In den späten 1950’er Jahren unternahm unsere Gruppe deutschsprachiger Freunde (hauptsächlich ausgewanderte Pfadfinder aus Hamburg) jedes Jahr mehrere Kanu-Ausfahrten an für uns unbekannten Orten wie den French River, Killarney Park, Algonquin Park und den Magnetawan River im Norden Ontarios.
Oft wurden wir von Besuchern aus Deutschland begleitet, für die, wie auch für uns, diese Kanufahrten unvergleichliche Ereignisse waren. Es war die Zeit der Sputnik-Raketen und dem damit beginnenden Weltall-Rennen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten. Wir lagen auf den Milliarden Jahre alten Felsen Kanadas und sahen sie ihre Kreise um unsere Erde ziehen, während wir die Zukunft der Welt diskutierten.
Wir brauchten einen Namen für unsere Gruppe und mein Vorschlag „Voyageurs“ wurde von allen angenommen, denn ich kannte etwas von der kanadischen Geschichte. Wie wenig wussten damals die Europäer über die wahren Voyageurs, welche halfen, Kanada zu dem zu machen, was es heute ist. Und was wussten wir schon über die unglaublichen Gewichte der Felle und Handelswaren, welche diese Arbeiter auf ihren Rücken durch die kanadischen Wälder tragen mussten, während wir über unsere 30 kg schweren Kanus fluchten!
Die kanadischen Voyageurs
Die Voyageurs wurden von den großen französischen Pelzhandelsfirmen in Nouvelle France (Neu-Frankreich) angeheuert, um Pelze und andere Güter zwischen dem St. Lorenz Strom und den westlichen Handelsposten zu transportieren. Nachdem die Briten den gesamten Handel nach ihrem Sieg über die Franzosen in Europa übernommen hatten, dehnten sie das von den Voyageurs bereiste Gebiet auf den Nordwesten des Kontinents aus.
Die „Voyageurs“ waren die vorwiegend französisch-kanadischen Kanu-Transport-Arbeiter, welche den organisierten Transport von Fellen und Handelswaren über lange Entfernungen im Inneren Nordamerikas vollbrachten. Sie arbeiteten unter Lizenzen zuerst für die französischen, später für die großen britischen Firmen wie die Hudson’s Bay Company.
Das Normalgewicht, welches die Voyageurs trugen, waren zwei Bündel Felle von insgesamt 180 lbs (80 kg). Einige von ihnen trugen mehr, es gibt Berichte von Voyageurs mit 5 und mehr Bündeln und die Legende von einem, der 8 Bündel trug. Leistenbrüche waren keine Seltenheit bei solchen Ladungen, und in den Wäldern ohne medizinische Hilfe oft tödlich.
Die Weigerung der heutigen Transport-Arbeiter, Paket-Sendungen im Gewicht von mehr als 18 kg (40 lbs) trotz Hilfsmitteln wie Handkarren persönlich an die Tür zu bringen, ist ein Zeichen der Verweichlichung der Transport-Arbeiter heutzutage, welche von ihren Gesellschaftern befürwortet wird und sogar gesetzlich festgelegt wurde.
Die meisten Voyageurs begannen ihre Karriere im Alter von etwa 20 Jahren und hörten mit etwa 60 Jahren auf. Sie verdienten sehr wenig, gaben fast alles schnell wieder aus und hatten niemals genügend Geld für das Alter. Die Glorie des Berufs war nur eine Legende!
Die “Coureurs des bois” (Waldläufer) waren unabhängige und unternehmungslustige, meistens ebenfalls französisch-kanadische Händler, die in Neu-Frankreich (Nouvelle France) und dem inneren Nordamerika reisten und mit den Eingeborenen handelten, d. h. diverse europäische Produkte gegen Felle eintauschten. Sie arbeiteten für ihren eigenen Profit, was sie in den Augen der großen Trading Corporations (z. B. der Hudson’s Bay Company) illegal machte, denn sie hatten keine Lizenzen von diesen. Einige Coureurs lernten die Eingeborenensprachen und heirateten eingeborene Frauen.
Die Métis
Die Métis sind eine der drei anerkannten Volksgruppen in Kanada, Nachkömmlinge aus Ehen zwischen den Original-Einwohnern Cree, Ojibwa, Salteaux, Menominee und Französisch-Kanadiern, Schotten und Engländern, also aus Mischehen zwischen Europäern und einheimischen Kanadiern. Der Begriff „Métis“ stammt ab vom lateinischen „mixticus“ (gemischte Rasse, ein Begriff, mit dem wir heute weitgehend und weltweit bekannt sind). Ihre Sprache ist „Michif“, eine Mischung, welche noch heute von den Metis in West-Kanada und den benachbarten USA gesprochen wird, hauptsächlich Cree, mit französischen Hauptworten. Ein „Mestize“ dagegen ist eine Person gemischter und einheimischer nordamerikanischer Abstammung.
Ein wohl allen Kanadiern bekannter Métis ist Louis Riel, der politische Gründer der Provinz Manitoba und Anführer zweier Widerstandskämpfe gegen die kanadische Regierung. Er wurde am 16. November 1885 im Alter von 41 Jahren von der RCMP in Regina als Verräter erhängt.
Quelle: Sid Richardson museum
Die „Engagées“
Erhöhte Kosten für die organisierten Voyageurs bewirkten die Entwicklung einer neuen Klasse von Transport-Arbeitern in der kanadischen Fell-Industrie: die „Engagées“, praktisch Sklaven ihrer Arbeitgeber, die als verschuldete oder gesetzlich bestrafte Menschen ohne Bezahlung, entweder mit ihrer Zustimmung oder durch gesetzlichen Zwang, auf mehrere Jahre in Europa verpflichtet wurden. Später wurde es auch ein Weg für junge, starke Männer, Nordamerika ohne Bezahlung der Überfahrt zu erreichen. Engagées konnten von ihren Eigentümern wie Sklaven verkauft werden.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert erreichte die Zahl der unabhängigen Coureurs-des-bois ihre Spitze durch die Einwanderung zahlreicher Franzosen und Engländer. In 1680 sollen in Kanada ungefähr 800 Coureurs des bois gelebt haben. Nach 1681 wurden sie durch die vom Staat Nouvelle France begünstigten Voyageurs abgelöst, welche als Angestellte der mächtigen, lizenzierten Pelzhandelsfirmen keine Kontrolle über ihr eigenes Leben hatten. Viele der Einwanderer aus dem erbärmlich armen, klassenbewussten Europa wählten daher ein Leben als Coureurs des bois und erschlossen ganz Kanada für den Pelzhandel. Sie wurden zum Symbol der Größe und Freiheit des Landes.
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2 Kommentare
Gary, die beiden Beitraege ergaenzen sich sehr gut in Inhalt und Praesentation. Waehrend unserer “Kanuzeit (in Kanada ist es eigentlich immer, ausser im Winter, sangen wir oft die “Paddle Rhytm Songs” wie “En roulant ma boule” und meinen Lieblings-Canoe-Song “Land of the Silver Birch”. Sie halfen den Rhytmus der Paddel aufrecht halten.
Land Of the Silver Birch…Home of the Beaver
Es ist vor allem bei langen Strecken, ein See z.B. der kein Ende nehmen will, sehr hilfreich und motivierend. :)