben Bekannte von mir, ein reisendes deutsches Paar, im Norden Neufundlands erlebt:
55 Kilometer vom Dorf St. Anthony entfernt ist einer der Reifen ihres Mietwagens platt. Ein Auto, das bereits an ihnen vorbeigefahren ist, hält und wendet. Der Fahrer, ein Neufundländer, steigt aus. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragt er. Meine Bekannten erklären ihm die Lage. „Ich kenne Ihren Wagen gut“, sagt er. „Ich hatte mal dieselbe Marke. Der Ersatzreifen befindet sich im Kofferraum.“ Er gräbt ihn aus und montiert den Reifen. Dann sagt er, dass er die Garage in St. Anthony informieren werde, dass meine Bekannten auftauchen würden. Er grüßt und fährt davon.
Meine Bekannten rufen sogleich die Mietwagenfirma an, wie es der Vertrag vorschreibt, um sie über den platten Reifen zu informieren.
Der folgende Wortwechsel spielt sich ab:
Firma: „Fahren Sie nach Labrador City, dort wird man Ihnen einen neuen Reifen geben.“
Kunde: „Wie bitte? Warum nicht St. Anthony? Haben Sie eine Landkarte vor sich? Labrador City ist drei Tagesreisen von hier entfernt.“ Oder 1300 Kilometer und eine Autofähre dazwischen, wie meine Bekannten später herausfinden.
Firma: „Sie müssen nach Labrador City fahren.“
Die Bekannten fahren indes zur Garage in St. Anthony. Dort hat man einen Reifen für sie, aber nicht von derselben Marke wie die drei übrigen Reifen. Das ist für Mietwagen nicht erlaubt.
Wieder ein Anruf bei der Mietwagenfirma.
Die Firmenvertreterin erlaubt dem Paar, den Reifen auf eigene Kosten in St. Anthony auswechseln zu lassen. Aber dann müssten sie nach Rückgabe des Mietwagens nochmal einen markenkonformen Reifen bezahlen.
„Bitten geben Sie mir Ihre Vorgesetzte“, sagt mein Bekannter.
Eine andere Frau meldet sich. Derselbe Bescheid. Labrador City muss es sein. Oder doppelt bezahlen.
Wieder verlangt der Bekannte die Vorgesetzte. Die sagt: „Ich sehe, Sie haben eine Vollkasko-Versicherung. Fahren Sie zur Stelle, wo Sie den platten Reifen hatten, und rufen Sie die Pannenhilfe an, damit man Ihr Auto nach Deer Lake abschleppen kann. Dort erhalten Sie einen neuen Mietwagen.“
„Deer Lake ist 500 Kilometer von hier“, sagt der Bekannte. Das beeindruckt die Dame nicht.
Am nächsten Tag gehen meine Bekannten erneut zur Garage in St. Anthony und erzählen ihre Geschichte. Labrador City!
Die Angestellten der Garage lachen sich ein Loch in den Bauch. Sowas haben sie noch nie erlebt.
Jetzt übernimmt der Manager der Garage die Anrufe an die Mietwagenfirma. Zunächst erhält er dieselben Antworten. Nach Lab City fahren oder sich nach Deer Lake abschleppen lassen. Es dauert zwei Stunden (!) und geht über viele Hierarchiestufen, aber der Manager bleibt unentwegt dran. Schließlich erklärt sich die Mietwagenfirma bereit, sowohl den markenfremden Reifen und später auch den markenkonformen Reifen zu bezahlen. Situation gerettet.
Fazit: Die Distanzen in Kanada sind für viele Leute schwer vorstellbar. (Und das ist wohl eine Untertreibung.)
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