Windräder statt Wildnis

wie Deutschlands Energiewende Kanadas Natur bedroht

von Gary Kiemle
Windräder statt Wildnis

Windräder statt Wildnis – wie Deutschlands Energiewende Kanadas Natur bedroht

Deutschlands Energiewende soll die Welt retten – doch wer zahlt den Preis?
In Kanadas Atlantikprovinz Nova Scotia entstehen gigantische Windpark- und Wasserstoffprojekte, um Deutschlands „grüne Träume“ zu versorgen. Dafür drohen unberührte Wälder, Naturschutzgebiete und Küstenlandschaften zerstört zu werden.
Ein Umweltwiderspruch, der wachrütteln sollte.

Der Preis der Energiewende

In der Provinz Nova Scotia im Osten Kanadas werden derzeit die größten Windkraftanlagen des Landes geplant – mitten in weitgehend unberührter Natur. Ziel: Stromerzeugung für den Export von sogenanntem „grünem Wasserstoff“ nach Deutschland.

Was auf dem Papier nach einer globalen Klimapartnerschaft klingt, hat in Kanada einen bitteren Beigeschmack. Denn für die Errichtung der Anlagen müssten riesige Waldflächen gerodet und empfindliche Ökosysteme zerschnitten werden.

Der bekannte Bergsteiger Reinhold Messner brachte es einmal auf den Punkt:

„Die Wildnis ist in den letzten Jahren immer weiter zurückgedrängt worden. Das können wir nicht länger zulassen.“ (dpa)

Das deutsch-kanadische Wasserstoff-Abkommen – ein Projekt mit Rissen

Noch vor zwei Jahren wurde die deutsch-kanadische Wasserstoff-Partnerschaft als Meilenstein gefeiert. Ab 2025 sollten Tanker mit grünem Wasserstoff von Kanadas Atlantikküste Richtung Deutschland aufbrechen.

Heute ist von diesem Zeitplan kaum noch etwas übrig.
Laut einem aktuellen Bericht steckt kein einziges der zehn geplanten Großprojekte in Kanada in der Realisierung. Fachleute gehen davon aus, dass erste Lieferungen frühestens 2026 oder 2027 möglich sind.

Mehrere Unternehmen haben bereits aufgegeben – darunter der australische Konzern Fortescue Ltd., der ein Milliardenprojekt in British Columbia stoppte. Die Begründung: „Nicht wirtschaftlich tragfähig.“

Nova Scotia zwischen Windrausch und Widerstand

Ein besonders umstrittenes Projekt ist die geplante Windfarm in Point Tupper, die mit 404 Turbinen eine Wasserstoffanlage betreiben soll.
Sie liegt in einer Region, die selbst unter Energieknappheit leidet – und zugleich in der Nähe eines UNESCO-geschützten Gebiets.

Naturschützer Paul Wylezol, Präsident der International Appalachian Trail Association, warnt:

„Wir sind nicht gegen Windkraft – aber nicht hier.
Diese Landschaft ist spektakulär und Teil eines UNESCO-Weltkulturerbes. Sie verdient Schutz, nicht Zerstörung.“

Wylezol und seine Organisation haben sich sogar um den Status eines „Global Geopark“ beworben – doch die geplanten Windtürme könnten das zunichtemachen.

Wirtschaftliche Zweifel und teure Illusionen

Auch wirtschaftlich steht das Projekt auf wackligen Beinen.
Kanadas Produktionskosten für Wasserstoff liegen deutlich über denen von Konkurrenten wie Australien oder Chile. Dazu kommen teure Investitionen in Infrastruktur, Lagerung und Transport.

Noch gibt es keine Tankerflotten oder Terminals für großflächigen Wasserstoff-Export.
Fachleute wie Bruno Pollet, Professor an der Universität Québec, warnen:

„Kanada muss erst die Infrastruktur aufbauen, bevor man von Export sprechen kann. Derzeit ist das alles noch Zukunftsmusik.“

Deutschlands grüne Strategie auf Kosten anderer?

Kritiker sehen in der Wasserstoff-Allianz ein Beispiel dafür, wie Deutschland seinen Klimakurs auf andere Länder auslagert.
So wie beim Ausstieg aus Atom- und Kohlekraft, während der Strom aus Frankreich und Polen importiert wird, droht nun ein neues Ungleichgewicht:
Deutschland schmückt sich mit grünem Wasserstoff – Kanada trägt die ökologischen und finanziellen Risiken.

Zwischen Idealismus und Realität

Kanada erzeugt heute bereits rund 67 % seines Stroms aus erneuerbaren Quellen, überwiegend aus Wasserkraft.
Doch neue Wind- und Wasserstoffprojekte sollen diesen Anteil weiter steigern – nicht für den Eigenbedarf, sondern für den Export.

Bis 2030 will die Regierung 30 Wasserstoff-Hubs errichten und vollständig auf Ökostrom umstellen. Doch die Realität zeigt: Zwischen Vision und Umsetzung liegen massive Hürden – ökonomisch, technisch und ökologisch.

Ein Weckruf für echten Klimaschutz

Die Frage bleibt:
Wie „grün“ ist eine Energiewende, die unberührte Landschaften opfert und andere Länder in die Pflicht nimmt?

Wenn Deutschland seine Klimaziele ernst meint, darf es nicht zulassen, dass Kanadas Wälder, Berge und Küsten zu Industriezonen werden – nur damit in Europa die CO₂-Bilanz schöner aussieht.

Klimaschutz darf nicht zur Naturzerstörung führen.
Denn dann retten wir vielleicht das Klima – aber verlieren den Planeten.

wie Deutschlands Energiewende Kanadas Natur bedroht

Fakten & Quellen
  • Offizielle Regierungsinfos zu Offshore-Windplänen in Nova Scotia: novascotia.ca/offshore-wind
  • Windräder statt Wildnis: Wie Deutschlands Energiewende Kanadas Natur bedroht
  • Ein grünes Bündnis mit Schattenseiten
  • Was als ehrgeizige Partnerschaft für eine nachhaltige Zukunft begann, entwickelt sich zunehmend zum umstrittenen Großprojekt: Die deutsch-kanadische Wasserstoff-Allianz. Auf den ersten Blick klingt die Idee überzeugend – Kanada liefert mit Windkraft erzeugten „grünen“ Wasserstoff, Deutschland nutzt ihn als klimafreundliche Energiequelle. Doch in Kanadas Atlantikprovinz Nova Scotia mehren sich Stimmen, die vor massiven Eingriffen in Natur und Lebensraum warnen.
  • Kanadas Windpotenzial – Deutschlands Energiehunger
  • Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Dafür soll ein Teil des benötigten grünen Wasserstoffs aus Kanada importiert werden. In Nova Scotia entstehen derzeit mehrere Großprojekte, die Windstrom für die Umwandlung in Wasserstoff erzeugen sollen.
    Angeführt werden diese Vorhaben unter anderem von EverWind Fuels und anderen internationalen Konsortien – mit finanzieller und politischer Unterstützung aus Europa.
  • Für die Küstenregion, die bisher vor allem von Fischerei und Tourismus lebte, bedeutet das eine radikale Veränderung: Hunderte Windräder, neue Straßen, Stromtrassen und Häfen.
  • Wenn Klimaschutz zur Umweltbelastung wird
  • Die Kritik an den Projekten wächst. Umweltschützer und lokale Gemeinschaften befürchten, dass die neuen Anlagen wertvolle Lebensräume zerstören – darunter Wälder, Moore und Brutgebiete seltener Vogelarten.
  • Auch indigene Gruppen mahnen Mitsprache an: Sie fühlen sich von Planungsprozessen ausgeschlossen und fürchten den Verlust traditioneller Gebiete.
  • Ironischerweise droht ausgerechnet dort Umweltzerstörung, wo eigentlich „grüne Energie“ entstehen soll.
  • Ein fragiles Gleichgewicht
  • Kanada steht vor einem Dilemma: Als Energieexporteur will das Land von der globalen Nachfrage nach klimafreundlichen Brennstoffen profitieren. Doch der Preis dafür könnte hoch sein – ökologisch wie gesellschaftlich.
  • Viele Experten fordern inzwischen, dass Kanada seine eigenen Klimaziele nicht zugunsten europäischer Interessen aufs Spiel setzt. „Nachhaltigkeit endet nicht an der Grenze“, sagt etwa die Umweltorganisation Ecology Action Centre aus Halifax.
  • Fazit: Grüner Schein, graue Realität
  • Die deutsch-kanadische Wasserstoff-Allianz zeigt beispielhaft, wie komplex der Weg zur Energiewende ist. Was auf dem Papier als Sieg für das Klima erscheint, kann in der Realität neue Probleme schaffen – besonders dann, wenn wirtschaftliche Interessen und Umweltschutz nicht im Gleichgewicht stehen.
  • Der Traum von einer emissionsfreien Zukunft darf nicht auf Kosten jener Länder gehen, die ihre Natur dafür opfern sollen. Kanada verdient mehr als nur ein Etikett als „grüner Rohstofflieferant“ für Europa.

    wie Deutschlands Energiewende Kanadas Natur bedroht

    Quellenliste

Thema Quelle Wesentliche Inhalte
Offshore-Windgebiete in Nova Scotia / Ziele Canada’s first four offshore wind energy areas have been designated on Nova Scotia’s offshore (Natural Resources Canada) Vierte Offshore-Windenergieflächen wurden offiziell ausgewiesen (z. B. French Bank, Middle Bank, Sable Island Bank, Sydney Bight). Ziel: 5 Gigawatt Offshore-Wind bis 2030. Kanada.ca
Gesetzgebung und Planung Province Sets Offshore Wind Target (Province of Nova Scotia, 2022) Ziel der Provinz: Leasing von Offshore-Windflächen zur Erzeugung von 5 GW bis 2030 zur Unterstützung der Wasserstoffindustrie. news.novascotia.ca
Roadmap / regulatorische Rahmenbedingungen Province Releases Offshore Wind Road Map (Nova Scotia Government) Plan zur Umsetzung der Offshore-Wind-Strategie, u.a. Standortwahl, Regulierung, Beteiligung der Stakeholder („Offshore Wind Roadmap“). news.novascotia.ca
Weitere Schritte & Umwelt-/Stakeholderbeteiligung Government of Canada and Nova Scotia Set Direction for Offshore Wind Future (Canada.ca) Informationsverfahren („Call for Information“) und Einbindung der Öffentlichkeit, indigener Gruppen etc. Kanada.ca
Herausforderungen bei Windkraftprojekten an Land (Onshore) Nova Scotia to redo wind energy procurement after 4 projects drop out (Wind-Watch via CBC) Vier Onshore-Windprojekte wurden zurückgezogen; Gründe wie globale Lieferkettenprobleme, steigende Kapital­kosten etc. National Wind Watch
Wirtschaftliche und technische Potenziale Invest Nova Scotia – Offshore Wind & Hydrogen Report Technisches Potenzial für Offshore-Wind in NS, geplante 5 GW, Szenarien mit Offshore-Wind für Eigen- und Fremdnutzung (Export, H2). investnovascotia.ca
Infrastrukturkosten & Leistungsanforderungen Nova Scotia’s offshore wind transmission line could cost $10 billion: premier (BNN Bloomberg) Schätzung der Kosten für Übertragungsleitungen, um Offshore-Wind pro Projekte an Land und für den Export nutzbar zu machen. bnnbloomberg.ca
Lokale Windprojekte / Papierindustrie Port Hawkesbury Paper breaks ground on $400M Guysborough County wind farm (CBC) Ein reales Onshore-Projekts in Nova Scotia; 31 Turbinen, 130,5 MW, geplanter Betrieb ab 2026. Belegt, dass nicht alles Zukunftsmusik ist. Midland Paper

 

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2 Kommentare

Hartmut Gobrecht 17. Oktober 2025 - 13:59

In der Tat, ein Artikel, der die Stimmung hebt

Selbstverständlich kann man alles in Frage stellen, und ganz ehrlich, die Erfahrung hat gezeigt: Wir sollten es auch.
Wo Licht ist, ist der Schatten nicht weit, und es dürfte nur wenige Vorteile ohne Nachteile geben. Wobei die Nachteile eben zumeist nicht allein beim Vorteilsinhaber zu finden sind. Was uns grundsätzlich zur Frage führt: Wären alle Vor- und Nachteile (wirtschaftliche, ethische, moralische etc.) auf der gleichen Seite – was wäre dann der Saldo? (Da kein Tun ohne gewisse Verlustleistungen möglich ist, und diese den Nachteilen zuzuschlagen sind, wäre so gesehen ein Saldo immer irgendwie negativ. Sprich: Die Nachteile wären immer größer als die Vorteile.) Was im gegenwärtigen Thema allerdings irrelevante Gedankenspiele sind.
Bleibt somit nur noch die zweifelhafte Frage: Wer muss sich mit den Vorteilen herumschlagen und wer darf die Nachteile tragen?
Beispiel gefällig? Okay: Der Vorteil, ein Smartphone zu haben – wozu sich auch Kanadier entschlossen haben – geht mit dem Nachteil einher, dass Arbeiter am anderen Ende der Welt ausgebeutet werden. Wer daran zweifelt, sollte sich fragen, woher die seltenen Erden kommen, die in so einem Smartphone stecken, das Gold etc. Und dann in die wilden Gruben schauen, die von Kindern in Afrika in den Boden gegraben werden. Was dann einer der Nachteile dieser Art vorteilhafter Kommunikation wäre.
Noch eines: Bürger, egal welchen Landes – dazu zählen auch Kanadier –, die mit ihren Fahrzeugen zügig von A nach B fahren können. Zweifelsfrei ein Vorteil an der Geschichte, erkauft mit dem Nachteil des naturzerstörenden Abbaus der Ölsande und dem völlig uneffizienten Entzug des Öls daraus… Wer hat hier die Nachteile zu tragen? Das Klima? Die Natur? Indigene? Die Anwohner?
Es gibt unendlich viele dieser Beispiele.
Alles hat Vor- und Nachteile, und nichts ist so schlecht, dass es nicht noch etwas Gutes für sich hätte. Eine Erfahrung am eigenen Körper aus vielen Jahrzehnten.
Kritisch sehe ich die Art und Weise, wie manche Diskussionen geführt werden – etwa durch suggestive Fragen, die Meinungen vorwegnehmen, ohne sie offen auszusprechen. Die Frage „Deutschlands grüne Strategie auf Kosten anderer?“ ist so ein Beispiel. Sie stellt keine neutrale Frage, sondern suggeriert bereits ein Urteil – und das ohne differenzierte Betrachtung.
Als Beispiel die Frage: „Deutschlands grüne Strategie auf Kosten anderer?“
Mit ihrer Erklärung: Kritiker sehen in der Wasserstoff-Allianz ein Beispiel dafür, wie Deutschland seinen Klimakurs auf andere Länder auslagert.
Und weil dies noch nicht reicht, noch einen oben drauf: So wie beim Ausstieg aus Atom- und Kohlekraft, während der Strom aus Frankreich und Polen importiert wird, droht nun ein neues Ungleichgewicht: Deutschland schmückt sich mit grünem Wasserstoff – Kanada trägt die ökologischen und finanziellen Risiken. Etc. …
Zunächst ganz allgemein: Die Klimakrise betrifft nicht nur Deutschland. (Und auch die Polen, die lieber Strom aus Kohle produzieren, um damit Geschäfte zu machen – ihn verkaufen –, als dieses Geschäft nicht zu tätigen. Deutschland zwingt sie nicht dazu.) Auch Kanada hat noch einiges in den Büchern stehen, das zu bearbeiten ist, bis es klimaneutral wäre. Auch Kanada ist kein autonomes Land, das alles selbst klimaneutral herstellen oder verarbeiten könnte. Auch Kanada wird Vorteile genießen müssen, die anderswo Nachteile produzieren.
Ich habe Kanada schon mehrfach bereist. Ich bin ein Fan dieses Fleckens Erde. Wenn nicht in dieser Leere, in diesem weiten Nichts, das sich in weiten Bereichen findet – wo bitteschön sollte man besser Windräder aufstellen können als dort?
Mit was wollen die Kanadier ihren klimaneutralen Stahl schmelzen, wenn nicht mit Wasserstoff? Immerhin wurden 2024 ca. 12,2 Millionen Tonnen Rohstahl in Kanada produziert und ca. 8,3 Millionen Tonnen Stahlprodukte importiert. Ein Teil davon vielleicht sogar in Deutschland hergestellt.
Nein, es ist so einfach nicht. Diese getarnte Aussage: „Deutschlands grüne Strategie auf Kosten anderer?“ ist für mich nur eine Frage, die in den Raum geworfen wird, zwar die Gemüter erregt, im Grunde aber nur der Versuch ist, Emotion – getarnt als Fakt – auf einem virtuellen Pferd über den Atlantik reiten zu lassen.
Die Frage „Strategie auf Kosten anderer?“ ist zu kurz gedacht. In einer globalisierten Welt mit eng verflochtenen Ressourcenströmen lassen sich solche Fragen nicht mit einem simplen „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Es sollte nicht darum gehen, Schuldige zu finden – sondern mit Verantwortung auftretende Probleme zu lösen.
Und so nebenbei:
Es wurden über 850.000 Bohrungen (Öl und Gas) insgesamt historisch seit 1901 im Western Canadian Sedimentary Basin durchgeführt.
In Alberta gibt es ca. 79.000 inaktive Öl- und Gasbohrungen („inactive wells“) Stand 2023.
Die Anzahl der „neuen“ Ölförderbohrungen, die in Produktion genommen werden, lag 2024 bei etwa 3.385 neuen Rohölbohrungen in Alberta.
Eine plausible Schätzung wäre: Tausende bis Zehntausende aktiver Pumpjacks überall im Land, vor allem in Förderregionen wie Alberta und Saskatchewan.
Und: Zu jedem dieser Punpjacks führen Leitungen und die Landschaft zerschneidende Straße.

Antworten
Otto Stalder 17. Oktober 2025 - 12:18

Und die Bären und all die andern Tiere inkl. Bläckfleis tun wir aufs Schiff und lassen die in Europa frei?

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