Nur zu Schiff erreichbar – die größte Seevogelkolonie Kanadas
Diese Vogelinsel ist wirklich ein Besuch wert! Denn auch wenn man nicht passionierter Ornithologe ist, so ist es sicherlich für jedermann berührend, sich fast inmitten von Tausenden von Seevögeln begeben zu können, wie es am Nordufer der Insel möglich ist. Die Insel Bonaventure ist nämlich in einen Nationalpark mit dem langen Namen Parc national de l’Île-Bonaventure et du Rocher-Percé eingegliedert, jedoch lediglich 5,8 Quadratkilometer groß.
Trotz seiner geringen Ausmaße wir, er pro Jahr von über 200.000 Besuchern aufgesucht. Das Parkgebiet teilt sich auf in den 300 Millionen Jahre alten, riesigen Felsblock, den Rocher-Percé (zu Deutsch: durchlöcherter Fels) sowie das ausschließlich von Seevögeln bewohnte Eiland l’Île-Bonaventure, hinzu kommen die umgebenden Meereszonen des Atlantiks. Die Insel sowie der Fels sind nur mit dem Schiff von Percé aus erreichbar. Bei sehr hohen Windstärken, die am Atlantik nicht selten vorherrschen, fahren jedoch keine Schiffe.
Der Park liegt nahe dem kleinen Hafenort Percé mit 3.500 Einwohnern im Osten der Gaspésie-Halbinsel. Das Wahrzeichen des Ortes sowie der gesamten Region ist der 88 m hohe und 438 m lange Kalksteinfelsen Rocher-Percé, den man bei Ebbe zu Fuß zu erreichend konnte, bis die Nationalparkverwaltung nach einem größeren Felsenrutsch 2003 den Zugang vier Jahre später aus Sicherheitsgründen sperren ließ.
In früheren Jahren war der „durchbohrte Felsen“ einmal mit dem Festland verbunden. Als Jacques Cartier, der französische Forscher und Entdecker 1535, mit seinem Schiff vor Ort ankam, berichtete er noch von drei Bögen im Felsen. Auf einem historischen Stich von Pierre Charles Cannot aus dem Jahre 1768 sind nur noch zwei Löcher zu sehen. Der letzte Einsturz fand genau am 17. Juni 1845 statt, der dadurch einen getrennten Felsenpylon stehen ließ. „Unser Wahrzeichen verliert im Durchschnitt pro Jahr etwa 1 Tonne Material, sozusagen die Ladung eines Lkws. Wenn die Erosion diesen Rhythmus beibehält, könnte das Loch im Rocher-Percé in vier- bis fünfhundert Jahren verschwunden sein – aber ganz genau kann man es nie vorhersagen!“ so Rémi Plourde, Direktor des Parc national de l’Île-Bonaventure et du Rocher-Percé.
Die dortige Meeresregion wurde wegen ihrer reichen Kabeljauvorkommen bereits Ende des 17. Jahrhunderts von Fischern aus der Bretagne, dem Baskenland und der Normandie ausgebeutet, die mit ihren Schiffen bis nach Kanada segelten. Wenig später ließen sich vor allem britische, irische und normannische Fischfangunternehmen nieder, unter anderem die heute noch bestehenden „Boutillier Brothers“ mit Sitz in L’Anse-au-Griffon.
Als Kanada mit den USA im Jahr 1919 das Abkommen zum Schutze der Zugvögel abschloss (Migratory Bird Convention), wurde die Insel Bonaventure bereits unter Schutz gestellt. 1971 erwarb die Provinzregierung von Québec die Insel, drei Jahre später folgte der Rocher-Percé, bis 1985 der heutige Nationalpark eröffnet wurde. Das Gebiet wurde insbesondere unter Schutz gestellt, weil das Parkgebiet die größte Basstölpelkolonie Kanadas sowie Nordamerikas (!) beherbergt und weil auch sonst zahlreiche Zugvögel die Bonaventure-Insel aufsuchen. Es wurden bislang 293 verschieden Vogelarten bestimmt, darunter die Dreizehenmöwen, Trottellummen, Seeschwalben, Gryllteisten, diverse Alkenvögel wie der Tordalk, Silber- und Mantelmöwen, Kormorane, Ohrenscharben und Papageitaucher. Das vollständige Zugvogelschutzgebiet inklusive Nationalpark umfasst knapp 13 km², davon sind exakt 4,67 km² Land- und 8,32 km² Seefläche.
In der Brutperiode, die etwa von Anfang April bis Anfang Oktober dauert, leben rund 120.000 Basstölpel auf den steil abfallenden Felsen der Insel. Zusammen mit anderen Spezies sind es mehr als 200.000 Seevögel. Der Name des Vogels aus der Familie der Tölple, Ordnung Suliformes entsprang eher einem Missverständnis, aus Unkenntnis und Ignoranz sowie dem früher vollständig fehlenden Verständnis für die Tierwelt!
1448 wurde bereits eine große Brutkolonie auf der schottischen Felseninsel „Bass Rock“ erwähnt, die zum deutschen Begriff Basstölpel (Morus bassanus) führte. Aber auch wegen seines unbeholfenen Ganges des etwa gänsegroßen Vogels an Land. Portugiesische Seefahrer schimpften den tropischen Brauntölpel als Bobo, also „Dummkopf“, weil die Vögel ausgesprochen einfach zu erbeuten und waren, um sie zu verspeisen. Von französischen Fischern wurden sie als besonders „tölpelhaft“ angesehen (franz. Fou de Bassan, zu Deutsch “Blöder/Dummer/Verückter von Bassan”), da die Vögel fast immer ohne Beute im Schnabel wieder auftauchen. Denn im Gegensatz zu anderen Seevögeln verschlucken die flinken Tiere ihre Beute schon unter Wasser!
Der Basstölpel ist ein Stoßtaucher, der mit fest angelegten Flügeln im Sturzflug ins Meer eintaucht, um so nach Fischen zu jagen, die es in den Küstengewässern um das Parkgebiet reichlich gibt. Biologen haben Sturzflüge von bis zu 100 km pro Stunde beobachtet. Basstölpel sind in der Lage, ihre Beutefische aus Höhen von bis zu 45 Metern zu erspähen, da beide Augen weiter nach vorne gerichtet sind als sonst in der Vogelwelt. Man kann von Percé und von der Insel aus Basstölpel hervorragend beobachten, wenn sie in Gruppen von 20 bis 30 Tieren jagen.
Anatomische Merkmale dieser faszinierenden Tiere sind ein stromlinienförmiger Körper, lange schmale Flügel, ein in der vorderen Hälfte fein gezähnter Schnabel sowie große Schwimmfüße mit eleganter Zeichnung. Um die Augen zieht sich eine feine, hellblaue Linie, fast wie geschminkt, die dem Tier ein eigentümliches Aussehen verleiht. Das Federkleid ist vollständig weiß, die Spitzen der Flugschwingen sowie der Schwanzfedern sind schwarz. Nur der Kopf hat in eine hellgelbe Färbung, die in weicher Abstufung in den Hals übergeht.
Ansonsten leben nur wenige Kleinsäuger auf der Insel wie der Hermelin, die Weißfußmaus und die nordamerikanische Rötelmaus sowie der Schneeschuhhase und der auch bei uns bekannte Rot-Fuchs. Größere Säugetiere fehlen gänzlich, sieht man von einigen Robbenarten (siehe Foto) einmal ab, die die umgebenden Felsen im Meer gerne als Ruheplatz aufsuchen.
Die Parkwächter haben zwei Fuchsfamilien beobachtet, die sich offenbar als dauerhafte Inselbewohner etabliert haben. Einer der wenigen Singvögel der Insel ist der am Boden brütende, ausschließlich in Nordamerika vorkommende Kappenwaldsänger. Aber auch Pflanzenfreunde kommen durch eine seit gut 40 Jahren sich selbst überlassenen Vegetation auf ihre Kosten. Es ist somit wahrhaftiger Urwald entstanden (siehe Foto). Außerdem hat man bislang 387 verschiedene Pflanzenarten gezählt, darunter einige seltene Gefäßpflanzen sowie Arten einer spezialisierten Flora, die ansonsten nur in arktischen und alpinen Regionen gedeiht.
(Alle Fotos: Marc Lautenbacher)
Lage:
Insel Bonaventure im Parc national de l’Île-Bonaventure et du Rocher-Percé
4, rue du Quai, Case postale 310, Percé (Québec) GOC 2LO
Telefon: 1-418-782-2240
parc.ibrperce@sepaq.com
Geo-Lokalisation (Ortsdaten für l’Île-Bonaventure) ♁ 48° 30′ 7.99″ N, 64° 10′ 7″ W
Anfahrt:
– Mit dem eigenen Auto von Québec-Stadt kommend, die Autoroute 20 in Richtung Rivière-du-Loup bis Trois-Pistoles nehmen (ca. 255 km). Diese wird dort zur route Nationale 132 NORD, der man weiter folgt und man auf weiteren 505 km über Rimouski, Matane und Gaspé das Ziel in Percé erreicht. Die Abzweigung nach rechts bei L’Anse-Pleureuse auf die route National 198 in Richtung Murdochville nicht verpassen! Fahrzeit rund 8 ½ Std. für 760 km.
TIPP: Nur 10 Kilometer oder ½ Std. Fahrzeit länger ist die schönere Strecke entlang des Sankt-Lorenz-Stroms bis Gaspé und Percé, besonders wegen der vielen Fischerdörfchen.
– Busverbindungen ohne Umsteigen von Québec/Gare du Palais bis Percé mit dem Regionalbus der Gesellschaft Orleans Express (www.orleansexpress.com), Fahrzeit rund 12 ½ Stunden.
– Zugverbindungen von Québec Ste-Foy nach Campbellton, Fahrzeit rund 8 Stunden. Umsteigen und mit dem Bus nach bis Percé, Fahrzeit rund 4 Stunden.
– Die Fluglinien Air Canada und Air Canada Express bieten die Strecke von Montréal oder Québec-Stadt bis Gaspé (l’aéroport Michel-Pouliot) das ganze Jahr über an. Flugzeit non-stop rund 1 ½ Std. Von dort mit lokalen Transportunternehmen weiter bis Percé wie PORLIER TAXI unter Tel. 418-368-3131
– Die Mitfahrzentralen „Amigo Express“ und „Covoiturage.ca“ bieten in der gesamten Provinz günstige Mitfahrgelegenheiten von Privatpersonen an. Reservierung über das Mobiltelefon.
Öffnungszeiten: Ende Mai bis Anfang Oktober, täglich 9.00 – 16.00 Uhr, Juli und August bis 17.00 Uhr
Eintrittspreise:
Parkplatz für das Auto 10 CAD neben der Anlegestelle
Schiffs-Überfahrt für Erwachsene 40 CAD ab 0 17 Jahren gratis (Abfahrt 8.30 Uhr)
Schiffs-Überfahrt für Kinder 25 CAD ab 6 – 12 sowie 0 – 6 Jahre gratis (Abfahrt 8.30 Uhr)
Eintritt Nationalpark für Erwachsene 9,50 CAD, Kinder ab 0 – 17 Jahren gratis
Aktivitäten: Wandern (3 km von der Anlegestelle bis zur Kolonie), Tierbeobachtung ohne oder mit Führung von Mitarbeitern der Parkverwaltung, Bootsüberfahrt
Unterkünfte:
– Hôtel La Normandie (gutes Haus mit 45 Zimmern direkt an der Küste, Parkplatz inklusive)
221, route 132 Ouest, Percé (Québec) G0C 2L0
Telefon: 1-418-782-2112 oder gebührenfrei in Kanada unter T. 1-800-463-0820
www.normandieperce.com
– L’Auberge La Maison Rouge (Schönes Vier-Sterne-B&B in historischem Gebäude, Zimmer mit Blick auf den Rocher-Percé)
125, route 132 Ouest, Percé (Québec) G0C 2L0
Telefon: 1-418-782-2227
lamaisonrougeaperce@gmail.com
Webseiten: www.sepaq.com und www.tourisme-gaspesie.com