Jedes Mal, wenn es in unserem Québecer Freundes- oder Familienkreis auf die Îles-de-la-Madeleine [sprich „Il-de-la-Madlähn“] zu sprechen kommt, verfallen sie in schwelgerische Schilderungen und es leuchten ihre Augen. Warum das so ist, konnte uns bislang keiner so richtig erklären. Dies motivierte meine kanadische Freundin und mich, uns einmal selbst von der Magie des Inselarchipels gefangen nehmen zu lassen. Ein aufregender Trip, hinein in den Golf des majestätischen Sankt-Lorenz-Stromes, mitten im Atlantik.
Doch zuerst einmal die Fakten: Die lange unbewohnte Inselgruppe inmitten des Sankt-Lorenz-Golfes wurde das erste Mal im Jahr 1534 durch Jacques Cartier, dem Entdecker Kanadas, bei einer seiner Expeditionen in die neue Welt aufgesucht. Doch fand die eigentliche Besiedelung dieser Inselgruppe erst rund 200 Jahre später statt, als französischstämmige Einwohner, die Akadier, auf dem Archipel Zuflucht suchten. Grund: die damalige britische Kolonialregierung wollte um 1755 alle frankophonen Katholiken auf dem Festland Ostkanadas gewaltsam nach Louisiana in den heutigen USA deportieren.
Dann, 1763, nach der verlorenen, militärischen Auseinandersetzung Frankreichs mit Großbritannien, musste schließlich ganz Neufrankreich von den Franzosen an die britische Krone abgetreten werden. Doch schon zehn Jahre später wurde das Gebiet per Gesetz wieder zu Quebecer Territorium – inklusive aller neun Inselchen.
![Irgendwie magisch: Les Îles-de-la-Madeleine [FOLGE 1] 6 Iles de la Madeleine Flagge Acadien](https://www.kanadaspezialist.com/wp-content/uploads/2024/09/Iles-de-la-Madeleine_Flagge_Acadien.jpg)
Die Flagge der Akadier – überall auf den Inseln zu sehen.
Somit ist die akadische Abstammung den Inselbewohnern, immerhin sind es 85 Prozent, unvergessen geblieben und sie zeigt bis heute ihre Nachwirkungen. Die „Madelinots“, wie sie sich nennen, sind stolz auf ihre Wurzeln und sehen sich gleichwohl als Frankokanadier Québec’s unserer Tage. Bei einem Besuch wird man das Erbe der Akadier überall entdecken: in der Architektur, durch den Fischfang – die Hauptbeschäftigung, in der Musik, der speziellen Gastronomie, in gewissen Traditionen und in den Besonderheiten des lokalen Dialekts.
Außerdem wurden über die Jahre mehr als 400 große und kleine Katastrophen der Seefahrt in der Nähe der Inseln aufgezeichnet. Einige der Schiffbrüchigen retteten sich dorthin und nicht wenige von ihnen beschlossen, sich dauerhaft auf den Inseln niederzulassen. Interessant ist, dass viele „Madelinots“ später wieder zurück aufs Festland emigrierten – sicherlich wegen der Abgeschiedenheit ihrer Inseln – und die an der Nordküste der Provinz Québecs mehrere Ansiedlungen gründeten, wie im Jahr 1850 den Ort Kegaska, 1854 Blanc-Sablon, 1857 Havre-Saint-Pierre, 1855 Natashquan und 1872 Sept-Îles, die alle heute noch existieren.
Eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der Îles-de-la-Madeleine fand dann im Sommer von 1876 statt, als die allererste Schiffsverbindung von Souris auf der l’Île-du-Prince-Édouard aus ihren Betrieb aufnahm, so die Magdalenen-Inseln aus der Isolation holte und gleichzeitig die Ära des Tourismus einläutete. Aktuell leben 12.500 Insulaner im Wesentlichen davon, der pro Jahr rund 50 Millionen Dollar erwirtschaften soll. An erster Stelle steht jedoch nach wie vor der Fischfang als Haupterwerbszweig der Insulaner, insbesondere der mit einer beachtlichen Hummerflotte.
Selbst meine kanadische Freundin Marie war noch nie auf den Inseln, von denen alle so schwärmen und wir kommen überein, endlich selbst eine Reise dorthin zu organisieren. Die Möglichkeiten sind vielfältig: Man kann mit dem Schiff ab Montréal den Sankt-Lorenz-Strom hinauf schippern, was schon zwei volle Tage Reisezeit bedeutet. Oder man nimmt das Flugzeug einer kleinen Regionalgesellschaft und ist in knapp 2 ½ Stunden dort. Die Option ist etwa so teuer wie ein Transatlantikflug! Natürlich kann man auch mit dem eigenen Auto fahren, denn es sind ja bloß schlappe 1.165 Kilometer – einfache Strecke. Aber der Weg ist lang und wenn man die Autofähre verpassen sollte, darf man 24 Stunden warten, bis die nächste kommt. Schließlich entdecken wir eine Busverbindung, die nur in den Sommermonaten einmal pro Woche die doch recht zahlreichen Besucher auf die Magdalenen-Inseln und damit uns beide sicher und zuverlässig hin- und zurückbringt, Fährverbindung mit eingeschlossen. Dazu passt der Preis hervorragend in unser Reisebudget – nur 400 kanadische Dollar pro Person, und das für Hin- und Zurück!
![Irgendwie magisch: Les Îles-de-la-Madeleine [FOLGE 1] 7 Iles de la Madeleine FAehre](https://www.kanadaspezialist.com/wp-content/uploads/2024/09/Iles-de-la-Madeleine_FAehre.jpg)
Schiffsanlegestelle in Souris auf l’Île-du-Prince-Édouard, wo wir auf unsere Fähre warten.
Alle Leute, mit denen wir gesprochen hatten, hatten uns einstimmig empfohlen, in den Augustwochen zu Reisen. Denn da soll es die meisten Sonnentage auf dem Eiland geben. Gesagt, getan: an einem herrlichen Augustabend geht es los mit unserem Luxus-Reisebus, der in Quebec abfährt und der am kommenden Tag an der Autofähre ankommen wird. Wir werden also im Bus schlafen, das Abenteuer kann beginnen. Es geht auf dem Trans-Canada Highway über Rivière-du-Loup, Edmunston und Fredericton nach Moncton, wo wir am anderen Morgen das Frühstück einnehmen. Die ganze Busfahrt dauert absolut nicht so lange, wie wir vermutet hatten. Denn der Fahrer muss seine regelmäßigen Päuschen machen und obwohl es eine Klokabine im Bus gibt, wird alle drei Stunden an einer Raststätte zur Pipi-Pause angehalten und die Raucher unter uns sind auch zufrieden!
Kurz vor der Überfahrt auf Prince Edward Island hält der Busfahrer an einer besonders schönen Stelle mit der perfekten Perspektive und bietet den Reisenden an, ein Foto der berühmten Confederation-Bridge zu machen. Sie ist mit knapp 13 Kilometern die längste Brücke Kanadas und galt lange als eines der bedeutendsten Brückenbauwerke weltweit, an dem 4 Jahre lang gebaut wurde. Ich steige aus, mache ein paar Bilder in der Morgensonne und bedanke mich herzlichst bei unserem Fahrer für den Hinweis.
![Irgendwie magisch: Les Îles-de-la-Madeleine [FOLGE 1] 8 Iles de la Madeleine Confenderation Bridge](https://www.kanadaspezialist.com/wp-content/uploads/2024/09/Iles-de-la-Madeleine_Confenderation-Bridge.jpg)
Mein Foto der berühmten, 13 Kilometer langen Confederation-Bridge.
Um 11.30 Uhr kommen wir wie geplant am Schiffs-Kai der Autofähre an, die um 13 Uhr ablegen wird. Das Städtchen, das durch seinen Fährhafen berühmt wurde, heißt „Souris“ und ich muss über den Namen schmunzeln, denn er bedeutet auf Deutsch „Maus“. Warum eigentlich! Ich forsche zu Hause nach: Als die Region um 1750 von einer Mäuseplage heimgesucht wurde, nannte man den Ort kurzerhand Souris, in Anlehnung an das französische Wort für Maus! Denn die Gegend war damals von akadischen Einwanderern besiedelt, deren Sprache das Französische war.
Da nähert sich bereits die Fähre, deren Ausmaße den Vergleich mit griechischen Mittelmeer-Giganten nicht zu scheuen braucht und unser Busfahrer bittet uns, wieder auf unseren Luxus-Polstersesseln Platz zu nehmen, wo wir auf der Nachtfahrt so gut geschlafen hatten. Die Überfahrt soll fast 6 Stunden dauern und deshalb machen wir nach dem Mittagstisch in der Schiffskantine ein Nickerchen auf dem Sonnendeck, wo der strahlende Planet unsere von der Reise müden Körper sowie unser Gemüt so herrlich erwärmt.
![Irgendwie magisch: Les Îles-de-la-Madeleine [FOLGE 1] 9 Iles de la Madeleine Ankunft](https://www.kanadaspezialist.com/wp-content/uploads/2024/09/Iles-de-la-Madeleine_Ankunft.jpg)
Nach 6 Stunden auf See versammelt sich alles auf Deck, um das Archipel zu begrüssen!
Und schließlich: Ankunft 19 Uhr, super, wir sind da – Les Îles-de-la-Madeleine, endlich! Wir holen unser Mietauto ab, das wir für unseren Aufenthalt in der Hauptstadt “Cap-aux-Meules” gemietet hatten. Denn an ein Netz mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist hier nicht zu denken. Zu klein ist das Archipel dafür. Danach gehts nur wenige Kilometer in unser Feriendomizil, das sich so schöne „Blue Lagune“ nennt. Es ist eine schmucke Herberge, die offenbar sämtliche Generationen beherbergt – vom Teenager bis zum Rentner – wie wir kurz nach unserem Eintreffen erfreut konstatieren. „Das wird sicher lustig werden“, ruft mir Marie beim Einchecken zu……
(Text und sämtliche Fotos: Marc Lautenbacher, Québec/Canada)
Fortsetzung: Folge 2 und Folge 3