Irgendwie magisch: Les Îles-de-la-Madeleine – FOLGE 2

Serie „Québec erleben!“ von Marc Lautenbacher

von Marc Lautenbacher
Les Îles-de-la-Madeleine - FOLGE 2

Unser erster Insel-Tag am nächsten Morgen empfängt uns mit grau verhangenem Himmel: ein Regentag. Was uns Beide jedoch nicht im Geringsten die gute Laune verderben kann! Nach dem Frühstück in der Gemeinschaftsküche, die von dem in Folge 1 besagen Generationen-Gemisch bevölkert wird, beschließen wir, einen Ausflug nach “Havre-Aubert” zu unternehmen.

Dort soll es nämlich ein Museum geben, das einzige staatliche der Insel: „Musée de la Mer“. (Ganzjährig geöffnet, freitags und samstags geschlossen). Es soll recht lehrreich und spannend sein, wie uns unsere Tischnachbarn verraten und tatsächlich… dort hängt zum Empfang in der Eingangshalle das komplette Skelett eines jungen Pottwales mit 15 Metern Länge von der Decke. Im Mai 2008 strandete das Tier auf dem Archipel am Strand von Pointe-aux-Loups. Man stellte fest, dass es um die 30 Jahre alt war. Die gut gereinigten 215 Knochen des Wals wurden dann im Dezember 2014 ins Museum gebracht. Ansonsten zeigen uns diverse Ausstellungsräume sämtliche Aspekte des Lebens auf der Inselgruppe samt ihrer sehr bewegten Geschichte.

Danach machen wir einen Spaziergang durchs Dorf und wir erfahren dort: Die Gemeinde “Havre-Aubert” ist Mitglied der „Association des plus beaux villages du Québec“, zu Deutsch: Vereinigung der schönsten Dörfer in der Provinz Québec. Das will was heißen! Der dort liegende Ortsteil „La Grave“ wurde 1983 vom Québecer Ministerium für kulturelle Angelegenheiten als schützenswertes Kulturdenkmal eingestuft. Auch das will was heißen! Das besonders pittoreske an der Dorfstraße sind die zahlreichen, ehemaligen Fischerhütten, die allesamt mit grau verwitterten Holz-Schindeln bedeckt sind. Die nette Kulturerbestätte umfasst insgesamt 33 Gebäude, die so schön harmonisch entlang dieser heißen Meile des Ortes aufgereiht sind. In diesen Schindelhäuschen sind allerlei Geschäfte untergebracht, die geschmackvolles Kunsthandwerk, erkennbar am Schild „Artisanat“, adrette Sommer- und Winter-Kleidung oder besonders ansehnliche Mitbringsel und kleine Kunstwerke anbieten. Man kann sagen, für jeden Geschmack und Geldbeutel ist etwas dabei. Wir erwerben eine Tragetasche aus solidem Segeltuch, bedruckt mit dem Symbol von „La Grave“.

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Auch bei schlechtem Wetter einen Ausflug wert – der pittoreske Ortsteil “La Grave”.

Es regnet immer noch und wir gehen ins „Café de La Grave“, das in einem ehemaligen „Magasin Général“ von 1865 untergebracht ist und eine ganz eigentümliche Atmosphäre verbreitet, wenn man hineintritt. Wegen des schlechten Wetters ist es heute proppenvoll, alle Tische sind besetzt, es ist total eng aber gemütlich. Eine Wand ist dekoriert mit alten Konservendosen, Glasflaschen, Holzkästchen und Steingutkrügen, sowie mit allerlei, was in einem „Magasin Général“ vor 150 Jahren feil geboten wurde! Auf Deutsch heißt das Wort in etwa „Gemischtwarenhandlung“. Es war also hier der Dorfladen für die ländliche Nahversorgung. Ich entdecke in einer Ecke des Lokals ein Klavier, wo ein Zettel über den Tasten klebt, der jeden Klavierspieler einlädt, musikalisch etwas zum Besten zu geben. Leider spielt heute keiner, es ist zu voll und damit kein Platz für einen Pianisten. Übrigens bezeichnet sich hier fast jedes zweite Restaurant als „Café“, obwohl es ein komplettes Angebot an warmen Speisen gibt. Ich weiss bis heute noch nicht, warum das so ist???

IMG 9787 Cafe de la Grave

Im “Café de La Grave” konnte ich die Atmosphäre des ehemaligen “Magasin Général” im Bild festhalten.

Nun hat der Regen beinahe aufgehört und wir besuchen das bis weit über die Insel hinaus bekannte „Atelier Côtier – Artisans du sable“, auf Deutsch: „Uferwerkstatt – die Sandhandwerker“. Die Eigentümer stellen aus dem Grundstoff Sand, den sie gleich hinter ihrem Haus am Strand von „Sandy Hook“ in unbegrenzter Menge vorrätig haben, sehr schön gestaltetes Kunsthandwerk her: vom Kerzenhalter und Seifenschälchen über Tischlampen bis hin zur Urne. Besonders fasziniert uns eine Vitrine mit unzähligen, eierbechergroßen Gläschen, die alle sauber beschriftet sind und die in allen Erdfarben schimmern. Es ist tatsächlich eine Sammlung mit Sandproben aus der ganzen Welt – ja, es sollen über 300 verschiedene sein. Was für eine tolle Idee, sage ich mir!

Zum Abendessen hat Marie, auf Reisen ist sie immer unsere Restaurant-Führerin, bereits eine ganz besondere, kulinarisch vielversprechende Einrichtung in „Havre-aux-Maisons“ ausgekundschaftet. Sie heißt „Domaine du Vieux Couvent“ und sie befindet sich in einem ehemaligen Kloster aus dem Jahr 1914, das nur wenige Kilometer von unserer Herberge entfernt liegt. Heute wollen wir unseren ersten Tag – obwohl total verregnet – ein wenig feiern und deshalb gibt es Hummer und einen guten Prosecco davor.

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Rechts der Felsendom, der “Cap-aux-Meules” seinen Namen gegeben hat. Ganz oben der Aussichtspunkt.

Der zweite Tag beschert uns herrlichen Sonnenschein bei strahlend blauem und wolkenlosem Himmel. Ganz prima! Damit steht heute die Erkundung der Inselmetropole “Cap-aux-Meules” mit ihren aktuell 2.600 Einwohnern auf dem Programm. Auf dem Weg dorthin sehe ich rechter Hand einen stählernen Funkmast auf einer bewaldeten Anhöhe stehen und denke mir, von dort aus müsste man einen guten Blick aufs Städtchen haben. Gesagt, getan und wir biegen aus der „Rue Principal“, also der Hauptstraße in den „Chemin du Marconi“ (Deutsch: Marconiweg) ein, der uns bis zur besagten Bergkuppe führt. Wir werden mit einer herrlichen 360-Grad Aussicht samt Überblick der gesamten Stadt belohnt – mit ihren vielen bunten und weit zerstreuten Häuschen, sehen im Hafen unser Fährschiff stehen und die ansehnliche Flotte von Fischerbooten.

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“Cap-aux-Meules” ist das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Archipels.

Außerdem kann man bei dem heutigen, superklaren Wetter bis weit ins Archipel hinein schauen mit ihrer berühmten, rot leuchtenden Sandsteinfelsenküste, zahlreichen Lagunen und weißen Sandstränden. Wir bekommen somit schon mal eine gute Vorstellung davon, was uns die kommenden Tage erwartet. Von weitem ist eine lange Treppe zu erkennen, die im Zickzack direkt am Fischereihafen auf einen der Hügel führt, die man hier im Inseldialekt „Butte“ (sprich: bütt) nennt. „Da würd’ ich mal gern hochsteigen!“, meint Marie und wir fahren nur wenige Minuten direkt dorthin, ohne jedoch zuvor einige Fotos des grandiosen Panoramablickes zu schießen.

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Steiler Aufstieg auf das “Cap-aux-Meules”, der mit einem herrlichen Ausblick belohnt wird.

Nach unserem Treppenaufstieg befinden wir einstimmig, dass Cap-aux-Meules ansonsten nicht sonderlich viel zu bieten hat außer Benzinsilos, Supermärkten, Restaurants, Geschäftshäusern aller Art sowie den hochmodernen Krankenhauskomplex, der hier „Hôpital de l’Achipel“ heißt. Marie hatte von der Aussichtsplattform aus die Felsenküste entdeckt, die fast überall auf der Inselgruppe das Land vom Meer trennt, mit einer grünen Grasnarbe bewachsen ist und gegen das blaue Meer so schön rot erscheint. Einige Teile, dicht an der Straße, sind bereits ins Wasser gefallen, denn das Meer nagt unaufhörlich an dem weichen Gestein.

Wie wir später erfahren, wird diese Bedrohung vom Bürgermeister der Inseln sehr ernst genommen und wir erfahren im gesamtem Verlauf unseres Aufenthaltes, dass man entsprechende Maßnahmen eingeleitet hat, um nicht im Atlantik zu versinken. Und tatsächlich, wir können ganz dicht bis an das Steilufer gehen, das vielleicht bloß 5 bis 6 Meter hoch ist. Ja, die Erosion hat hier mächtig zugeschlagen und Teile aus dem Ufergestein regelrecht heraus gefressen, die teilweise den Vergleich mit einem Einfamilienhaus nicht zu scheuen brauchen.

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Spuren der Erosion sind auf den Inseln überall gut erkennbar, wie die Natur ihren Tribut fordert.

Bei der Weiterfahrt, kurz nach einer unübersichtlichen Rechtskurve, plötzlich das Schild „LA (großgeschrieben) Renaissance des Iles“! Was soll das bloß heißen?? Die überdimensionale Silhouette eines Hummers steht neben dem Schild mit der unerklärbaren Aufschrift. Wir kombinieren – womöglich ist es ein Fischladen, der sich auf Deutsch nennt: DIE Wiedergeburt der Inseln! Wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl an alle Inselbesucher, die nicht glauben wollen, dass das schöne Archipel von Wellen, Wind und Wetter ernsthaft bedroht ist.

LOGO Iles de la MadeleineWir halten an, denn unsere Mägen haben sich gemeldet. Ja, das Frühstück ist schon eine Weile her und wir genehmigen uns ein Hummerbrötchen, das wir auf den hummerroten Esstischen in der Mittagssonne verspeisen. Einfach lecker! Hummerfang ist im Übrigen der Haupterwerbszweig vieler Inselbewohner und die Îles-de-la-Madeleine sind in der gesamten Provinz von Québec sowie in Ost-Kanada berühmt und bekannt geworden, da jeder Hummer eine Kennzeichnung tragen muss. Aktuell lebt ein Großteil der Insulaner im Wesentlichen vom Hummerfang, der pro Jahr rund 115 Millionen Dollar Umsatz (!) einbringen soll.

Aber es geht weiter. Wir haben noch einiges vor an diesem herrlichen Sonnentag, denn wir wollen nach “L’Étang-du-Nord” mit seinen spektakulären Felsenklippen, die mit gut 40 Metern zu den höchsten des Archipels gehören und zu seinem Leuchtturm am “Cap Hérissé”.

(Text und sämtliche Fotos: Marc Lautenbacher, Québec/Canada)

Fortsetzung in Folge 3

siehe auch Folge 1

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