Die Stadt Brampton, in der wir leben, hat beinahe eine halbe Million Einwohner. Eigentlich wohnen wir in Bramalea, einem Teil von Brampton, der in 1974 in die Stadt eingegliedert wurde. Bramalea feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Wenige Jahre vor ihrer Geburt bestand sie nur aus Feldern und Weiden mit einigen Farmhaeusern.
Ein Doktor James Sihler aus Sutton in Sued-Ontario borgte das Konzept einer von Grund auf geplanten neuen Stadt aus England, wo in 1956 bereits einige “New Towns” (neue Staedte) in der Umgegend von London geplant oder gebaut wurden. Er diskutierte dieses zuerst mit einem Farmer, Bill Sheard, dessen Land halbwegs zwischen den Kleinstaedten Brampton und Malton lag, etwa 20 Kilometer ausserhalb der Stadtgrenze und 30 Kilometer vom Zentrum von Toronto.
Beide wussten, dass eine Firma in Toronto bereits etwa 6,000 acres (2,500 Hektar) Land in Erwartung zukuenftiger Expansion der Stadt aufgekauft hatten. Am 11. Dezember 1957 wurde die Firma Bramalea Consolidated Developments gegruendet, um das Projekt mit Unterstuetzung mehrerer englischer Firmen und Banken in die Tat umzusetzen.
Der Name “Bramalea” wurde aus den Elementen der beiden Staedte “Brampton” und “Malton” sowie “Lea” (das britische Wort fuer “Weide”) zusammen gesetzt. Die ersten Siedler in Malton (1823) und Brampton (1834) gaben den beiden “Ortschaften” (eigentlich nur Landstrassen-Kreuzungen mit einer Farm an jeder der vier Ecken) die Namen britischer Orte. Die Einwanderung brachte zuerst nur Briten in beide Ortschaften. In 1937 wurden die Felder von 13 Farmen suedlich von Malton als zukuenftiger Flughafen fuer Toronto designiert, heute der groesste Flughafen in Kanada (Pearson International Airport).
Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts folgten Italiener und Portugiesen, und seit etwa 1980 hauptsaechlich Inder (Sikhs) und andere Asiaten, sowie Einwanderer aus den karibischen Inseln und Laendern. Heute ist Malton fast 100 % von Sikhs bewohnt, waehrend Brampton 60% oder mehr multikulturell sind, mit einem grossen Teil von Sikhs und Moslems. Die drei Ortschaften sind inzwischen total zusammen geschmolzen und in 1974, im Trend der Kanada-weiten “Regionalisierung”, wurde Malton in Mississauga , Bramalea in Brampton, und Brampton in Peel eingegliedert.
Die Grund-Idee von Bramalea war, hauptsaechlich britsche hierher zu bringen, und am Anfang waren es auch diese, die sich zuerst hier ansiedelten. Als wir hier ankamen, war Bramalea tatsaechlich fast 100% von Englaendern, Schotten und Iren bewohnt. Viele von ihnen arbeiteten in Malton in den britischen Flugzeug-Firmen Avro und deHavilland.
Der Bau der Haeuser begann fast sofort, und das erste wurde im November 1959 von einer Familie namens “Anderson” bezogen.
Die Strassen in Bramalea wurden alphabetisch benannt, d.h. dass sie im “Stage One” (ersten Gebiet) saemtlich mit dem Buchstaben “A” beginnen. Wir wohnen im “Stage Five”, wo alle mit dem Buchstaben “E” beginnen. Das macht die Orientierung sowie das Auffinden von Strassen sehr leicht.
Der Anfang lief sehr langsam, aber in 1967 wurde der “HOME” Plan von der damaligen Ontario-Regierung unter Premier John Robarts eingefuehrt. Es ist ein Akronym fuer “Home Ownership Made Easy”, welches es fuer junge Familien moeglich machte, ein Haus ohne die bis dahin notwendigen hohen Anzahlungen zu kaufen.
Das von der Regierung gegebene Mandat fuer Bramalea Consolidated war, zuerst 1,066 Haeuser in Bramalea zu bauen , mit Preisen von $ 12,000 und $ 17,000. 50% der Haeuser durften nicht mehr als $ 14,000 bis $ 15,000 kosten.
Der erste Massen-Verkauf von Haeusern fand vom 7. bis 9. August 1967 statt, und mehrere Hundert Familien unterschrieben ihre Absicht, Haeuser in Bramalea zu kaufen.
Fuer die meisten von ihnen wurde dieses, dank der vorzueglichen Kaufbedingungen, bald Wirklichkeit.
Fuer uns kam der entscheidende Moment am 12. August 1968. Wir hatten 65 Stunden lang Tag und Nacht mit vielen anderen Familien angestanden, um eines der 41 Haeuser zu bekommen, welche aus einem westlichen Stadtteil von Toronto in eine besonders zu diesem Zweck designierte Strasse transportiert wurden. Es war das einzige Mal, dass so etwas in Kanada passierte, weil es sich danach als zu teuer im Vergleich zu Neubauten erwies. 61 weitere Haeuser wurden zur selben Zeit in unserer Strasse zwischen den 41 Haeusern gebaut.
Wir bezahlten $ 23,500 fuer unser Haus, mit $ 1,250 Anzahlung. Heute ist es beinahe $ 300,000 wert. Unsere Hyphotek lief ueber 35 Jahre, aber wir zahlten sie bereits lange vorher ab.
In 1960 hatte Bramalea 1,900 Einwohner, in 1967 waren es 11,000. Zur Zeit unseres Hauskaufs in 1968 waren es bereits 12,000. Die Stadt Brampton hatte in 1960 etwa 15,000 Einwohner, in 1967 waren es 37,700, in 2007 bereits 450,000. Es ist eine der am schnellsten wachsenden Staedte in Kanada und wird Ende 2010 schaetzungsweise 510,000 Einwohner haben. Basiert auf dem britischen Modell wurde das Konzept von Bramalea inzwischen mehrfach in Kanada kopiert.
Auch in Deutschland gibt es ahenliche Projekte, die hauptsaechlich zwischen 1960 und 1975 konzeptiert wurden. “Satelliten-Staedte” wie Erkrath-Hochdahl, Meckenheim-Merl, Wulfen, “Satelliten-Siedlungen” wie das Maerkische Viertel bei Berlin, Garath bei Duesseldorf, Chorweiler bei Koeln, Neuperlach bei Muenchen, sowie “Trabanten-Staedte” wie das Olympische Dorf bei Muenchen. In anderen Laendern wie z.B. China sind Satelliten-Staedte ein neuerer Trend.
Obwohl “Bramalea” seit der Assimilierung heute offiziell nicht mehr existiert, lebt der Name noch weiter. Das “Bramalea City Center” ist immer noch unser Shopping Mall, wir leben nahe der “Bramalea Road”, die Schule unserer Kinder heisst immer noch “Bramalea Secondary”, und auch die Sport Clubs und andere Organisationen enthalten immer noch den Namen “Bramalea”.
Und besonders die aelteren Bewohner weigern sich immer noch, ihren Wohnort als “Brampton” zu betiteln. Nun, in dieser Hinsicht gehe ich eigentlich mit der Zeit und gebe meine Adresse als “Brampton” an, weil “Bramalea” nicht mehr auf den Landkarten erscheint.
Peter Iden
Brampton, Ontario, Kanada