Dieser Beitrag handelt zwar nicht direkt mit einem kanadischen Thema, aber es bestehen trotzdem einige sehr gewichtige Verbindungen mit Kanada und Deutschland.
Die Indianer Kanadas:
Die Behandlung der kanadischen Indianer durch die Siedler und die kanadische Regierung ist sehr bekannt und ist etwas später in diesem Beitrag erklärt.
Graham Greene und John Voight, Schauspieler:
Graham Greene ist der Hauptdarsteller in dem Film “Ishi, The Last of His Tribe”, welcher der Ursprung meiner Idee war, etwas über diesen Film und die Geschichte zu berichten (außerdem ist John Voight ein deutschstämmiger Slowake, der den Antropologen Kroeber in diesem Film spielt).
Graham ist ein First Nation Oneida, geboren in 1952 in der Oshweken Reserve in Südontario. Er hat eine berühmte Show-Karriere hinter sich, unter anderem auf der Bühne, im Fernsehen und in Filmen (Dances with Wolves in 1990, der seine Karriere began, gefolgt von Thunderheart, Wind River und vielen anderen), sowie als Aktivist für die Rechte der Indianer der First Nations. Wir trafen ihn zuerst mit Susan Aglukark in 1992, bei dem ersten Auftritt der Inuit-Sängerin aus Churchill, Manitoba, deren Karriere er startete.
Alfred Louis Kroeber:
Alfred Louis Kroeber, ein Deutsch-Amerikaner mit lutherischem und jüdischem Hintergrund der Zweiten Generation, ein Antropologe, der bereits mehrere antropologische Textbücher geschrieben hatte, bevor er den Indianer Ishi unter seinen Schutz nahm. Mit seiner Schulung in der deutschen intellektuellen Tradition sowie seiner Kenntnis mehrerer Sprachen (inclusive Indianersprachen) war er der einzige Mensch, der sich zuerst mit Ishi verständigen konnte und sein Vertrauen bekam.
Ishi (Yahi für “Mann”) tauchte im Sommer 1911 nackt in einem Schlachthaus in Oroville, Kalifornien auf, wo er auf der Suche nach Esswaren von dem Eigentümer und dessen Freunden gestellt und festgenommen wurde, wähend diese die Antropologen Professor T.T. Waterman und Alfred Kroeber verständigten. Waterman identifizierte Ishi als den letzten einer Gruppe von Indianern, welche Jahrzehnte lang im kalifornischen Hinterland ihr primitives Leben weiter geführt hatten, wahrscheinlich als Abstämmige des Yahi-Stammes der ausgestorbenen Wintu, Maidu oder Nomlaki-Indianer. Ishi’s Familie wurde von einer Gruppe von mordenden U.S Soldaten und Indianer-Hassern getötet. Nur Ishi überlebte.
Waterman nahm ihn mit sich zur University of San Francisco Antropologie-Abteilung, wo er unter der Obhut von Alfred Kroeber lebte, bis er dort am 25. März 1916 an Tuberkulose starb. Kroeber starb am 5. Oktober 1960 in Paris, wahrscheinlich ebenfalls an Tuberkulose.
Anmerkung: Tuberkulose ist eine Krankheit, welche die späteren weißen Siedler und Einwanderer mit sich brachten. Die vorherige Anfälligkeit der Indianer für Pocken, Masern und Grippe, an denen mehr als 90% der Indianer starben, wurde durch die Tuberkulose abgelöst. In meinen Besuchen bei den Indianern auf der Cape Croker Reserve war ich immer darauf bedacht, zumindest nicht aus denselben Tassen oder Behältern wie sie zu trinken. Die meisten der Indianer hatten bereits längere Zeit mit Tuberkulose in südkanadischen Sanatorien verbracht, und ihre Heilung dort war absolut nicht garantiert.
Später allerdings wurde mir bewusst, dass “TB” auch durch Bakterien-Übertragung beim Atmen, Husten, Sprechen oder Singen weiter gegeben werden kann. Eine Tatsache mit der sich die gesamte Welt heutzutage mit Covid-19 abfinden muss.
In den 1950’er Jahren waren mindestens ein Drittel der Inuit in Kanada mit Tuberkulose infiziert. Von 1950 bis 1969 wurde ein Canadian Coast Guard Schiff spezifisch für den Zweck ausgerüstet, viele Tausende Inuit in die Sanatorien in Süd-Kanada zu transportieren, ohne dass sie sich von ihren Familien verabschieden oder persönliches Eigentum mitnehmen durften.
Anthropologist Alfred Kroeber
and
the man he named Ishi on the right.
In 1956 waren ein Siebtel der gesamten Inuit-Bevölkerung in Süd-Kanada interniert, normalerweise bis zu 2-1/2 Jahre lang, andere sogar länger. Wenn sie starben, wurden sie in südlichen Armen-Gräbern bestattet und ihre Familien wurden nicht von ihrem Tod informiert. Viele von ihnen verschwanden ohne irgendwelche Spuren.
Unter den Kindern in den Residential Schools war das Sterben an Tuberkulose ein sehr häufiger Fall. 8.000 pro 10.000 Kinder starben daran, eine erschreckende Anzahl wenn man bedenkt dass 150.000 Kinder in dieses Schul-System gepresst wurden! Die Namen von nur etwa 3000 dieser Kinder wurden im Herbst 2019 bekannt gegeben (Quellen: Toronto Star, Globe and Mail, CBC Television).
Residential Schools existierten in allen Provinzen außer Prince Edward Island, New Brunswick und Newfoundland. Die letzte Residential School in Kanada wurde in 1996 in Saskatchewan geschlossen, nach 160 Jahren dieses von katholischen und anderen Kirchen organisierten, von Steuergeldern bezahlten Schulsystems. Ausser den Todesfaellen durch Tuberkulose und anderen Krankheiten dürfen diese Kirchen auf ihre Schandtaten des körperlichen, seelischen und sexuellen Missbrauchs der Kinder zurück blicken! Die kanadische Regierung hatte sich bereits in 1998 bei den First Nations für das Unrecht der Residential Schools entschuldigt. Prime Minister Justin Trudeau bekräftigte nochmals diese Entschuldigung in 2015 (Quellen: Tages-Medien wie oben).
Die Auszahlung von“Schmerzens-Geldern” an die Opfer des Residential School Systems begann in 2007. Heute warten noch mehr als 38.000 Antragsteller auf ihr Geld, obwohl bisher 3,1 Milliarden Dollar ausgezahlt wurden. Eine endgültige Auszahlung kann sich noch um mehrere Jahre verzögern.
Aber nun noch einmal kurz zurück zu Ishi. Nach seinem Tod wurden etwa ein halbes Dutzend Bücher über ihn geschrieben, eines davon von Theodora Covel Kracaw Kroeber Quinn, Alfred Kroeber’s Frau (Ishi in Two Worlds, 2011), die ebenfalls eine Antropologin kalifornischer Indianerstämme war, sowie ein deutsches Buch (Ishi, der Letzte seines Stammes, 1987). ZDF spielte eine Mini-Serie in 1983 (ein Dokumentarfilm in drei Teilen).
Hierzu noch ein hoch interessantes Video: https://www.youtube.com/watch?v=635cJV4gkXI
(Anmerkung: Die Verantwortung für die Wahl der Bilder in diesem Beitrag liegt einzig und allein bei dem Autor unter der Fair Dealing Provision der kanadischen Copyright-Gesetze)
1 Kommentar
Vielen Dank für die tolle Zusammenfassung. Rückt vieles in ein anderes Licht als zumindest ich es aus der naiven Literatur kannte.