Western Rattlesnake
Die Jahre nach meiner Ankunft in Kanada im April 1954 verbrachte ich bis 1957 mit der Erkundung meiner neuen Heimat. Fast ohne Ausnahme fuhr ich jedes Wochenende in den Algonquin Provinz-Park, den Killarney Provinz-Park oder in die Bruce-Halbinsel. Zuerst fuhr ich mit Bekannten, die auf dem Weg zu ihren Cottages im Norden waren und mich auf ihrem Rueckweg wieder abholten. Etwas spaeter fuhr ich mit meinem VW-Kaefer, wo immer der auch mit mir hinwollte.
Bevor ich meine Abenteuer-Geschichte beginne, waeren einige wichtige Informationen ueber die giftigen Schlangen in Kanada angebracht, besonders fuer Besucher aus Europa, die Schreckensgeschichten ueber Klapperschlangen in Kanada gehoert oder gelesen haben. Es gibt hier 26 Schlangenarten, jedoch nur vier Giftschlangen, die “Rattlesnakes” (Klapperschlangen). Das sind die Massasauga Rattlesnake in Ontario, die Prairie (Western) Rattlesnake im Sueden von Alberta und Saskatchewan, die Pacific Rattlesnake in British Columbia und die seltene Desert Nightsnake in den Okanagan und Similkameen Valleys.
Pacific Rattlesnake
Alle Arten von Klapperschlangen sind heute als “gefaehrdet” geschuetzt.
In Ontario leben die Massasauga-Klapperschlangen vorwiegend in den flachen, sumpfigen Gebieten und Waeldern um die ganze Georgian Bay herum, wo sie Froesche und andere Kleintiere jagen, besonders in den lichten Waeldern. Sie sind besonders zahlreich in der Bruce Halbinsel. Ihr groesserer Cousin, die Timber Rattlesnake der Niagara-Schlucht, wird nach ihrer letzten Sichtung in 1941 als ausgestorben betrachtet.
Massasauga Rattlesnake
Klapperschlangen, wie auch alle anderen Schlangen sind scheu und greifen nicht an, ohne provoziert zu werden. Hoert man das Klappern, sollte man sofort zurueck treten oder gehen. Und niemals mit den Haenden in unbekannte Plaetze reichen (z.B. zwischen Pflanzen oder Steinen). Das ist besonders um die gesamte Georgian Bay herum in Ontario und in der Umgegend von Kamloops sowie im Similkameen Valley in British Columbia wichtig zu befolgen. Hunde sollten in Schlangengegenden immer (!) angeleint bleiben.
Schlangenbisse sind relativ selten in Kanada. Nur etwa 100 Menschen werden im Jahr gebissen. Drei Todesfaelle durch Rattlesnake-Bisse sind in den letzten Jahrzehnten bekannt, der letzte in 1962. Diese Menschen waren wahrscheinlich durch andere Krankheiten praedisponiert.
Die Chancen in Kanada von Baeren, Woelfen oder Elchen getoetet zu werden sind erheblich hoeher, aber trotzdem haben 40% aller Kanadier mehr Angst vor Schlangen als vor anderen Tieren. Das zweite “Furcht-Tier” der Kanadier sind Spinnen wie z.B.die “Black Widow” (Schwarze Witwe), die ich nur einmal in Kanada gesehen habe. Es war auf unserer Hochzeits-Kanufahrt auf dem Severn River und seinen Nebenfluessen (wir konnten uns keine Hochzeitreise leisten) und das Black Widow Erlebnis wurde zu unserem “Privat-Witz” durchaus unserer Ehe. Allerdings folgten fuer uns zahlreiche spaetere Reisen in viele Laender der Welt, nachdem unser Geschaeft sehr erfolgreich wurde.
Was sollte man also machen, wenn man von einer Schlange gebissen wird? Zuerst einmal: keine Panik! Ruhig bleiben. Zwei Drittel aller Bisse sind “Trockenbisse” ohne Gift-Injektion. Auf keinen Fall sollte man die Bisswunde aufschneiden, mit Creme oder Flussigkeiten einreiben oder das Gift mit einer Pumpe oder sogar mit dem Mund aussaugen. Das waere sinnlos, denn es ist bereits im ganzen Blutsystem verbreitet. Ebenso ohne Erfolg waeren eine Eispackung, ein Tourniquet oder eine Aderpresse.
Im Gegensatz zu Kanada gibt es in Europa 15 verschiedene Arten von giftigen Schlangen. Deutschland ist relativ “Schlangenlos” mit insgesamt nur sechs Schlangenarten, darunter jedoch zwei giftigen: die ueber ganz Europa verbreitete Kreuzottern und die Aspisviper. Die Ringelnattern sind absolut harmlos, wie auch in Kanada die Green Snakes, Grass Snakes und Garter Snakes.
In Deutschland wurde seit 1960 nur ein einziger Todesfall durch einen Kreuzotterbiss auf der Insel Ruegen registriert, eine 81-jaehrige Rentnerin, die in 2004 an den allergischen Folgen eines Bisses, aber nicht durch das Gift starb.
Etwa zehn Prozent der Bienen- und Wespen-Allergiker in Deutschland reagieren auch negativ auf Bisse von Kreuzottern oder Aspisvipern. Normale Anzeichen sind Schwellungen , Blutgerinnung und Laehmungen. Fuer Kinder und alte Menschen sind Schlangenbisse als lebens-gefaehrlich anzusehen, genau wie auch in Kanada.
Eastern Water Snake
Vier der kanadischen Schlangenarten in Kanada sind wegen ihrer aehnlichen Markierungen allerdings fuer einen Laien leicht zu verwechseln mit den Klapperschlangen: die Eastern Milksnake, die Eastern Foxsnake, und die Eastern Watersnake, die jedoch saemtlich nicht klappern koennen. Die Eastern Hog-nosed Snake benimmt sich jedoch, wenn gestoert, wie eine indische Kobra: sie richtet ihren Vorderkoerper auf und faucht. Alle dieser Schlangen klappern nicht, aber koennen im Unterholz leicht rascheln. Sie haben keine giftigen Fangzaehne, beissen nur gelegentlich mit einem Rueckbiss. Sie sind sehr agil aber harmlos fuer Menschen.
Als Kenner von Schlangen habe ich saemtliche von ihnen bereits ohne Gefahr aufgenommen und in der Hand gehalten. Ihre Zahnplatten koennen bei einem Biss zu Blutungen fuehren und ein mildes Antikoagilanzium uebertragen. Fuer Menschen die Blutverduenner-Tabletten einnehmen (ebenfalls ein Antokoagilanzium) koennte das zu Blutungen fuehren.
Meine aelteste Enkelin zuechtet Geckos und hat zwei kleine Python-Schlangen in ihrem Zoo im Keller-Apartment meiner aeltesten Tochter, bei der sie wohnt. Niemand in unserer Familie hat Probleme diese “Wuerge-Schlangen” zu handhaben.
Nun also zu meinem eigentlichen Schlangenjagd-Abenteuer.
Ich kampierte an der Singing Sands Beach, einem Strand auf der flachen Westseite der Bruce Halbinsel, wo das Wasser so flach ist dass man einen Kilometer weit in die Bucht gehen kann, bis das Wasser die Huefte erreicht. Der Name stammt von dem “singenden” Geraeusch welche die Sandkoerner hervorbringen wenn sie im Wind aneinander reiben, ein Phaenomen auch in anderen Teilen der Welt.
Ein Motorradfahrer gesellte sich zu mir, und wir verbrachten den Abend an einem kleinen Lagerfeuer und teilten unsere Mahlzeit und Geschichten miteinander. Natuerlich kam das Gespraech auch auf die Klapperschlangen, welche den seichten Sumpf nahebei bevoelkerten.
Der Biker schlug vor, dass wir einige von ihnen fangen und zur Schlangenfarm am Anfang der Bruce bringen koennten, welche fuenf Dollar fuer jede Schlange zahlten, deren Gift abmelkten und daraus ein Gegengift produzierten. Die Schlangen wurden dort fuer zukuenftige Giftabnahme in grossen Zement-Terrarien gehalten.
Die Idee war gut, aber wir hatten nicht die fuer den Schlangenfang notwendige Ausruestung, also blieb das Projekt unausgefuehrt, jedoch in meinem Gehirn aktiv. Wir schliefen trotz der Schlangen in unseren Schlafsaecken am Strand, in der Hoffnung dass uns auch die Baeren und anderes Waldgetier nicht stoeren wuerden.
Am naechsten Wochenende war ich ausgeruestet, auf Klapperschlangen-Jagd zu gehen. Die Schlangen haben nur sehr kurze Faenge und koennen nicht durch Stiefel oder lockere Kleidung beissen. Ich trug hohe Stiefel, feste Jeans-Hosen, hatte meinen selbstgemachten Schlangenstock mit, sowie einen grossen Sack und eine Impfungs-Ampulle mit Gegengift. Der Schlangenstock hat einen flachen Haken am Ende. Mit dem Haken hebt man eine Schlange auf, welche sich wegen ihrer Koerperstruktur nicht herunter “schlaengeln” kann. Mit der flachen Seite des Hakens drueckt man eine Schlange zum Boden, um sie dann mit der Hand hinter dem Kopf aufzuheben. Auf keinen Fall sollte aber ein Laie eine Schlange ohne Kenntnisse ihrer Art oder Gewohnheiten mit den Haenden beruehren oder aufheben.
Eastern Rattlesnake
Ich fuhr zur Ostseite der Bruce, wo ich im Wald mehrere Rattler gehoert und gesehen hatte. In einer halben Stunde hatte ich ein halbes Dutzend von ihnen im Sack. Ich wollte im Auto schlafen und am Morgen zur Schlangenfarm fahren.
30 Dollar waren eine Menge Geld damals. Milch kostete 22 Cents pro Liter, Butter $ 3.99 das Pfund, Eier 55 Cent pro Dutzend, Benzin 23 Cents fuer eine Gallone.
So hatte ich es vorgeplant. Aber die Schlangen wollten es anders. Sie sind Abend- und Nacht-Jaeger, die ihre Opfer mit ihren Geruchsdruesen und Zungen aufspueren. Das ergab eine Unruhe im Kofferraum, die mir wenig behagte. Nach etwa zwei Stunden geraeuschvoller Schlaflosigkeit nahm ich den Schlangensack und entliess alle wieder in den Wald.
Ende meiner kurzen Karriere als Klapperschlangen-Jaeger!
(Anmerkung: Die Verantwortung für die Wahl der Bilder in diesem Beitrag liegt einzig und allein bei dem Autor unter der Fair Dealing Provision der kanadischen Copyright-Gesetze)