Québec erleben mit der Familie – im Mauricie Nationalpark (Folge 2)

von Marc Lautenbacher, zertifizierter Stadtführer des Fremdenverkehrsamtes der Stadt Québec

von Marc Lautenbacher
Mauricie Nationalpark

Ein junges Tannenhühnchen, das uns aufmerksam beäugt. (Foto: Marc Lautenbacher)

Unseren zweiten Tag beginnen wir mit einem opulenten franko-kanadischen Frühstück, das uns Catherine, die Mitinhaberin unserer Privatpension La Maison Sous Les Arbres* persönlich serviert. Es ist ein regelrechtes kulinarisches Vergnügen in 4 Gängen mit Müslicocktail, Fruchtsalat, Naturjoghurt und leckerem „Pain doré“ (Arme Ritter), das wir in dieser Form nicht erwartet hatten. Eine Familie aus Bordeaux schlemmt ebenfalls mit uns und man tauscht sich angeregt über seine Erfahrungen im Nationalpark aus. Wir erzählen, dass wir heute zur anderen Seite des „Lac Wapizagonke“ fahren wollen, wo wir am Vortag auf dem Parkplan eine Halbinsel und einen Lehrpfad entdeckt hatten.

Zuvor decken wir uns beim lokalen Supermarkt noch opulent mit Provision für ein Picknick am See ein und los gehts. Der „Point Esker“ ist das Ziel, den man nach einem Fußmarsch durch den Wald erreicht. Er liegt wirklich idyllisch, direkt an einer Verengung des Gewässers, gerade da, wo sich eine Biberfamilie just ihre Burg gebaut hat. Außerdem ist es der Knotenpunkt einiger Kanu- und Kajakausflügler, die dort vor unserer Nase vorbei paddeln. Obwohl es Hochsaison ist, hält sich der Verkehr in Grenzen. Fantastische Stille! Wir haben unsere Halbinsel fast ganz für uns alleine, ein Bussard kreist über uns, die Seefrösche quaken verhalten, die Sonne scheint warm und der See kühlt aufs allerbeste. Heute zeigt uns das Thermometer erneut 31 Grad Celsius. Als wir unser Picknick auspacken, das ich mit einer frisch erblühten Seerose schmücke, die im Übermaß direkt am Uferbereich blühen, bekommen wir Besuch von zwei Enten. Es sind Dunkelenten (Anas rubripes), eine rein nordamerikanische Art und sie ähneln sehr den weiblichen Stockenten in Deutschland, wobei die männlichen Tiere identisch gefärbt sind wie die weiblichen. Dieser so genannte Geschlechtsdimorphismus gilt als große Ausnahme bei Entenvögeln!

Parc Mauricie M Lautenbacher Wanderweg

Was ist eigentlich ein Moor?

La Tourbière, obwohl nur ein relativ kurzer Rundweg auf einem Holzsteg, ist dann das große Ereignis des Tages. Bislang hatte ich noch nicht ein so herrlich erhaltenes und vor allem naturbelassenes Hochmoor besuchen können wie dieses. Die Lehrtafeln, natürlich alle auf Französisch, erklären hervorragend die biologische Bedeutung eines Moores, seine Entstehung und die damit geschaffenen, sehr speziellen Lebensbedingungen für die Pflanzenwelt. Es ist abermals sehr ruhig, kein sonstiger Besucher ist anzutreffen und wir begeben uns hinein in die Atmosphäre dieses – auf den ersten Blick – sehr unspektakulär wirkenden Mikrokosmos! 

Aufschlussreich für mich ist, dass ganz in der Nähe ein Naturschutzgebiet existiert, das eigens zum Schutz der dortigen Moorlandschaft eingerichtet wurde: das Réserve écologique de Lac-à-la-Tortue (zu Deutsch: Ökoreservat des Schildkröten-Teiches). Noch ganz betäubt von all den Eindrücken und den Geheimnissen der Natur fahren wir in unser Basislager nach Shawinigan zurück. Shawinigan selbst ist die Regionalhauptstadt mit knapp 50.000 Einwohnern, deren Name, wie des öfteren in Kanada, aus der Sprache der Ureinwohner stammt. Er beschreibt einen Trageweg am Hang eines Hügels zur Umgehung der Wasserfälle, die zur Entwicklung der Stadt ab Ende der 1890er Jahre zu einem bedeutenden Industriestandort Kanadas beitrugen. So findet das Abendessen bei „Le Radoteux“ statt. Es ist ein hypermodernes Steakhouse auf der heißen Meile der Stadt. Exzellente Küche. Seit neuestem betreibt es neben dem Restaurant ein Hotel mitten in der Stadt.

Parc Mauricie M Lautenbacher DOPPELSEITE

Unermessliche Weiten im “Parc national de la Mauricie”, erst erkennbar an den beiden Kanufahrern, siehe Pfeil (Foto: Marc Lautenbacher)

 

Auch der kommende Tag ist aufs Neue von Sonnenschein gekrönt und wir wollen unseren dritten Tag im Park verbringen, um weitere Orte kennen zu lernen, die wir am Vorabend auf der offiziellen Karte des Nationalparks als sehenswert erachtet hatten. Insbesondere wollen wir den gesamten Park komplett durchqueren, um seine wahren Ausmaße noch intensiver erleben zu können. Nach einer ausführlichen Verabschiedung unserer beiden Herbergseltern Catherine und Jacques geht es wieder über Saint-Mathieu zum Haupteingang West, den wir nun schon bestens kennen. Von dort aus führt die Parkstrasse immer den Berg hinauf, bis wir einen Aussichtspunkt erreichen, der sich komischerweise „Vide-Bouteille“ nennt, also „Leere Flasche“. Der Begriff interessiert mich. Er bezeichnet im Sprachgebrauch ein kleines Haus, weitab der Stadt, das deshalb zum Ort von Trinkgelagen wurde, also dort, wo man Flaschen leerte! Der Aussichtspunkt bietet einen berauschenden Blick auf die unendliche Weite der Wälder und den „Lac Wapizagonke“, wo Marie zwei kleine, rote Punkte entdeckt, die sich beim genauen Hinsehen als Kanus entpuppen. 

Nächster Stop ist die Aussichtsplattform „Le Passage“, höchste Erhebung mit gut 900 Metern im Park, die ebenfalls ein spektakuläres Panorama auf die wilde Seenlandschaft bietet. Zwei Radler flitzen unter uns vorbei … Respekt, denke ich! Wir kommen mit einem der Besucher aus Frankreich ins Gespräch und er empfiehlt uns dringend, die hier beginnenden 13 Kilometer des Rundweges „Vieux-Brûlis“ zu erwandern.

Parc Mauricie M Lautenbacher Lac Wapizagonke

Panoramablick von der Aussichtsplattform „Le Passage“, der höchsten Erhebung im gesamten Parkgebiet. (Foto: Marc Lautenbacher)

Kanu oder nicht – das ist hier die Frage

Wir haben jedoch andere Pläne. Es ist gerade erst Viertel nach Neun, aber schon richtig heiß an diesem grandiosen Augustmorgen. Man hatte uns gesagt, der Lac Eduard sei ein herrlicher Badesee im Wald, mit viel Schatten, einem Kanuverleih und sogar einem kleinen Imbiss. Doch Marie hat heute aus unerklärlichen Gründen so richtig “fette” Rückenschmerzen – also wird es nichts mit einem Abenteuer à la Winnetou! Trotz alledem gehe ich zur Kanuanlegestelle hinunter, wo eine äußerst spannende Route beschrieben ist: Vom Kanuverleih aus 1000 Meter mit dem Bootszubringer auf den Lac Soumire. Dort durch den See 2 Kilometer Kanu fahren, danach 500 Meter das Boot zum Lac Giron umtragen und weitere 3 Kilometer paddeln. Dann 1 Kilometer das Boot tragen, bis man den nächsten Lac Dubon erreicht, den man 500 Meter durchquert, um weitere 800 Meter das Kanu zum Lac Dauphins hinauf zu tragen bis man schließlich an einem angelegten Campingplatz mitten in der Wildnis übernachten kann. Ich merke mir die Tour fürs nächste Mal vor!

Wir bleiben den Tag über am Strand mit feinem, gelbem Sand, der am heutigen Sonntag ganz besonders auch von den Einheimischen frequentiert wird. Da der Strand sehr seicht in den See hineinfällt, ist er wie geschaffen für Familien mit kleinen Kindern, die eifrig im Sand baggern und die den Ort für mich beinahe wie Mallorca aussehen lassen. Trotzdem habe ich an unserem Plätzchen direkt am Wasser ausreichend Ruhe, die Fauna und Flora zu fotografieren. Und plötzlich, ich glaub’s fast nicht: ein Trupp von gar nicht scheuen, noch ganz jungen Tannenhühnern schaut bei uns vorbei, die emsig das Unterholz auf Nahrung absuchen. Es wird mein Nationalparkfoto des Tages, wie mich einer der Wildvögel, der mich nur wenige Meter näher kommen lässt, genauestens fixiert.

„oTENTik“ – die prima Formel

Nach ein paar erfrischenden Zügen im noch erfrischenderen, recht kühlen Seewasser wollen wir weiter, denn wir haben gerade erst die Hälfte des Parks durchquert. Nächster Halt soll der noch 27 Kilometer entfernte Pavillon „Rivière-à-la-Peche“ sein – zur Kaffeepause versteht sich – und wir haben Glück, dass der Kiosk noch geöffnet hat. Wir verwöhnen uns mit einem leckeren, frisch gebrühten Kaffee samt einem Apfelkuchen mit Sahne. Herz, was willst Du mehr.

Beim Rundgang zum naheliegenden Campingplatz mit immerhin 236 Stellplätzen erfahren wir, dass dieser ganzjährig geöffnet ist und damit auch im Winter. Außerdem kann man von einem sehr praktischen Angebot der Parkverwaltung Gebrauch machen, kurz „oTENTik“ genannt. Es ist ein Wortspiel aus authentique – zu deutsch: authentisch – und dem französischen Wort für Zelt = Tent. Das Ganze ist ein fix und fertig aufgestelltes Zelt, ausgelegt für maximal 6 Personen, auf einem erhöhten Holzpodest mit kleiner, überdachter Freiterrasse, voll möbliert mit hervorragend ausgestatteter Küche sowie mit Stromversorgung und Propangasheizung. Die Zelte können ebenso im Winter angemietet werden. Wir haben vor, das in Kürze einmal auszuprobieren!

Village Grandes Piles

Das pittoreske Dorf direkt am Fluß Saint-Maurice „Grandes-Piles“, was auf deutsch “große Stapel” (von Holz) bedeutet. (Foto: Marc Lautenbacher)

 

Der Eingang Ost mit dem Besucherzentrum „Saint-Jean-des-Piles“ ist nun nicht mehr weit, auch der Nachhauseweg nach Québec wird es nicht. So mache ich in der stimmungsvollen Abendsonne noch einige Fotos des Flusses Saint-Maurice, der dem Nationalpark ja seinen Namen gegeben hat. 

Schön wars, wir kommen wieder!

 

INFO:
Adresse: Ortsdaten für den Haupteingang „Saint-Mathieu-du-Parc“
Geo-Lokalisation: ♁ 46° 38′ 54,4“ N, 72° 57′ 57,1″ W

Anfahrt:
– Mit dem eigenen Auto von Montréal auf der Autoroute 40 kommend bis Trois-Rivières. Bei Ausfahrt Nr. 196 die Autoroute 55 NORD in Richtung Shawinigan einfädeln, dann bis Ausfahrt Nr. 217 und auf der route National 351 der braunen Beschilderung folgen in Richtung Saint-Mathieu-du-Parc, Fahrzeit 2 1/2 Std. für 190 km

– Mit dem eigenen Auto von Québec-Stadt auf der Autoroute 40 kommend bis Trois-Rivières. Am Autobahnkreuz auf die Autoroute 40 bzw. 55 NORD schnurgerade in Richtung Shawinigan weiter, dort bis Ausfahrt Nr. 217 und auf der route National 351 der braunen Beschilderung folgen in Richtung Saint-Mathieu-du-Parc, Fahrzeit 2 1/4 Std. für 195 km

– Mit dem Zug des staatlichen Bahnunternehmens ViaRail (www.viarail.ca) bis zum nächst gelegenen Bahnhof in Shawinigan, von dort einen Mietwagen nehmen oder umsteigen in den Regionalbus (Transport collectif du Haute-St-Maurice)

– Mit dem Bus (www.orleansexpress.com) von Québec-Stadt oder von Montréal bis Trois-Rivières, dort umsteigen in den Regionalbus (Transport collectif du Haute-St-Maurice)

– Die Mitfahrzentralen „amigoExpress“ und „Covoiturage.ca“ bieten in der gesamten Provinz günstige Mitfahrgelegenheiten von Privatpersonen an. Reservierung über das Mobiltelefon. 

Öffnungszeiten: ganzjährig, von 8.00 bis zum Sonnenuntergang, Service-Bereiche sind nur zu bestimmten Zeiten geöffnet 

Eintritt: Erwachsene von 18 – 64 J. = 8,50 CAD, Rentner ab 65 J. = 7,25 CAD, Kinder bis 17 J. haben freien Eintritt

Aktivitäten: Wandern, Tiere bobachten, Schwimmen, geführte Touren durch Parkmitarbeiter, Fahrradverleih für Kinder und Erwachsene, Camping vor Ort, Angeln, Verleih von Ruderbooten, Kajaks und Kanus sowie sogenannte Rabaska (12-Sitzer Kanus) sowie diverse Freizeit-Veranstaltungen für Gross den Klein.

Unterkünfte: Mietangebote im Nationalpark von bereits aufgestellten Zelten mit kompletter Ausstattung (oTENTik). Es ist ein fix und fertig aufgestelltes Zelt auf einem erhöhten Holzpodest mit kleiner überdachter Freiterrasse, ausgelegt für maximal 6 Personen, voll möbliert mit voll ausgestatteter Küche sowie mit Stromversorgung und Propangasheizung. 

Telefon in Kanada: 1-877-737-3783, täglich von 8 – 18 Uhr
Telefon ausserhalb Kanadas: 1-519-826-5391
www.reservation.parcscanada.gc.ca
Webseite: www.tourismemauricie.com

*ANMERKUNG: Die beschriebene Pension „La Maison Sous Les Arbres“ ist seit 2020 geschlossen.

Folge 1: Québec erleben mit der Familie – im Mauricie Nationalpark

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