Christoph Columbus trifft die ersten Indianer
Nennen wir sie zuerst einmal “Indianer”. So waren sie mir zumindest aus meiner Jugendzeit und Schulzeit bekannt. Zwar hatten wir schon von Kolumbus gehört und gelesen, aber wir lasen lieber über die Cowboys und Indianer in den billigen “Schmökern”, welche ich mir von meinem kleinen Taschengeld regelmäßig leistete. Hefte wie die von Billy Jenkins (noch heute zu haben vom Bastei-Verlag unter dem Namen G.F.Unger), Bücher von Karl May, und dann die amerikanischen Filme wie Don del Oro, Zorro und andere, sowie einige der vielen Tom Mix Stummfilme.
Nebenbei bemerkt, Tom Mix nahm als bekannter Western Schauspieler an der ersten Calgary Stampede in 1912 statt. Davor (seit 1884) war die Stampede nur eine Landwirtschaftliche Show. Nach der Stampede ging Tom Mix in 1913 als ein Teil von “Kit Carson’s Buffalo Ranch Wild West Show” auf Kanada-Tour, in einer Kombination von Zirkus und Western Show.
Die in Italien und Spanien gefilmten US-“Spaghetti-Western-Filme” waren ab 1945 überall enorm populär. Große Cowboy-Shows wie die von Billy Jenkins und Buffalo Bill waren schon vor dem Krieg auf Tour in ganz Europa. Aber keine der vielen Shows, Bücher und Filme porträtierten die Wahrheit, welche ich in Kanada sah und lernte.
Die Shows brachten allerdings auch “richtige” Indianer mit sich. Beide der Bills waren große Showmen. Billy Jenkins war ein Halbjude namens Erich Otto Rudolf Rosenthal, geboren in 1885 in Reinickendorf bei Berlin. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren seine Bücher und Filme sehr beliebt, und selbst von den Nazis wude er kurzzeitig toleriert. Er war als “Nazi Cowboy” bekannt und wurde angeblich selbst von Adolf Hitler verehrt. Seine Bücher und Filme wurden jedoch wegen ihres amerikanischen Inhalts in 1939 verboten. Billie Jenkins, wie auch Karl May, haben niemals vor oder während ihrer Karrieren den Westen der USA besucht (Quelle: Billy Jenkins – Mensch und Legende: Ein Artistenleben, von Michael Zaremba, Januar 2000 – in meiner Bücherei).
Billy Jenkins ist nicht vergessen. Er starb am 21. Januar 1954, während meine Eltern und ich uns auf unsere Auswanderung nach Kanada vorbereiteten. Im Januar 2008 wurde sein Leben und Werk in einer Show im Historischen Museum in Berlin als “Der Nazi Cowboy” dokumentiert und geehrt.
Die Billy Jenkins US-Filme, in Italien und Spanien gedreht, wie “Der Goldene Sattel,” “Texasfieber,” “Aufruhr in Laredo” und “Der Letzte Schuss” waren äußerst populär in der Nachkriegs-Zeit, als es keine deutsche Film-Industrie gab und die “Spaghetti-Filme” aus Südeuropa vorherrschten.
Einige Quellen führen Symbole wie z.B. das Hakenkreuz auf die amerikanischen Indianer zurück. Tatsache ist jedoch, dass der bekannte deutsche Archäologe Heinrich Schliemann dieses Symbol bei seinen Ausgrabungen in Troja und anderswo in Europa fand und es Adolf Hitler als ”wichtiges Symbol unserer arischen Vergangenheit” vorstellte.
Buffalo Bill wurde in 1846 als William Frederick Cody in Iowa geboren. Sein Vater war gebürtiger Torontonier, und Bill Cody lebte mehrere Jahre in Toronto bevor seine Familie in den Mittleren Westen der USA zog. Er starb im Januar 1917, auf einem Besuch in den Bergen bei Denver, Colorado, wo er begraben werden wollte.
Soweit das “Vorwort” über mein Indianer-Wissen bei meiner Ankunft in Kanada in 1954. Meinen ersten Indianer traf ich eigenartigerweise im August 1955 in einem Zeltlager in der Elora Gorge, einer Schlucht des Grand River in Süd-Ontario, wo sich eine deutsche Pfadfinder-Truppe auf das Welttreffen der Pfadfinder bei Niagara-on-the Lake vorbereiteten.
Ich sollte durch unsere Besuche auf den Reservaten in Süd- und Nord-Ontario, in Quebec und in British Columbia in den späteren 1950’er und fruehen 1960’er Jahren, besonders auf vielen Camping Trips auf der Cape Croker Reservation nahe Owen Sound, Ontario, bald sehr viel mehr über die kanadischen “Indianer” lernen und dort auch Bekanntschaften mit einigen schliessen, wie z.B. Chief Ralph Akiwenzie, in dessen Laden auf dem Cape Croker Reservat wir oft einkauften, und Chief Wilmer Nadjiwon, auf dessen Land wir unser Zelt aufbauten, nachdem unsere erste Tochter Tamara ein Jahr alt wurde.
Cape Croker Anishnaabe Reserve
In Kanada gibt es 2.267 First Nation Reservate auf insgesamt 2,6 Millionen Hektar Land (0,2 % der Landfläche von Kanada). 316 Reservate in BC, 140 in Alberta; 782 in Saskatchewan; 376 in Manitoba; 2016 in Ontario; 30 in Quebec; 42 in Nova Scotia; 28 in New Brunswick; 2 in Prince Edward Island und 3 in Newfoundland-Labrador, 2 In den Northwest Territories; keine in Nunavut.
Das größte First Nation Reservat in Kanada ist das St.Mary und Belly River Reservat (Kanai) mit 1.414 qkm in Alberta. Die am meisten bevölkerten sind das Akwesasne Reservat in Quebec (Mohawk) und das Six Nations Reservat (Haudenosaunee) in Süd-Ontario.
Da es in den letzten 60 Jahren einige Änderungen in ihrer Anzahl gab, habe ich auf die letzten Statistiken von 2018 und 2016 zurückgegriffen. In Ontario gibt es heute 205 Reservate mit 123 First Nations. Von den 215.205 registrierten Mitgliedern der First Nations leben 46% in Reservaten der Anishnaabe, Cree, Oji-Cree, Haudenosaunee, Delaware und Algonquin Stämme und ihrer Untergliederungen. Einige wenige Reservate haben keine Ländereien.
Cape Croker Pow-Wow
In Ontario nehmen die Reservate nur etwas weniger als 1 Prozent der gesamten Landfläche ein. Als Vergleich umfassen die Provizialparks etwa 9 Prozent der Gesamtfläche. Das größte Reservat ist Wikwemikong auf Manitoulin Island in Ontario mit 426 qkm (zum Vergleich: Die Stadt London, Ontario umfasst 420 qkm).
Zuletzt auch noch einige Kommentare über die Verwaltung der zahlreichen Reservate. In Kanada war das Indian Affairs Department von 1864 bis 1966 die maßgebliche Regierungsstelle für alle Angelegenheiten der indianischen Bevölkerung.
Erst in 1966 fand die offizielle Umbenennung von “Indian” auf “indigenous” statt, und zwar unter Prime Minister Lester Pearson, durch die Formierung des “Department of Crown-Indigenous Relations and Northern Affairs” unter dem Northern Affairs Act und später durch den “Constitution Act” von 1982, welcher die Rechte der eingeborenen Völker unter der “Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker” anerkannte. Ein Teil der Verantwortung für die Angelegenheiten der First Nations, Metis und Inuit wurde durch Zustimmung einzelner Provinzen an diese übergeben.
Cape Croker Schoolhouse
In 1999 wurde das Department unter Prime Minister Jean Chretien umbenannt auf “Aboriginal and Northern Affairs”. Prime Minister Stephen Harper wiederum benannte das Department in 2011 auf “Aboriginal Affairs and Northern Development” um. Von einer zwischenzeitlichen Umbenennung auf “Indigenous and Northern Affairs” wusste kaum jemand etwas, bis Prime Minister Justin Trudeau es am 4. November 2015 während seiner Vereidigungs-Zeremonie erwähnte. Carolyn Bennett, eine Medizinische Doktorin aus Toronto, wurde “Minister of Crown-Indigenous Relations”.
Im August 2917 wurde von der Trudeau-Regierung die Auflösung des “Indigenous and Northern Affairs Department” (effektiv 15. Juli, 2019) bekannt gegeben und zwei neue Ministerien geschaffen, zweifellos um noch einen seiner Anhänger in die Regierung zu bringen. Carolyn Bennett wurde “Minister of Crown-Indigenous Relations”. Für die “Ministry of Indigenous Services” wurde der Franko-Kanadier Marc Miller als Minister eingesetzt.
Einige meiner Gedanken zum Schluss dieses Beitrags: würde Kolumbus heutzutage in Kanada landen wäre der Begriff “Indians” (Einwohner von “Indien”) nicht unangebracht. Die ersten Inder kamen in Kanada in 1904 an, damals hauptsächlich Sikhs, welche eine neue Heimat in British Columbia suchten.
In 2016 lebten beinahe 670.000 Inder In Kanada. Seitdem ist diese Ziffer um etwa 200.000 gestiegen. Zusatzlich studieren etwa 220.000 Inder als erlaubte “International Students” an Universitäten und Privatschulen in Kanada.
Städte wie Mississauga, Brampton und Markham ziehen bereits seit 40 Jahren indische Immigranten an. In Brampton, durch die Nähe des Toronto International Airport als Arbeitsplatz, lebten in 2016 insgesamt 123.000 Inder, hauptsächlich Sikhs. In einer Stadt von einer halben Million Einwohnern ist das schon ein sehr sichtbarer Faktor. In Mississauga leben 55.000 Inder. Das sind etwa 27% der Einwohner dieser Stadt.
Besonders die Sikhs sind sehr aktiv in Kanada’s Politik, besonders in der Liberalen Partei. Vier der augenblicklich 37 Minister im Kabinett von Prime Minister Justin Trudeau sind Inder, darunter auch zwei Frauen.
Damit vollzieht sich also der Kreis von “Columbus-Indians” zu den heutigen “Indians” in Kanada.
(Anmerkung: Die Verantwortung für die Wahl der Bilder in diesem Beitrag liegt einzig und allein bei dem Autor unter der Fair Dealing Provision der kanadischen Copyright-Gesetze)
4 Kommentare
Wer heute z.B. am Flughafen Toronto landet – glaubt tatsächlich in Bombay oder Calcutta gelandet zu sein. Taxifahrer mit Turban – Sicherheitsbeamte mit derselben Kopfbedeckung an fast allen Kanad. Flughäfen.
Wie sagte doch ein bekannter Journalist/Schriftsteller: Wer Kalkutta einlädt – wird zu Kalkutta.
Dazu kommt das sie kaum integrierbar sind. Dem ist nichts hinzuzufügen!
Aber es gibt doch noch etwas hinzuzufuegen, Gary. Die Inder – und hauptsaechlich die Sikhs – kamen nach Toronto und besonders nach Brampton, weil es dort fuer sie Arbeit und relative billigere Haeuser gab als in der Stadt. Ihre Arbeit am Flughafen wollte kein Kanadier machen, teilweise natuerlich auch wegen minderer Bezahlung.
Die Haeuser in Malton am Flughafen wurden in den 1940’er Jahren urspruenglich fuer britische Immigranten aus den armen Gegenden von England gebaut, wo sie in minderwertigen Unterkuenften lebten.
Die Haeuser in Malton haben, im Gegensatz zu normalen kanadischen Haeusern, keine Keller sondern wurden einfach bereits vorgebaut und auf Betonplatten gesetzt.
Die beiden (britischen) Flugzeug-Fabriken A V Roe und Canadair beschaeftigten nur Briten, wie meinem Vater ja sofort nach unserer Ankuft mitgeteilt wurde (sorry, we don’t hire Germans!).
Das sich die alten Sikhs nicht integrieren stimmt zwar, aber ihre Kinder machen es auf jeden Fall, und zwar bis in die hoechsten Stellungen als Politiker, Rechtsanwaelte und active Unternehmer. Dasselbe passierte mit den Sikhs in der zweiten Region Kanada’s, in Vancouver, dem Flughafen dort und in der landwirtscheftlichen Gegend suedlich von Vancouver am Fraser River und Valley.
Man muss sie aber auch damit kreditieren, dass sie, (im Gegensatz zu den Deutschen, bei denen das selbst sehr oft nicht in der Ersten Generation klappte, zusammen hielten und ihre Traitionen aufrecht erhielten.
Die deutschen Klubs bestehen zwar noch, sind aber oft wegen mangelnder Unterstuetzung finanziell nicht gut situiert und stottern sich nur mit wenig Geld durch. Nur den wenigen, welches ich auch auf die Jugend stuetzten (mit Fussball-Klubs und dergleichen) sind noch vollaktiv.
Als ehmaliges Mitglied des Hansa-Klubs in Brampton und Besucher vieler ihrer Aktivitaeten weiss ich wie hart ihre Voluntaer-Mitglieder daran mitarbeiten.
Auch hier in Wasaga Beach gibt es einen Deutschen Klub dessen Aktivitaten allerdings jetzt durch die Covid-19 Gesetze nicht mehr stattfinden duerfen.
Absolut aufschlussreich. Ich bin begeistert von Peter Idens Berichte.
Mit Verlaub, ich schätze die Berichte und Ausführungungen von Peter Iden sehr. Aber hier hat er doch ein etwas verklärtes Bild von den Ureinwohnern Kanadas dargestellt. Die Geschichte der “Indianer” bzw. der Ureinwohner Nordamerikas begann schon tausende Jahre vor der Gründung von Kanada und den USA. Hier einen Bogen zu den eingewanderten Indern im Zusammenahng mit den Ureinwohnern (Indianern) Kanadas herzustellen grenzt schon an Satire und hat mit der Geschichte der “Indianer” Nordamerikas nichts zu tun.
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Hallo, Ralf-Dieter: Was ich geschrieben habe ist , dass nicht nur Columbus sondern auch mehrere andere europaeische Kolonisatoren erwarteten, Indien auf ihren Fahrten zu finden und, durch ihre Erwartungen fehlgeleitet, die Eingeborenen als “Indians” (Inder) benannten, Dass heutzutage die “richtigen” Inder so zahlreich in der noramerikanischen Bevoelkerung vertreten sind, ist fuer mich zumindest ein Zeichen dass (wie ich schrieb) sich damit der volle Kreis von “Columbus-Indians” zu den heutigen “Indians” in Kanada vollzogen hat. Daran ist wohl kaum etwas zu bezweifeln.
Was die Geschichte der Indianer anbetrifft, so sind die Fahrten der Wikinger sowie die der Kolonisatoren, Eroberer und Erforscher 500 Jahre nach den Wikingern in dieser Hinsicht nur ein minimaler Zeitabschnitt, der kaum mehr als ein “Kennenlernen” repraesentiert.
Der wahre Ursprung der nordamerikanischen Indianer (ich bleibe bei diesem Begriff) ist immer noch ungeklaert. Verschiedenen Archaeologen und andere Wissenschaftler haben da diverse Theorien, darunter die alte (ueberholte) Bering-Strasse-Ueberwanderung sowie die schiffliche Kolonisation aus Europa und/oder Asien.
Falls dich weitere Recherchen in dieser Richtung interessieren, darf ich dir vielleicht vier neue Buecher empfehlen, welche diverse archaeologisch begruendete Theorien enthalten.
First Peoples in a New World by David J. Meltzer – 2003 – Colonizing Ice Age America.
The First Americans by J.M. Adovasio with Jake Page – 2003 – In Pursuit of Archaeology’s Geatest Mystery.
Strangers in a New Land – 2016 – What Archaeology reveals about the first Americans – by J.M Adovasio and David Pellar.
Atlas of a Lost World by Craig Childs – 2018 -Travels in Ice Age America.