Vancouver im Stanley Cup Fieber: Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt
Seitdem britische Soldaten in Kanada das schottische Shinty auf das Eis verlagerten, kannte die Begeisterung der Kanadier für Eishockey keine Grenzen mehr. Zwar gab es in der Vergangenheit schon unterschiedliche Spielformen des Eishockeys (in Dänemark spielte man im 12. Jahrhundert eine ähnliche Variante, bei der Knochen als Kufen genutzt wurden), aber es war die Partie zwischen Dozenten und Studenten der renommierten McGill University in Montreal am 3. März 1875, seit der sich diese Sportart einer beispiellosen Beliebtheit erfreut.
Die schnellste Mannschaftssportart der Welt hatte ab 1917 bereits eine Liga, die bis heute das Nonplusultra im Eishockey bildet: die National Hockey League (NHL). Zunächst als regionale Liga gegründet – lediglich Teams aus Ontario und Quebec wurden berücksichtigt – wurde sie bis zum Jahr 2000 auf 30 kanadische und US-amerikanische Teams erweitert. Überhaupt, so scheint es, haben sich die Amerikaner als die dominante Nation der NHL herauskristallisiert. Lediglich sieben Teams (dies berücksichtigt bereits das in der kommenden Saison in die NHL zurückkehrende Winnipeg) kommen aus dem Ursprungsland des Eishockeys. Aber auch ausbleibende Erfolge – die Montreal Canadiens gewannen 1993 als letztes kanadisches Team den begehrten Stanley Cup – scheinen die Kanadier in Ihrer Liebe zu diesem Sport nicht zu bremsen. Umso bedeutender für das ganze Land war der Einzug der Vancouver Canucks – der Name des Teams, dessen Herkunft nicht eindeutig zurückzuverfolgen ist, bedeutet umgangssprachlich „Kanadier“- in das Stanley Cup Finale gegen das Traditionsteam der Boston Bruins.
Da ich mich Ende Mai in Vancouver befand, hatte ich die Gelegenheit, die Bedeutung, Begeisterung und kollektive Vorfreude der Stadt auf diese Finalserie mitzuerleben. Zwar hatte ich bereits 2003 eine Partie der Canucks gegen die Calgary Flames im damaligen General Motors Place (heute: Rogers Arena) verfolgt, aber richtig überzeugt hatte mich die, wie in anderen nordamerikanischen Profiligen übliche, überaus künstlich anmutende Stimmung nicht. Durch die Sozialisation in der deutschen Fußballkultur ist man von jeher, so dachte ich, mehr ehrliche Emotionen und Leidensfähigkeit gewohnt – insbesondere als Anhänger der launischen Diva aus der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Umso überraschter war ich, Vancouver am Vorabend der Finalspiele in Aufruhr zu erleben.