“Groundhog Day”
An einem bewölkten Dienstag, dem 2. Februar 2021, wurde die Länge und Härte des Ontario-Winters von einem Murmeltier vorausgesagt. Es war wie in jedem Jahr der “Groundhog Day” in ganz Kanada und den Vereinigten Staaten. Wir dürfen uns auf einen frühen Frühling freuen. So sagte es uns “Wiarton Willie II”, Nachfolger von “Wiarton Willie I”, seit 1957 der Prophet des Winter-Wetters in Ontario.
“Willie I” war ein Groundhog (Marmota Monax), ein auch als “Woodchuck” bekanntes Murmeltier. Es gehört zu einer Gruppe von Nagetieren welche im Flachland von Nordamerika in Kanada und in dem nordöstlichen Amerika sowie in Alaska leben. Ihre Cousins, die Gebirgs-Murmeltiere (Hoary Marmot – Marmota caligata), leben im Westen Nordamerika’s in den Rocky Mountains.
Ihr zweiter Name “Woodchuck” hat seinen Ursprung in einem falschen Verständnis ihres indianischen Namens, den Algonquin “wejak” oder “wuchak”.
Wenn die Murmeltiere ihre Erdhöhlen am Ende ihres Winterschlafs verlassen (angeblich am jedem zweiten Februar-Tag) und man ihren Schatten sehen kann, soll es einen langen und harten Winter geben.
Die Legende von Wiarton Willie wurde in 1956 geboren, as ein jovialer schottischer Einwohner von Wiarton, einem kleinen Ort am Fuße der Georgian Bay entschied, dass die Bewohner gegen Ende des langen kanadischen Winters einen Lichtblick auf das Wetter der nächsten zwei bis drei Monate haben sollten, um diese Monate, in denen es keine National-Feiertage gibt, seelisch zu überbrücken.
Mac Mackenzie entschied, dass der 2. Februar fortan als “Groundhog Day” gefeiert werden sollte, und das seine Einladung, diesen Tag zu zelebrieren, an alle Freunde, Verwandte und Bekannte der Einwohner geschickt werden sollte. Weil Mac als ein Witzbold bekannt war, wurde seine Einladung von fast allen ignoriert, bis die Stadt Wiarton entschied, dass es auch ein Anziehungsgrund für Touristen sein würde.
Ein Reporter wurde daher von dem Toronto Star nach Wiarton entsandt, um die Geschichte zu dokumentieren.
Was er dort in einer Bar fand war eine lustige Gruppe von Wiarton-Einwohnern, welche den Tag auf ihre Art feierten.
Als er nach Wiarton Willie fragte, nahmen sie ihn nach draußen, gruben ein Loch in den Schnee und sagten ihm, dass Willie noch zu müde war, um heraus zu kommen. “Tut uns leid,” meinte eine der feiernden Frauen und warf ihre braune Pelzmütze auf den Schnee. So wurde der kanadische Brauch einer Pelzmütze anstatt des Tieres zu benützen, geboren.
Heutzutage besuchen Tausende von Menschen die kleine Stadt Wiarton am 2. Februar. Nur wenige von ihnen wissen, dass es seit 1956 viele Wiarton Willies gab, denn die Lebensdauer von Groundhogs in der Wildnis ist nur 4 bis 6 Jahre, ein wenig länger, wenn sie in Gefangenschaft leben.
Willie’s Vorgänger, der erste Albino-Groundhog, starb während seines Winterschlafs in 1998/1999. Niemand merkte es bis wenige Tage vor dem Tag seines Aufwachens am 2. Februar 1999. Er war tot und bereits teilweise verwest.
In aller Eile wurde eine Puppe geschaffen, die mit Münzen als Augen und einer Karotte in ihren Klauen in einem kleinen Zedernsarg den Menschen gezeigt wurde. “Die Public brauchte einen Beweis seines Ablebens”, meinte das Publcity Team von Wiarton.
Der erste Willie des neuen Jahrhunderts, ein Albino (natürlich weiter als “Wiarton Willie” bekannt), starb am 29. September 2017, laut der Medien im Alter von 13 Jahren. Sein wahres Alter ist jedoch fraglich für jeden, der Mathematik beherrscht.
Als sein Nachfolger wurde wiederum ein Albino-Groundhog erwählt. Als dieser in 2021 zu müde zum Erscheinen war, wurde die alte Tradition mit dem Wurf einer Pelzmütze (aber dieses Mal eine weiße), wieder auferweckt.
Die Bürger von Wiarton sind aber keine dummen Schildbürger. Wegen der Kurzlebigkeit der Tiere haben sie bereits den nächsten Albino-Willie auf Lager. “Wee Willie” lebt bereits in Wiarton. Um auf Nummer Sicher zu gehen, wurde auch gleich noch ein weiterer Willie (“Wee Willie II”) angeschafft. Ein Erbschafter und dazu ein Doppelgänger, wie in der Politik!
Erstaunlich, wie die Öffentlichkeit heutzutage dem Touristen-Rummel zum Opfer fällt!
Nicht nur Wiarton, sondern auch andere Städte in Nordamerika kopierten die Idee des “Groundhog Day” und haben heute ihre eigenen Murmeltiere.
In Kanada haben ebenfalls mehrere Städte ihre eigenen Groundhog Days, was oft mit einigen organisatorischen Problemen verbunden ist.
So starb z.B. “Winnipeg Willow” wenige Tage vor dem Tag seiner/ihrer Auferweckung in 2016.
Und Winnipeg Wyn, Willow’s Nachfolger, wartete auch nicht auf Erweckung, sondern starb schon mehrere Monate vorher im August 2020.
Fast überall in Kanada dürfen Groundhogs ohne Lizenz oder zeitliche Begrenzungen und Jagdzeiten getötet werden. Die Farmer regen sich besonders über die Löcher der Tierbauten auf, angeblich weil sie Fußfallen für ihre Herdentiere (Kuhe, Schafe usw.) sind.
Die Groundhogs werden daher Abschussziele für die Farmer und schussfreudige “Jäger”, bei denen sie wiederum mit ihrem zarten, deliziösen Fleisch als vegetarisch lebende und äußerst gesund aufgewachsene essbare Tiere bekannt sind
Bei den deutschen Eltern einer meiner Freundinnen wurde ich einmal zum Groundhog-Essen eigeladen und muss leider übereinstimmen mit dem guten Geschmack, obwohl ich als Naturfreund danach nie wieder “Woodchuck” gegessen habe.
Jedenfalls ist “Shubenacadie Sam” in Nova Scotia das erste Groundhog das in Kanada am 2. Februar die Winterlänge proklamiert.
“Two Rivers Tunnel” im Two Rivers Tunnel Wildlife Park auf Cape Breton Island in Nova Scotia ist der Zweite, “Fred La Marmotte” in Val d’Espoir, Quebec ist der Dritte.
“Gary the Groundhog” in Kleinburg, Ontario, etwas nördlich von Toronto konnte ich leider nicht dort auffinden. Wahrscheinlich ist er wegen der vielen neuen Häuser der dortigen Subdivisions und der dadurch Abwesenheit von Feldern ausgewandert!
“Chilly Charlie” lebt in Woodstock, Ontario. Alles was ich über ihn finden kann ist, dass man dort am 2. Februar im South Gate Center Pfannkuchen essen kann.
“Oil Springs Ollie” lebt in Süd-Ontarios “Oil Country” nahe Petrolia, eine Gegend die sich damit brüstet, das dort das erste Öl in Nordamerika gefunden wurde.
Brandon Bob in Manitoba ist eine nicht bestehende Fantasie-Figur der Medien.
Manitoba Merv ist eine Groundhog-Puppe welche am 2. Februar jeden Jahres in der Oak Hammock Marsh, einem Sumpfland bei Stonewall in Manitoba, nach draussen genommen wird und dort das Wetter voraus sagt. As OHM kann sich wohl kein lebendes Groundhog leisten!
In Saskatchewan gibt es zwar jede Menge von Groundhogs, aber keine Groundhog Day Feste. Aber Humboldt hat “Carlo the Coyote”, der in der Stadt spazieren läuft aber niemals das Wetter bekannt gibt.
Ob die Essbarkeit der Groundhogs ein Grund dafür ist, dass der “Balzac Billie” in Calgary, Alberta kein Groundhog, sondern ein als Groundhog verkleideter Mann ist, der in einem Calgary Garten-Zentrum als Reklame für ein Pfannkuchen-Essen jährlich erscheint, ist mir nicht bekannt.
British Columbia wollte natürlich auch nicht ohne ein Wetter-Tier bleiben. Die dortigen Murmeltiere sind die hochnäsigen Verwandten der Flachland-Murmeltiere.
Adam Taylor, Direktor der Marmot Recovery Foundation auf Vancouver Island, sagte kürzlich mit einiger Ironie: “Van Island Violet sagt uns unser Wetter voraus. Wir haben eine lange Geschichte. Schon seit mehr als drei Jahren haben wir unser eigenes Wettertier”.
Das Vancouver Island Marmot ist ein nur in zwei Gebirgsgegenden bei Nanaimo und Mt. Washington lebendes, schokoladenfarbiges Murmeltier (Marmota Vancouverensis) , und eines der größten Mitglieder der Eichhörnchen-Familie. Es wird als ein durch Ausrottung bedrohtes Spezies betrachtet.
Zehn Städte in den USA, von Alabama bis Wisconsin, haben ihre eigenen Groundhog Days, welche oft mehrere Tage lang an Wochenenden stattfinden und viele andere Attraktionen bieten.
Die Amerikaner (wie immer) bestehen darauf, dass ihr “Punxsutawney Phil” in Punxsutawney, PA schon seit 1886 das Wetter voraus sagt, und dass alle anderen ihn kopiert haben. Sie haben jedoch kein Recht damit, dass der Brauch aus Amerika kommt.
Geschichtlich stammt der Brauch aus aus einem alten Aberglauben der “Pennsylvania Dutch” dass die Igel ihrer pfälzischen Heimat , wenn sie im Februar aus ihrem Bau unter der Erde heraus kommen und ihren Schatten sehen, sich dann wieder zurückziehen und sechs weitere Wochen in ihrem Winterschlaf verbringen.
Sehen sie jedoch keinen Schatten, dann bleiben sie draussen, denn es gibt einen frühen Frühling. Der deutschstämmige “Grundsautag” der Pennsylvania Dutch ist daher die Quelle des Begriffs “Groundhog Day”.
Weil es in Nordamerika keine Igel gibt, transferierten sie ihren Aberglauben auf die hier häufig lebenden Groundhogs, die ebenfalls wie Igel in ihren Höhlen unter der Erde leben.
Mein liebster Spielgefährte in meiner Jugend war ein Igel, der in unserem Garten unter unserem Schuppen wohnte. Aber wir hatten keinerlei Aberglauben über ihren Zweck in unserem Garten. Sie fraßen Käfer, Tausendfüßler, Raupen, Regenwürmer und Schnecken, welche sich an unseren Gartenfrüchten und Gemüse ergötzten.
Die Popularität von Igeln als Spielgefährten wurde in Deutschland ja genügend in den Instagram und anderen Sozialen Medien ausgekostet, zuerst mit Mister Pokee, und neuerdings mit Herbee.
Interessant ist eine Aufnahme eines Pennsylvania Dutch Frauenchors, dem “Doppelhocken Sänger Chor”, welcher ein “Grundsau Medley” aus dem Programm “Deitsch Stunn” (Deutsche Stunde) singen, aufgenommen von “Hiwwe wie Driwwe”, einer Berks County TV Station in Pennsylvania.
Dazu eine kleine Pennsylvania-Dutch Dialekt-Probe:
(Anmerkung: die Auswahl der Bilder in diesem Beitrag liegt einzig und allein in meiner Verantwortung unter der Fair Dealing Provision der kanadischen Copyright-Gesetze).