Ostern in Vancouver, die „Perle am Pazifik“ [Folge 1]

von Marc Lautenbacher
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Herrliches Osterwetter in Vancouver am False Creek (Foto: Marc Lautenbacher)

Aufregende Entdeckungsreise zu dieser außergewöhnlichen Stadt Westkanadas, gezeigt aus der unvoreingenommenen Sicht unseres fünftägigen Erstbesuchs. Ich verstehe nun all zu gut, warum man die ehemalige Olympiastadt zwischen schneebedeckten Berggipfeln und dem Pazifischen Ozean so gerne besucht. Erlebnisse während eines Abstechers zur Osterzeit in der heimlichen Hauptstadt Kanadas.

Wir kommen exakt am Ostersonntag nachmittags in Vancouver an – nach unserem fünftägigen Roadtripp über die höchste Bergkette Kanadas und einer total aufregenden Wegstrecke von insgesamt 1248 Autokilometern. Etwas müde aber dennoch gut gelaunt wollen wir im Stadtteil Dunbar, gleich bei der „University of British Columbia“ unser B&B beziehen, das in einem der ruhigeren Wohnviertel liegt und das wir für die ganzen Osterferien schon Wochen zuvor per Internet reserviert hatten.

Doch es sieht ganz und gar nicht so aus, wie es im Internet angepriesen wurde. Das Gästezimmer hat zwar ein eigenes Badezimmer und es ist groß und hell. Es hat aber keine Vorhänge, die man abends zuziehen kann und wir haben das dumpfe Gefühl, unsere Hosts, ein etwas älteres Ehepaar asiatischer Abstammung vermieten nur dieses eine Zimmer in ihrem Privathaus. Also nichts mit Erfahrungsaustausch mit anderen Gästen, worauf wir so großen Wert legen. Auch soll das Frühstück auf einmal zwanzig Dollar zusätzlich kosten – davon war keine Rede bei der Reservierungsbestätigung per E-Mail. Ich frage nach dem Zimmerschlüssel, aber John, der Besitzer antwortet nur lapidar, dass wir keinen benötigen würden – er oder seine Frau wären ja immer da! Obendrein erscheint uns die Lage des Hauses viel zu weit vom Stadtzentrum entfernt, denn wir wollen viel zu Fuß sowie mit dem gut ausgebauten Busnetz unternehmen. Kurzum, wir sind etwas enttäuscht – all das war gar nicht so beschrieben, wie wir es nun vorfinden.

Wir gehen erst einmal ins nächst gelegene Kaffee, was auch schon einen längeren Fußmarsch bedeutet, um in Ruhe zu beratschlagen. Ja, eine oder zwei Übernachtungen könnten wir gerade noch tolerieren, aber eine volle Woche? „Willst Du wirklich mit den Leuten alleine die ganze Woche lang frühstücken?“, fragt mich meine Freundin Marie voller Zweifel. Sie meint damit: kein Austausch mit anderen Gästen, kein Plaudern über Reiseerfahrungen, keine Tipps und Restaurantempfehlungen, keine Diskussionen übers Einwandern, etc. Schnell kommen wir überein, daß wir uns eine andere Bleibe suchen, denn es ist schon fast 18.00 Uhr. Also rasch zurück. Wir nehmen wieder unseren Leihwagen, den wir zum Glück erst am kommenden Morgen abgeben müssen und fahren Richtung City. Wie bereits auf vielen unserer früheren Reisen werden wir einfach die Leute vor Ort spontan fragen, wo es ein hübsches B&B für uns gibt. Nach mehreren erfolglosen Versuchen in Restaurants und Klamottenläden finde ich einen Buchladen. Der nette Buchhändler, schon etwas betagt, hilft mir auf meine Frage sofort weiter und schreibt mir eine Adresse auf einen Zettel. Mit einer kurzen Wegbeschreibung gehe ich zurück zu unserer Reiselimousine, wo Marie ungeduldig wartet. Wir finden auch sofort die Adresse, ganz ohne Google. Aber das Haus ist offenbar leer – die Besitzer sind zu Ostern wohl verreist. Mist.

Wir fahren weiter, immer Richtung Stadtzentrum von Vancouver und erreichen eine belebte Einkaufsstraße, die 4th Avenue. Fast alle Läden haben geschlossen – es ist ja Ostersonntag – doch ich finde durch Zufall einen Pub, dessen Besitzer gerade seine Mitarbeiter instruiert. Auf meine Frage drückt er mir ohne viel Zögern sein Mobiltelefon in die Hand, die Nummer bereits gewählt: leider nur Anrufbeantworter. Der zweite Versuch ist aber dann doch von Erfolg gekrönt; ein Zimmer wäre diese Woche noch frei und ich notiere mir die Adresse: Maple House B&B, 1533 Maple Street, nur drei Querstraßen weiter. Marie hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als ich ins Auto einsteige. Sogleich fahren wir dorthin und die für unsere Begriffe etwas “freakige” Eve öffnet uns die Türe und sie zeigt uns gleich das Zimmer im Dachstock. Es ist nicht zu groß, aber einfach und sauber. Wir sind sofort einverstanden und erklären ihr, dass wir nur kurz unser Gepäck holen wollen und sie gibt uns bereitwillig die Zimmerschlüssel. Damit ist die Übernachtungsfrage gelöst und wir eilen nach Dunbar zurück. John in unserer vorherigen Bleibe ist etwas verdutzt, als wir ihm eröffnen, dass wir uns spontan umentschieden haben und nicht bei ihm bleiben könnten. “Anyway, you have to pay one night“, sagt er, wozu wir unser Einverständnis erklären, ja, ist doch ganz selbstverständlich. Die vorab überwiesene Anzahlung soll er gerne behalten.

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Unsere Privatpension in Vancouver Kitsilano (Foto: Marc Lautenbacher)

Nach nur 30 Minuten sind wir wieder im Maple House, beziehen unser Dachzimmer und bezahlen gleich die gesamte Rechnung, die sogar niedriger ist – inklusive Frühstück – als ohne in Dunbar, ein echtes Plus. Als wir zu Fuß zum Nahe gelegenen Mexikaner schlendern, bemerken wir, daß die Bushaltestelle, einige Kaffees und Kneipen in Sichtweite unserer neuen Zuhauses sind, noch ein Plus. Unsere Bedienung, Noelle, empfängt uns gleich überschwänglich in der sprichwörtlichen, typisch englischen Manier. Die Tortillas sind hervorragend und das “Pollo asado“ schmeckt mit einem frisch gezapften Corona Bier ausgezeichnet – das haben wir uns nach der großen Aufregung verdient.

Am kommenden Tag müssen wir bis spätestens 10.00 Uhr unseren fahrbaren Untersatz bei der Verleihfirma in Down-Town zurückgeben. So bleibt für das Frühstück mit Blueberry Pancakes und den Plausch mit den anderen B&B-Gästen nur wenig Zeit. Eine gewichtige Lady aus den USA sitzt mit ihrem erwachsenen Sohn und dem Enkel im Teenageralter am Tisch im gemütlichen Speisesaal. Sie besuchen eine Ausstellung ihrer Tante und machen dann noch ein paar Tage in Vancouver Ferien. “See you!“ rufen Sie uns beim Hinauseilen zu und wir benutzen das letzte Mal unser Leihfahrzeug, das uns ohne größere Zwischenfälle sicher bis hierher gebracht hat.

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Beeindruckend und modern: Down-Town Vancouver an der Bute-Street (Foto: Marc Lautenbacher)

Down-Town Vancouver ist erfreulicherweise nur einen Katzensprung von unserem Domizil im hippen Stadtteil Kitsilano entfernt, wie wir beim Überqueren der “Burrard Street Bridge“, eine der drei großen Brücken, die über den “False Creek“ führt, bemerken. Wie in allen Städten Nordamerikas ist die Stadt in rechtwinkligen, fast immer gleich großen Feldern angelegt und so ist die Orientierung extrem einfach. Von der Burrard Street nur einige Blocks entfernt liegt die Seymour Street, wo das Büro der Autoverleihfirma liegt. Die Rückgabe verläuft problemlos – “No accident, no damages“ – und bei der Ablieferung des Wagens in der Tiefgarage fällt mir der deutsche Akzent des jungen Mannes auf. “Klar“, antwortet er auf meine Frage zu seiner Herkunft im badischen Dialekt, “ich komm’ aus Heidelbäsch!“ Er sei schon zwei Jahre auf der ganzen Welt unterwegs, hat ein Jahr in Ägypten verbracht, war dann in Australien und nun ist Kanada dran. Er will sechs Monate hier bleiben. “Aber da musch was tun, damit a bissle Geld rei’kommt!“

Heute ist schon wieder ein wunderbarer Sonnen-Tag, obendrein die Osterwoche und wir sind “…endlich frei, ohne Auto!“, wie Marie aus vollem Herzen Kund tut. Denn unbewusst ist es doch eine gewisse Belastung, die ganze Zeit Verantwortung für eine Edel-Karrosse zu tragen und keinen Unfall, dazu noch auf fremden Straßen, zu produzieren. Ich verstehe sie deshalb gut. 

1. Tag: Angeblich der schönste Stadtpark Nordamerikas, der Stanley Park

Aus diesem Grunde wollen wir uns heute mit viel Spaziergang belohnen und in den berühmten Stadtpark von Vancouver gehen, den Stanley Park, um dort die Totempfähle der Haida Indianer anzuschauen. Es geht am Canada Place, dem modernen Kongress-Zentrum vorbei, den Coal Harbour entlang, wo man auf einer Art Lehrpfad auf vielen ausgestellten Tafeln über die Geschichte British Columbia’s so einiges lernen kann. Was komplett neu für mich ist: es gab um die Jahrhundertwende eine „Asiatic Exclusion League“ in Vancouver, deren erklärtes Ziel es war, “…jegliche Einwanderung aus asiatischen Ländern von British Columbia fernzuhalten!“ Dieses rassistische Klima gipfelte 1923 im “Chinese Immigration Act“, der die Zuwanderung von Chinesen nach Kanada komplett untersagte und der vom kanadischen Parlament am 1. Juli 1923 für rechtskräftig erklärt wurde. Sogar britischen Staatsbürgern mit chinesischer Abstammung wurde damals die Einwanderung verboten. Als Anerkennung des tapferen Beitrags chinesischer Kanadier während des Zweiten Weltkriegs wurde jedoch am 14. Mai 1947 das Gesetz wieder aufgehoben, das die Integration der asiatischen Gemeinde, heute immerhin ein Drittel der aktuell rund 2,5 Millionen Einwohner Greater Vancouvers zählend, somit wesentlich erleichterte.

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Wasserflugzeuge im Coal Harbour (Foto: Marc Lautenbacher)

Im Coal Harbour ist für die Sommersaison ein Flughafen für Wasserflugzeuge angelegt, die Vancouver City mit Vancouver Island verbindet und nur rund 20 Minuten dauern soll. Marie ist aber so gar kein Freund von derartigen Flugabenteuern und wir beschließen, lieber festen Boden unter den Füßen zu behalten. Nachdem es am heutigen Ostermontag strahlendes Wetter ist, starten und landen die Wasserflugzeuge fast im 10-Minuten-Takt im Vancouver Harbour, dem natürlichen Hafenbecken der Stadt. Ein ungewöhnliches Schauspiel für Flachlandindianer, wie wir es sind.

Der Stanley Park selbst erstreckt sich über eine Gesamtfläche von 400 Hektar und liegt, vollständig vom Meer umgeben, auf einer großteils mit uraltem Baumbestand bewaldeten Halbinsel, die sich direkt an Down-Town Vancouver anschließt. Er wurde auf Initiative von Lord Frederick Stanley, dem Generalgouverneur von Kanada im Jahr 1888 eröffnet und auch nach ihm getauft. Vielleicht kennt der eine oder andere Leser den Stanley Cup, welcher als höchste Auszeichnung des kanadischen Profi-Hockeys gilt und ebenfalls zu Ehren Lord Stanley’s benannt wurde. Wir gehen weiter am Ufer entlang und können das erste Mal die ultramoderne Stadtsilhouette bewundern mit ihrer stattlichen Anzahl von Hochhausbauten und stellen fest: Es gibt sie also doch, die ästhetische und ansprechende Architektur moderner Hochhäuser, die hier vor allem als Wohngebäude errichtet wurden. 

Endlich erreichen wir über die Uferpromenade, die insgesamt 8,5 Kilometer lang ist, die Totempfähle, die in Wahrheit noch imposanter erscheinen als in jedem Reiseführer. Wir lernen, dass die Kunst der Totempfähle einzig und alleine den First Nations der Haida der Nord-Westküste von britisch Kolumbien sowie Alaskas vorbehalten ist und bewundern das strenge, nach festen Regeln angeordnete Grafikdesign der Jahrtausende alten Muster, die mir als studiertem Grafik-Designer teilweise unglaublich zeitgemäß, aktuell und modern erscheinen.

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Totempfähle der First Nations Haida (Foto: Marc Lautenbacher)

Nach einem Tag mit so viel frischer Luft wollen wir im angesagten Viertel “Yaletown“ gut zu Abend essen, und finden eines der wenigen am Ostermontag geöffneten Restaurants, den “Cactus Club“ mit Außenterrasse. Denn wir wollen heute einmal draußen speisen. Zum Glück gibt es über den Tischen fest installierte Gasöfen, die unsere Sitzplätze wohlig erwärmen, denn am Abend wird es noch empfindlich kalt – es ist immerhin erst Anfang April. Das Menü ist außerordentlich, der kanadische Wein dazu, wie bisher immer, ausgezeichnet und nach einem Spaziergang durch das In-Viertel mit seinen vielen Ateliers, kleinen Büros und Designerläden nehmen wir den Bus Nummer 7, der uns direkt vor unserem B&B aussteigen lässt.

2. Tag: Fast wie in China – Vancouvers Chinesenviertel

Da der kommende Tag uns erneut Sonnenschein mit blauem Himmel beschert, wollen wir einen Ausflug nach Victoria, der Hauptstadt von britisch Kolumbien auf „Vancouver Island“ machen und uns darüber bei der Touristeninformation erkundigen. Bedauerlicherweise dauert aber die Hin- und Rückfahrt mit Bus und Fähre insgesamt 6 Stunden und man muss pro Person über 130 Dollar berappen. Man hat vor Ort gerade zwei Stunden Zeit und wir kommen überein, dass dieses Vorhaben keine gute Idee ist. Viel zu kurz für einen lohnenden Besuch der Hauptstadt von B.C. Wir haben noch genug von der Überquerung der Rockies und gehen deshalb zu Fuß nach „Gastown“ in die Altstadt von Vancouver. Gleich auf der Water Street stoßen wir auf die berühmte “Steam Clock“, die alle 15 Minuten die weltbekannte Melodie des Big Ben in London ertönen lässt, im Unterschied dazu jedoch aus fünf Dampfpfeifen. 

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Leckereien der chinesischen Küche in einem Lebensmittelladen in China-Town, Vancouver (Foto: Marc Lautenbacher)

Nach einer gemütlichen Kaffeepause im „Smart Mouth Cafe“ führt uns der Weg über die berüchtigte Hastings Street zum „Dr. Sun Yat-Sen Classical Chinese Garden“, der direkt in der Chinatown von Vancouver liegt. Wirklich eine Oase der Ruhe eines chinesischen Gartens, der einen Besuch Wert ist. Ein Teil davon ist kostenlos zugänglich, für den aus der Ming-Dynastie nachgebauten Teil bezahlt man 15 Dollar Eintritt pro Person. Vancouvers Chinatown ist die älteste ihrer Art in Kanada. Bereits um 1855 ließen sich hier die ersten Einwanderer aus dem Reich der Mitte nieder und sie wirkt so gar nicht wie ein Museum oder extra für Touristen hergerichtet, sondern wie ein lebendiger Teil des Alltags. Man sieht dort überwiegend asiatisch aussehende Menschen, die sich in unzähligen Kaufläden mit für uns völlig fremd erscheinenden Nahrungsmitteln oder exotischen Arzneimitteln versorgen. Interessant finden wir dekorativ auf Bambusstäbchen aufgespannte und getrocknete Eidechsen, die neben großen, schwarzen Schmetterlingslarven zum Kauf ausgestellt sind. Wir fühlen uns als wären wir in China, was sich außerdem in den neon-orangenen Warenschildchen ausdrückt. Denn diese sind ausschließlich in chinesischer Schrift verfasst, lediglich die Preise sind für uns lesbar. Nur auf dem Parkplatz der CIBC-Bank entdecke ich neben der chinesischen auch eine englische Beschriftung für die Kunden.

Nach diesem nicht sonderlich appetitanregenden Blick in die chinesische Küche haben wir absolut keine Lust bekommen, in einem der vielen Restaurants zum Abendessen zu gehen. Ein Freund aus Québec hatte uns “The NAAM Restaurant“ empfohlen, welches in Kitsilano liegt und von unserem B&B bequem zu Fuß erreichbar ist. Schon von Weitem erkennen wir an der Warteschlange, warum es wohl das beste, vegetarische Restaurant der ganzen Stadt sein soll. Der Eingangsbereich ist übersät mit Auszeichnungen der verschiedensten Gourmetblätter und nach relativ kurzer Wartezeit von 40 Minuten (!) bringt uns die Platzanweiserin an einen Tisch auf der verglasten Veranda. Wir bestellen zur Vorspeise handgeschnittene, frittierte Kartoffeln mit Miso-Soße, danach den Salat des Hauses, zusammen mit Vollkornbulletten und eine asiatische Nudelschale mit frischen Gemüsen und Tofu – selbstredend alles aus biologischem Anbau oder “Organic“, wie es hier heißt. Alles schmeckt fantastisch und wir können kaum aufhören, uns gegenseitig probieren zu lassen. Ein heißer Tipp für ein Restaurant, das auch eingeschworenen Fleischessern gefallen wird und das 24 Stunden (!) am Tag und 7 Tage die Woche das ganze Jahr über geöffnet hat – außer an Weihnachten.

(…zu FOLGE 2)

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