Irgendwie magisch: Les Îles-de-la-Madeleine – Folge 3

Serie „Québec erleben!“ von Marc Lautenbacher

von Marc Lautenbacher
Les Îles-de-la-Madeleine - Folge 3

Der dritte Tag beschenkt uns abermals mit Sonnenschein, den wir vor unserer Abreise sozusagen „bestellt“ hatten. Denn die meisten Sonnentage des Jahres soll es im August auf den Inseln geben, laut örtlicher Statistik! Wir wollen heute bis ganz ans Ende des Archipels fahren, wo ein weltberühmter Taucher, Buchautor und Unterwasserfilmer sein Domizil haben soll.

Er heisst Mario Cyr und wurde bekannt durch seine Arbeit für National Geographic und den Fernsehsendern Discovery Channel, BBC Earth und Disney Nature. Als Taucher hat er sich auf arktische Gewässer spezialisiert; des Öfteren ist er im kanadischen Fernsehen als Gast zu sehen. Auf dem Weg nach Île-de-la-Grande-Entrée kommen wir gleich am Ortseingang von Havre-aux-Maisons an einem riesigen Felsen vorbei, der mit schwarzen Kormoranen regelrecht übersät ist. Wir schätzen mal so über hundert Vögel, die auf dem Felsendom eine Silhouette mit ihren schwarzen Körpern bilden. Manche strecken ihre Flügel zum Trocknen in der Sonne aus. Zu Hause zähle ich auf dem Foto nochmals nach, das ich gemacht hatte! Tatsächlich sind es mehr als dreihundert Tiere, unglaublich!

IMG 9941 village Chemin de la Petite Baie Havre aux Maisons

Mein offizielles Postkartenfoto des Archipels — Häuschen direkt an der Petit Baie.

Auf der Weiterfahrt noch ein ausgesprochen sehenswerter Foto-Stopp. Denn so schön pittoresk liegen die bunten Häuschen direkt an der Petit Baie, die sich noch dazu im Wasser spiegeln; dazu ein kleines Motorboot im Vordergrund und so mache ich mein heutiges, offizielles Postkartenfoto der Insel. Fast schon ein bisschen kitschig aber trotzdem ein schönes Souvenir!

IMG 9952 Phare du Cap Alright Havre aux Maisons

Blick vom höchsten Hügel des Ortes, dem “Butte du quai de La-Pointe-Basse”.

Zwei Gäste unserer Herberge hatten uns geraten, unbedingt auf die Butte du quai de La Pointe-Basse hinaufzusteigen, einem der höchsten Hügel des Ortes, um die Aussicht zu genießen. Der Aufstieg auf dem Trampelpfad ist beschwerlich — es geht ein steiles 40-Grad-Gefälle hinauf. Oben angekommen werden wir wieder mit einem Rundumblick belohnt: Auf den kleinen Fischerhafen von La Pointe-Basse, auf den Leuchtturm Phare du Cap-Alright, die bunten Behausungen der Bewohner sowie auf die rundherum so schöne, hügelige Topografie der Insel, wo ich sogar Kühe beim Weiden erspähen kann. Diese Hügel sind allesamt zwischen 30 und 80 Metern hoch. Also alles ein großes Blabla von gestern — denke ich mir insgeheim! Absolut keine Gefahr wegen der übermäßigen Erosion, weshalb, wie in Folge 2 erwähnt, die ganze Inselgruppe demnächst im Atlantik versinken soll.

IMG 1162 Seevogel Strandlaeufer Sanderling Calidris alba

Einen relativ seltenen Seevogel kann ich fotografieren: den Strandläufer oder Sanderling (Calidris alba).

Weiter gehts nach Île-de-la-Grande-Entrée, nur noch 50 Autominuten. Wir wollen Mittagessen im „Bistro Alpha“. Der Besitzer ist Mario Cyr, der besagte Unterwasserspezialist, der dort mit der „Plongé Alpha Station“ eine professionelle Taucherbasis direkt am Meer betreibt. Die Speisekarte auf Französisch ist vielsagend! Auf Deutsch übersetzt gibt es hausgemachte, lokale Erzeugnisse wie Makrelen im Maisfladen, frische Austern, Seehundfilet (!), Venusmuscheln von Grande-Entrée, Hummerbrötchen, Schwertmuscheln sowie allerlei Pizzas und Paninis. Uns läuft schon beim Lesen das Wasser im Munde zusammen und wir bestellen uns einen Teller mit ein wenig von allen Meeresfrüchten, die angeblich noch vor wenigen Stunden im Meer unterwegs waren. So frisch sollen sie sein!!! Besondere Aufmerksamkeit widme ich einem Punkt der Karte. Es gibt eine Käseplatte mit den Sorten Jeune-Coeur, Pied-De-Vent, Art-Senau sowie einen Tomme-des-Demoiselles, hergestellt von der Käserei Fromagerie du Pied-de-Vent. Deshalb hält man also Kühe auf der Weide, die wir bei der Herfahrt entdeckt hatten.

IMG 9977 Bistro Alpha Mario Cyr

Das “Bistro Alpha” von Mario Cyr, dem heimlichen Superstar der Inseln.

Der wahre Grund unseres Besuches in Île-de-la-Grande-Entrée jedoch ist, dass wir bei Mario Cyr eine sogenannte „Souper Conférence“ für den Abend reservieren wollen. Sie trägt den Untertitel: „Atemberaubende Bilder und Erzählungen bei gutem Abendessen!“ Mario Cyr erzählt zwei Stunden lang Geschichten aus seiner spannenden Karriere, zusammen mit vielen Fotos von seiner Arbeit als Berufstaucher, Fotograf und Kameramann in arktischen Gewässern. Beim Nachfragen eröffnet uns die nette Mitarbeiterin jedoch, dass alle Termine bereits seit Monaten ausgebucht sind. Schade!! Schade!! Schade!!

IMG 9988 Plage Old Harry Iles de la Madeleine

Weisser Sandstrand, soweit das Auge reicht: Plage Old Harry!

Doch gut gestärkt treten wir den Rückweg an, nicht ohne einen kleinen Umweg zum örtlichen Strand zu machen. Wir haben Lust aufs Schwimmen im Meer bekommen und der Strand Plage Old Harry soll dafür hervorragend geeignet sein. Ein langer, weißer Sandstand breitet sich vor uns aus, 8 1/2 Kilometer lang und heute recht ordentlich bevölkert, wenn auch absolut nicht mit südlicheren Badestränden vergleichbar, was die Zahl der Badegäste angeht. Und als wir barfüßig die Temperatur testen, verziehen Marie und ich das Gesicht. „Ist ja saukalt!“, entfährt es mir aus tiefstem Herzen. Das Wasser hat bloß 15 Grad Celsius. Nach dem Motto „Jetzt oder nie“ beißen wir die Zähne zusammen und springen trotzdem in die Gischt, um nach wenigen Sekunden im Sauseschritt wieder heraus zu eilen. Also nichts mit Schwimmen im Atlantik heute!

IMG 0032 Band Iles de la Madeleine

Die Band spielte bis zum Sonnenuntergang traditionelle Quebecer Musik.

Fürs Abendessen hat Marie das Restaurant Eva für uns herausgesucht, wo man gut essen kann und wo heute zudem eine Band spielen soll. Als Musikliebhaber, wie wir es beide sind, ist das unwiderstehlich. Nachdem wir uns zu Hause von dem äußerst erfrischenden Badeausflug mit einer warmen Dusche erholt haben, fahren wir die wenigen Kilometer nach L’Étang-du-Nord, das mit dem Hinweis von spektakulären Sonnenuntergängen wirbt. In der Abenddämmerung gelingt mir dann ein Foto, das ich erst Jahre später als Beitrag einer Ausstellung einreichen werde. Ich konnte tatsächlich die Magie der Inseln im Bild einfangen (Siehe Titel-Foto in Folge 1). Auf der Heimfahrt schliesslich machen wir noch einen Abstecher zur lokalen Micro-Brasserie, um ein frisch gezapftes Bier bei „À l’abri de la tempète!“ zu uns zu nehmen. Diese Kleinstbrauerei nennt sich auf Deutsch poetisch so schön: Zum Unterschlupf bei Sturmwind! Der Name ist wohl Programm und das Bier ist super, wie wir feststellen.

Am vierten Tag haben wir immer noch gutes Wetter. Die Statistik über die Sonnentage hatte wohl recht. Bereits am Vortag hatten wir eine Bootstour von Cap-aux-Meules aus gebucht, die wir heute antreten werden. Denn man kann vom Wasser aus besser die zerklüftete Steilküste mit ihrem roten Gestein erkunden. Los gehts um halb 9 Uhr, wir sind 8 Passagiere, die Schwimmwesten sind inklusive. Unser Boot ist ein sogenannter Zodiak, ein seetüchtiges Schlauchboot nämlich, das von der netten Mitarbeiterin des Bootsunternehmens gelenkt wird. Sie ist zudem eine hervorragend geschulte Reiseführerin, die uns in sämtliche geologischen, ökonomischen und soziokulturellen Gegebenheiten der Insel einweiht. Und anstatt zu fotografieren, habe ich mir vorgenommen, heute ein Video drehen. Denn da wir permanent in Bewegung sind, ist es das adäquate Medium, um das Abenteuer auf dem Meer zu dokumentieren.

IMG 0162 Zodiak Iles de la Madeleine

Aufregende Bootstour mit unserer fantastischen Kapitänin (oben Mitte).

Das Video: zu unserer Bootstour

Doch dieser Tag hält noch eine Überraschung bereit, von der wir im Augenblick nicht die leiseste Ahnung haben. Die Bootsfahrt auf dem frischen Atlantik hat uns hungrig gemacht und wir wollen an unserem letzten Tag noch einmal in La Grave in Havre-Aubert zum Mittagessen zu gehen. Das Dorf haben wir als unbestrittenen Lieblingsort ins Herz geschlossen. Wir gehen ins „Vent-du-Large“, (Deutsch: Seebrise), das sich durch seine besondere Lage direkt am Meer auszeichnet und das eine mit weißen Tüchern elegant verhangene Außenterrasse für die Gäste und für uns bereithält. Das Essen ist hervorragend und schmackhaft, die Aussicht einmalig, wir genießen in vollen Zügen die Insel-Atmosphäre und lassen es uns einfach gut gehen.

Das „Vent-du-Large“, ein Restaurant direkt am Meer.

Das „Vent-du-Large“, ein Restaurant direkt am Meer.

Dann, am Nachmittag, der Knaller: Nichts ahnend schlendern wir durch die Hauptstraße des pittoresken Ortes, als zwei Passanten direkt auf uns zukommen, wovon der linke plötzlich lauthals ruft: „Maaariiiee!“ Es ist Diane, eine ehemalige, gute Studienfreundin, mit der Marie an der Universität Laval in Québec Kunst studiert hatte und die sie volle 30 Jahre nicht mehr gesehen hat. Man hatte sich aus den Augen verloren, direkt nach der Studienzeit. Diane macht gerade mit ihrem Freund Urlaub auf der Insel. Was ein Hurra! Man schwatzt aufgeregt von damals, jede erzählt die Kurzform ihrer Biografie und ist voller Freude über das zufällige Treffen, ausgerechnet auf den kleinen Magdalenen Inseln, mitten im Atlantischen Ozean. Die Mädels beschließen schließlich, sich in Quebec nach unserer Rückkehr zu einem ausführlichen Gesprächsabend zu treffen. 

IMG 0171 Village La Grave Iles de la Madeleine

“La Grave” in Havre-Aubert, der unbestrittene Lieblingsort unserer Reise.

Nach dieser Aufregung und der Wiedererweckung von alten Zeiten fahren wir in unsere Jugendherberge zurück. Wir müssen unsere Koffer packen, denn am andern Tage gehts in aller Herrgottsfrühe los. Trotzdem wollen wir den letzten Abend gebührlich ausklingen lassen und wir beschließen, nochmals in der Domaine du Vieux Couvent zu speisen. Wir waren ja schon am ersten Tag unserer Inselvisite dort, dem Restaurant im ehemaligen Kloster aus dem Jahr 1914. Dabei erzählt mir Marie die gesamte Geschichte über ihre Studienzeit mit Diane und kommt fast ins Schwelgen — offenbar ein Anfall von Nostalgie. Das Essen war an unserem ersten Tag sagenhaft und auch dieses Mal wieder exquisit. Da es nur ein paar Autominuten von unserer Herberge entfernt liegt, dauert die leicht beschwipste Heimfahrt nicht allzu lange und wir fallen zufrieden in unser Bettchen. Was für ein Tag!

IMG 0212 Abreise Iles de la Madeleine

Fünfter Tag, Aufstehen um 4.30 Uhr, Abfahrt um 5.30 Uhr bei Sonnenaufgang, die Fähre der C.T.M.A TRAVERSIER legt um Punkt 6.00 Uhr ab. Denn der Plan unseres Busfahrers ist, dass wir noch am gleichen Tag in Québec ankommen. Die gesamten 1.165 Kilometer werden wir in einem Rutsch absolvieren und unsere Fähre nach Souris wartet schon im Hafen. Vom Deck mache ich noch ein paar Bilder, um mich von den Inselchen zu verabschieden, die eine ganze Woche lang unser zu Hause waren. Sie verschwinden recht schnell im dunstigen Morgenlicht und um 12.30 Uhr sind wir wieder auf Price-Edward-Island.

Bei der Rückfahrt haben wir wieder Regenwetter und graue, heute sehr tiefliegende Wolken ziehen am Himmel. Was ein schöner Zufall, denke ich, denn bei Regen sitzt man gerne den ganzen Tag in einem Bus. Die Strecke, teilweise auf der Landstraße, führt uns über Moncton, Fredericton und Edmunston wieder zurück bis nach Rivière-du-Loup, das ich gut kenne und so sind wir guten Mutes. Denn von dort aus sind es lediglich zwei letzte, kurzweilige Autostunden bis zu unserer Heimatstadt Québec. Schließlich, Ankunft kurz vor Mitternacht, wohl behalten zu Hause. Schön wars, wir kommen bestimmt wieder!

(Text und sämtliche Fotos: Marc Lautenbacher, Québec/Canada)

Siehe auch Folge 1 und Folge 2

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